Temu & Shein: Pakete bald teurer – Zollfrei vorbei

Temu & Shein

Die EU-Finanzminister haben am Donnerstag, 13. November, in Brüssel eine weitreichende Entscheidung getroffen: Die bisherige Zollfreigrenze von 150 Euro für Pakete aus Drittstaaten wird abgeschafft. Die Reform richtet sich vor allem gegen chinesische Online-Plattformen wie Temu und Shein, die den europäischen Markt seit Jahren mit extrem günstigen Kleinsendungen überschwemmen.

Umsetzung deutlich beschleunigt: EU reagiert auf explodierende Paketmengen aus China

EU-Handelskommissar Maros Sefcovic drängte in einem Brief an die Minister auf eine frühere Umsetzung als ursprünglich geplant. Statt erst 2028 soll die Abschaffung bereits im ersten Quartal 2026 erfolgen. Sefcovic sprach von einem „entscheidenden Schritt“, damit die EU ihre Position „angesichts der sich rasch verändernden Handelsrealitäten stärkt“.

Die EU-Kommission hatte 2023 noch vorgeschlagen, die Freigrenze erst Mitte 2028 zu streichen. Zusätzlich soll eine Pauschalgebühr von zwei Euro für jedes kleine Paket erhoben werden, das in die EU gelangt. Hintergrund sind drastisch gestiegene Importzahlen: Laut Kommission stammten 2024 91 Prozent aller E-Commerce-Sendungen bis 150 Euro aus China. Die Menge der Kleinsendungen schnellte von 1,9 Milliarden (2023) auf 4,17 Milliarden im Jahr 2024 hoch – insgesamt wurden 4,6 Milliarden Päckchen in die EU importiert, viermal so viele wie 2022.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) verweist auf massive Liefermengen: Shein und Temu verschicken demnach täglich rund 400.000 Pakete nach Deutschland. Der Umsatz beider Plattformen lag 2024 zwischen 2,7 und 3,3 Milliarden Euro. Mehr als 14 Millionen Menschen kaufte im vergangenen Jahr bei den Billigportalen ein.

Systematische Unterbewertung: EU spricht von Wettbewerbsverzerrung

Die EU-Kommission geht davon aus, dass bei 65 Prozent der Pakete aus Drittstaaten bewusst ein zu niedriger Wert angegeben wird, um Zollgebühren zu umgehen. Dies führe zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung zulasten europäischer Händler – vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen.

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) nannte die Entscheidung laut Tagesschau ein „wichtiges Signal“, dass „wir keine Ramschware aus China wollen, dass wir unsere Märkte schützen“. Er bekräftigte: „Ich will das Ganze so schnell wie möglich.“

Der Handelsverband wiederum kritisierte die Bundesregierung scharf. Verbandspräsident Alexander von Preen sprach von „unterlassener Hilfeleistung“ gegenüber Mittelstand, Handel und Herstellern.

Qualitätsmängel und Umweltfolgen: Kritik an Temu und Shein wächst weiter

Neben dem Zollthema geraten die chinesischen Anbieter auch wegen Produktqualität und Umweltbelastung zunehmend unter Druck. Untersuchungen der Stiftung Warentest zeigen, dass gerade günstige Produkte unter 150 Euro häufig nicht den EU-Regelungen entsprechen.

„Fast Fashion von Temu, Shein und Co vermüllt unseren Planeten, heizt die Erde auf und macht Menschen krank“, sagte Anna Leitner von Global 2000. Die Abschaffung der Zollfreigrenze sei ein wichtiger Schritt, komme aber „mit 2028 viel zu spät, weil jeden Monat Millionen von Packerl die EU zumüllen“.

Politischer Druck wächst: EU prüft Maßnahmen gegen Shein

Auch politisch verschärft sich die Lage für Shein und Temu. Shein steht bereits im Fokus europäischer Behörden. Frankreich leitete Anfang November ein Verfahren gegen die Plattform ein, nachdem im Sortiment Sexpuppen mit kindlichem Aussehen und verbotene Waffen entdeckt worden waren. Außenminister Jean-Noël Barrot forderte die EU-Kommission auf, „eine Untersuchung einzuleiten und angemessene Sanktionen“ gegen Shein zu verhängen.

Shein lehnte eine Stellungnahme zu den Entwicklungen ab, Temu reagierte bislang nicht auf Anfragen.

Nächster Schritt folgt im Dezember

Der Plan zur vorgezogenen Umsetzung soll beim nächsten Treffen der EU-Finanzminister am 12. Dezember endgültig beschlossen werden. Mit der neuen Regelung müssen sich Temu, Shein und andere Drittstaaten-Händler auf grundlegende Veränderungen ihres Geschäftsmodells in Europa einstellen.

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