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Zukunftsfähig durchstarten, das haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer pandemiebedingt getan oder tun müssen. Entstanden sind zukunftsweisende Ansätze, was aus Krisen entstehen kann. Das macht Hoffnung, auch wenn wir aktuell in eine neue Krise geraten sind, die uns allen bewusst macht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Wir können dennoch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und Gutes voranbringen – hier vor Ort, in Europa und darüber hinaus.

In unserer mehrteiligen Serie „Zukunftspotenziale von Unternehmen in unserer Region“ zeigen die Interviewpartnerinnen und -partner wie sie trotz aller Herausforderungen, mit Tatkraft –immer wieder- zukunftsfähig durchstarten.

In dieser Folge sprachen wir mit dem Landwirt Matthias Hang über die Entwicklungen in seinem Unternehmen

Matthias Hang betreibt zusammen mit seiner Partnerin den Qulibri Hof, einen Bauernhof in Grolsheim. Es ist einer der kleinsten Milchviehbetriebe in Deutschland, mit nur 9 Milchkühen, die ganzjährig auf der Weide stehen. Die beiden vertreiben in 100% Direktvermarktung hochwertige Milch- und Käseprodukte und haben damit in einer Weinregion eine Nische besetzt, da es mittlerweile eine absolute Rarität ist, dass in diesem Gebiet noch Kühe auf der Weide stehen.

Was hat sich für Sie durch die Pandemie verändert?

Wir haben mitten in der Pandemie, am 31. Januar 2021 mit dem Verkauf begonnen. Wie sich herausstellte, fast schon überraschenderweise ein sehr guter Zeitpunkt, da die Nachfrage nach regionalen Produkten immer mehr steigt. Da wir unsere Produkte überwiegend über unsere eigenen Automaten vor dem Hof verkaufen, waren wir nie abhängig von Geschäften und bieten unsere Produkte rund um die Uhr an, sodass unsere Kunden täglich frische Milch zapfen und weitere Lebensmittel kaufen können. Durch die Lockdowns haben etwa auch Familien unsere Kühe zum Angucken besucht und das Interesse war sehr groß – auch weil es ja in unserer Region kaum noch Landwirtschaftsbetriebe mit Milchviehhaltung gibt.

Neu in die Landwirtschaft einzusteigen ist ja nicht so üblich, wenn man die aktuellen Diskussionen betrachtet?

Wir haben von Beginn überlegt, wie wir bei geringer Größe zu Wirtschaftlichkeit kommen und gleichzeitig den Tieren gerecht werden können. Und natürlich auch unserer Familie, damit die Arbeitsbelastung beherrschbar bleibt. Daher hatten wir auch eine Gründerberatung in Mainz von Eule e.V. in Anspruch genommen, um Unterstützung zu erhalten. Dort haben wir eine Standpunktanalyse bekommen, wo wir mit unserem Unternehmen stehen und wo wir hin wollen. Hier erhielten wir viele Denkanstöße und wertvolle Tipps. Im Ergebnis haben wir einen kleinen Agrarbetrieb von Grund auf neu gedacht, um uns auch in geringer Größe gleichzeitig wirtschaftlich aber auch Tier- und Ernährungsgerecht aufzustellen. Zentral war für uns vor allem, dass wir ausschließlich auf Direktvermarktung und daher nicht in den üblichen Preiskampf gehen.

Wie sehen Sie die Entwicklung für Ihr Unternehmen?

Ich bin mir sicher, dass immer mehr Menschen bewusster wird, was sie an Nahrungsmitteln zu sich nehmen und etwa auf Zusatzstoffe verzichten wollen. Wir hoffen auch, dass wir das Erlebnis ausbauen können. Dass die Leute nicht sagen, „ich gehe mir Milch kaufen“, sondern, „ich hole mir das gute Gefühl und kann auch die Kühe sehen, von denen die Milch kommt“. Wir haben viele Anfragen von Menschen, die beim Melken zuschauen wollen und das auch ihren Kindern zeigen möchten.

Wir versuchen das nachhaltig zu gestalten, dass das auch bei den Leuten haften bleibt, was ein weiterer Trend ist. Den Weg, den wir eingeschlagen haben, wollen wir so weitergehen und lassen die Menschen über Social Media daran teilhaben. Die Menschen wollen digital daran teilnehmen, wo und wie ihre Produkte entstehen. Regelmäßig posten wir Eindrücke von unserer Arbeit, Bilder von unseren Kühen, von neuen Produkte und lassen die Menschen einfach an unserer Arbeit teilhaben. Diese Möglichkeit nutzen immer mehr Betriebe, um ihre Kunden auf sich aufmerksam zu machen und auch die Landwirtschaft wieder erlebbarer zu machen. Und damit zeigen wir ihnen direkt: „Wir verkaufen hochwertige Produkte, die kurze Wege haben und eine gute Wertschöpfung.“

Was glauben Sie, was sich in Ihrem Bereich, auch angetrieben durch die Pandemie, in den nächsten ein, zwei Jahren entwickeln wird?

