Mainz Fahnen Symbolbild
Mainz Fahnen Symbolbild

Nachrichten Mainz: Wer aufmerksam durch die Mainzer Altstadt schlendert und einen genaueren Blick auf die Straßenschilder wirft, könnte auf ein kleines, aber bemerkenswertes Detail stoßen: Auf einigen Schildern steht hinter dem Straßennamen ein Punkt. Ein Beispiel dafür ist das „Höfchen.“ – mit Punkt. Doch nur ein paar Meter weiter prangt auf einem anderen Schild „Höfchen“ – diesmal ohne Punkt.

Warum diese Uneinheitlichkeit? Was hat es mit dem mysteriösen Punkt auf sich? Um das Rätsel zu lösen, führt die Spur weit zurück in die Vergangenheit – und zu einem kuriosen Begriff: dem „Dumme-Jungen-Punkt“.

Eine Rechtschreibreform und ihre Spuren

Eine mögliche Erklärung liefert eine Geschichte aus den 1920er-Jahren. Damals stand eine Rechtschreibreform im Raum, die vorsah, hinter Eigennamen – darunter auch Straßennamen – standardmäßig einen Punkt zu setzen. Diese Regelung sollte offenbar Klarheit schaffen, fand aber nie breite Anwendung. Dennoch ließen einige Städte, darunter angeblich auch Mainz, bereits Schilder mit Punkten anfertigen.

Ein Beispiel für diese Praxis findet sich in Quedlinburg, Sachsen-Anhalt, wo die Reform ebenfalls Spuren hinterließ. Der dortige „Nachtwächter“, ein lokaler Fremdenführer, erzählt Touristen gerne von dieser Episode und betont, wie die nie umgesetzte Regelung zur Eigenheit der Stadt beigetragen habe. Mainz könnte in einer ähnlichen Situation gewesen sein, wodurch einige Schilder mit Punkt bis heute erhalten blieben.

Der „Dumme-Jungen-Punkt“

Eine weitere Spur führt in die Schreibpraxis des frühen 20. Jahrhunderts. Der Duden von 1929 beschreibt, dass Eigennamen oft wie abgekürzte Sätze behandelt und daher mit einem Punkt versehen wurden – eine Tradition, die sich etwa auf Visitenkarten, Briefköpfen oder Schildern widerspiegelte. Diese Schreibweise war jedoch keineswegs verpflichtend und geriet nach und nach außer Gebrauch.

Interessanterweise wurde diese Angewohnheit bereits um 1900 kritisch betrachtet. Ein anonymer Zeitzeuge, der sich selbst als „besorgter Unterthan“ bezeichnete, wetterte über die Unsitte, „nach jedem einzelnen Worte einen Punct zu setzen, als hätten sie gleichsam einen ganzen Satz beendet“. Er nannte das Phänomen spöttisch den „Dumme-Jungen-Punct“ und vermutete, dass nur „dumme Jungen“ für diese Gewohnheit verantwortlich seien.

Historische Bilder aus Mainz

Ein Blick in alte Bildbände aus Mainz, wie etwa „Mainz, Fotografische Erinnerungen 1845–1945“, zeigt, dass diese Praxis auch in der Stadt verbreitet war. Historische Aufnahmen von Häusern, Geschäften und Wirtshäusern belegen, dass hinter den Namen der Inhaber häufig ein Punkt gesetzt wurde. Hier geht es zur Facebook-Seite Historisches Mainz von BYC-News

Obwohl diese Gewohnheit längst in Vergessenheit geraten ist, lassen sich ihre Spuren auf den Straßenschildern der Stadt noch heute erkennen.

Eine Mainzer Besonderheit

Der Punkt auf einigen Mainzer Straßenschildern könnte somit ein Relikt aus vergangenen Zeiten sein – eine Mischung aus einer nie umgesetzten Rechtschreibreform, historischer Schreibpraxis und einer Prise Humor, wie der Begriff „Dumme-Jungen-Punkt“ nahelegt.

Auch wenn die Gründe für diese Praxis vielen verschlossen bleiben, fügt der kleine Punkt den Straßenschildern der Stadt ein charmantes Stück Geschichte hinzu. So wird jedes Schild, ob mit oder ohne Punkt, zu einem stillen Erzähler der Vergangenheit – und regt die Neugier derjenigen an, die genau hinschauen.