Union und SPD haben nach langen Verhandlungen eine Einigung über ein neues Wehrdienstmodell erzielt. Mit der Reform soll die Bundeswehr von derzeit rund 184.000 auf 270.000 aktive Soldatinnen und Soldaten bis zum Jahr 2035 wachsen. BYC-News berichtete: Wehrdienst: Musterung für alle Männer Pflicht
Verfassungsgründe: Musterungspflicht nur für Männer
Aktuell dürfen ausschließlich Männer zur Musterung verpflichtet werden. Grund ist die deutsche Verfassung, die eine Dienstpflicht nur für Männer vorsieht. Eine Anpassung wäre nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat möglich – also mit Zustimmung der Linken oder der AfD.
Wie viele junge Männer sollen künftig gemustert werden?
Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius rechnet das Ministerium jährlich mit etwa 300.000 musterpflichtigen deutschen Männern pro Jahrgang. Insgesamt umfasst ein Jahrgang rund 680.000 Personen. Ab dem kommenden Jahr sollen sich zunächst rund 20.000 junge Menschen freiwillig für den Dienst melden – derzeit sind es etwa 12.000. Bis 2030 soll diese Zahl schrittweise auf bis zu 38.000 steigen.
Ablauf der Musterung
Alle 18-Jährigen sollen ab kommendem Jahr einen Fragebogen erhalten – verpflichtend für Männer, freiwillig für Frauen. Ab 2027 sollen schließlich alle Männer eines Jahrgangs sowie freiwillige Frauen zur Musterung eingeladen werden. Dafür werden Karrierecenter und medizinische Kapazitäten ausgebaut, zusätzliche Musterungszentren sollen in Innenstädten entstehen.
Idealerweise sollen Bewerberinnen und Bewerber an einem Tag ihren Tauglichkeitsgrad erfahren und ein Angebot für einen möglichen Einsatz erhalten – auch im Katastrophenschutz oder in einem sozialen Bereich. Die Entscheidung über eine Annahme bleibt freiwillig.
Vergütung im Wehrdienst
Der Sold soll von derzeit rund 1.800 Euro auf 2.600 Euro brutto steigen. Ab zwölf Monaten Dienstdauer sind zudem Zuschüsse für Führerscheine (Pkw oder Lkw) geplant.
Was passiert bei zu wenigen Freiwilligen?
Sollten sich nicht genügend Freiwillige melden, könnte der Bundestag eine sogenannte Bedarfswehrpflicht beschließen. Dafür müsste die seit 2011 ausgesetzte Wehrpflicht reaktiviert und ein Losverfahren eingeführt werden, das über die Einberufung entscheidet. Details hierzu sind noch offen.
Kein Zivildienst, aber neues Gesellschaftsjahr in Diskussion
Eine Wiedereinführung des klassischen Zivildienstes ist nach aktuellem Stand nicht geplant. Die Bundesregierung prüft stattdessen die Einführung eines freiwilligen Gesellschaftsjahres, das jungen Menschen ermöglicht, sich für mehrere Monate in sozialen, medizinischen oder sicherheitsrelevanten Bereichen zu engagieren.
Das Modell soll ausdrücklich freiwillig bleiben, aber durch Anreize wie eine monatliche Vergütung, Bildungsangebote oder die Anrechnung auf Ausbildungs- und Studienzeiten attraktiver gestaltet werden. Einsatzmöglichkeiten könnten unter anderem in Pflegeeinrichtungen, Rettungsdiensten, Kindertagesstätten, im Katastrophenschutz oder bei gemeinnützigen Organisationen liegen.
Kriegsdienstverweigerung weiterhin möglich
Das Grundgesetz garantiert auch künftig das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Wer den Dienst an der Waffe ablehnt, kann dies wie bisher in einem Verfahren gegenüber dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) begründen. Eine ausführliche Darlegung persönlicher Beweggründe ist dabei weiterhin erforderlich.
Im Zuge der geplanten Reform soll das Verfahren grundsätzlich bestehen bleiben, jedoch an die neuen Strukturen des Wehrdienstes angepasst werden. Sollte es künftig zu einer Bedarfswehrpflicht oder einem Losverfahren kommen, hätten Verweigerer ebenfalls die Möglichkeit, einen alternativen Dienst zu leisten – etwa im Katastrophenschutz, im Rettungsdienst oder in sozialen Einrichtungen.
Das Verteidigungsministerium betont, dass die Kriegsdienstverweigerung als verfassungsrechtlich geschützte Option auch im neuen Wehrdienstmodell unangetastet bleibt.





