Nachrichten Bundesweit: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein Grundsatzurteil gefällt, das den Rundfunkbeitrag in Deutschland unter neue rechtliche Voraussetzungen stellt. Nach Auffassung der Richter darf das Programm von ARD, ZDF und weiteren öffentlich-rechtlichen Sendern künftig auf seine Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt geprüft werden. Sollte sich herausstellen, dass die Sender über einen längeren Zeitraum „gröblich einseitig“ berichten, könnte der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig sein (Az.: BVerwG 6 C 5.24).
Klage einer Beitragszahlerin aus Bayern
Ausgelöst wurde das Verfahren durch eine Frau aus Bayern, die sich geweigert hatte, den Rundfunkbeitrag für den Zeitraum von Oktober 2021 bis März 2022 zu zahlen. Sie argumentierte, die öffentlich-rechtlichen Programme seien zu einseitig und erfüllten ihren gesetzlichen Auftrag zur ausgewogenen Meinungsbildung nicht. Nachdem ein Gerichtsvollzieher die ausstehenden Beiträge eintreiben sollte, ging der Fall durch mehrere Instanzen – bis er schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht landete.
Gericht erkennt prinzipielle Prüfbarkeit an
Das Gericht entschied, dass Verwaltungsgerichte künftig untersuchen dürfen, ob öffentlich-rechtliche Sender ihren Auftrag zur Meinungsvielfalt verletzen. Sollte dies über einen längeren Zeitraum nachweisbar sein, könne die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verfassungswidrig werden. Damit wird erstmals ausdrücklich eine inhaltliche Kontrolle des Programms durch Gerichte möglich – ein Schritt, den Juristen als „Stärkung des Rechtsschutzes der Bürger“ werten.
Hohe Hürden für den Nachweis
Die Richter stellten jedoch klar, dass die Anforderungen an einen solchen Nachweis sehr hoch sind. Einzelne umstrittene Beiträge oder parteiische Formulierungen genügen nicht. Erst wenn das Gesamtprogramm über mindestens zwei Jahre hinweg gravierend unausgewogen sei, könne dies rechtliche Folgen haben. Der Vorsitzende Richter Ingo Kraft betonte, es sei „überaus zweifelhaft“, dass die Klägerin diese Hürde nehme. Zudem müsse der Nachweis durch wissenschaftliche Gutachten belegt werden.
Klägerin muss Beweise liefern
Das Verfahren wurde an den Verwaltungsgerichtshof (VGH) München zurückverwiesen, der den Fall nun erneut prüfen muss. Die Klägerin ist verpflichtet, konkrete Belege für regelmäßige und erhebliche Defizite im Programm vorzulegen. Diese müssen belegen, dass die Sender ihren gesetzlichen Auftrag über einen längeren Zeitraum deutlich verfehlt haben.
Reaktionen und Bedeutung des Urteils
Der Medienanalyst Roland Schatz vom Forschungsinstitut Media Tenor bezeichnete das Urteil als wichtigen Schritt: „Beitragszahler dürfen nun erwarten, dass sie für ihre Zahlung auch eine Gegenleistung in Form von journalistischer Vielfalt erhalten.“ Gleichzeitig warnen Rechtsexperten davor, die Entscheidung als generelle Infragestellung des öffentlich-rechtlichen Systems zu verstehen.
Möglicher Gang zum Bundesverfassungsgericht
Sollte der VGH München tatsächlich zu dem Schluss kommen, dass der Rundfunkbeitrag aufgrund mangelnder Programmvielfalt verfassungswidrig ist, müsste der Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden. Der Ausgang bleibt offen – doch das Urteil aus Leipzig hat die Tür für eine inhaltliche Überprüfung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erstmals geöffnet.
Fazit:
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts markiert einen rechtspolitischen Meilenstein. Es bestätigt, dass Beitragszahler bei nachweislicher, langfristiger Einseitigkeit der Berichterstattung juristisch gegen den Rundfunkbeitrag vorgehen können – auch wenn der Beweis dafür in der Praxis äußerst schwer zu erbringen ist.
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