Ich hoffe, dass in der Bundespolitik ein Wandel stattfindet. Der Kunde will kleinstrukturierte Betriebe, deshalb muss den Landwirten geholfen werden, wieder kleiner zu werden. Bei vielen jungen Landwirten, die den Betrieb von ihren Eltern übernehmen, findet eine Wandlung statt.

Ein aktuelles Thema ist, wie kommen Lebensmittel zu den Kunden. Der Trend geht immer mehr zum online Versand. Und auch immer mehr Supermärkte liefern mittlerweile die Lebensmittel direkt zu den Kunden nach Hause. Die Leute haben keine Lust und Zeit mehr zum Einkaufen. Sie wollen ihre Zeit optimieren. Das ist natürlich ein gefährlicher Trend. Auf immer kürzeren Wegen und schneller ihre Sachen nach Hause haben zu wollen. Den Weg muss man mitgehen, aber auch in gewissem Maß entgegensteuern.

Es gibt auch immer mehr Plattformen, auf denen die Kunden ihre Lebensmittel von verschiedenen regionalen Erzeugern bestellen können und dann an einem bestimmten Tag alles an einem Ort abholen können. Das sind super Angebote, die den Kunden eine tolle Möglichkeit des Einkaufens bieten und uns einen hohen Vertriebsaufwand ersparen.

Die Kunden bestellen immer mehr Lebensmittel direkt vor die Tür. Und wenn die Landwirte jetzt auf den richtigen Zug aufspringen, haben wir eine riesen Chance. Ich freue mich, wenn ich ein Paket packe und das zum Beispiel nach Berlin schicke. So haben auch Landwirte, die sehr abgelegen sind, über einen Online-Shop die Möglichkeit ihre Kunden mit ihren Produkten zu versorgen.

Was würden Sie den Leuten raten, die überlegen, sich selbständig zu machen?

Dass sie den Mut haben sollen, komplett in die Selbständigkeit zu gehen. Sich darauf zu konzentrieren, was sie machen wollen und was sie gut können. Auf die Qualität zu setzen, denn Qualität zahlt sich am Ende immer aus. Für viele ist es immer noch wichtig, ein sicheres Standbein zu haben und führen ihren eigentlichen Traum nur im Nebenerwerb aus.

Mir war es von Anfang an wichtig, eine Sache zu hundert Prozent zu machen und nicht nur nebenher. Ich will den Fokus auf eine Sache haben. Wenn ich ein Unternehmen habe, will ich mich darauf konzentrieren und nicht den ganzen Tag im finanziell sicheren Job sitzen und auf die Uhr schauen, wann es Zeit ist für das, was mich eigentlich erfüllt.


Kommentar von Anke Schiffer-Chollet

Anke Schiffer-Chollet, Coach bei Restart

Matthias Hang zeigt, dass ein traditionelles Business wie die Landwirtschaft neu gedacht auch anders aussehen kann: Nachhaltig, nah am Kunden und modern. Mit seinem klein-strukturierten Betrieb verbindet Matthias Hang Zukunftstrends mit Wirtschaftlichkeit und somit setzt auch der Qulibri Hof auf den Faktor Qualität.

 

 


Über Restart

Sie sind selbständig oder haben ein kleines Unternehmen und stecken gerade auch mitten in Veränderungen oder Schwierigkeiten? Gerne sortieren wir mit Ihnen gemeinsam Ihre Fragen, Ideen und Themen und erarbeiten Wege, damit Sie (wieder) zukunftsfähig durchstarten können. Möchten Sie mitmachen? Sie erreichen das Team unter www.restart.vision, per Mail an restart@mki-ev.de oder telefonisch unter 06131 217 11 92.

Die Teilnahme an „Restart – zukunftsfähig durchstarten“ ist für Selbständige, Freiberufler/-innen und Kleinstunternehmen in Rheinland-Pfalz kostenfrei. Dies wird ermöglicht durch die Förderung im Rahmen der Arbeitsmarkt­initiative #rechargeRLP. Sie wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz aus Mitteln des EU-Hilfsprogramms REACT-EU über den Europäischen Sozialfonds (ESF) umgesetzt.