An der Universitätsmedizin Mainz ist ein richtungsweisendes Forschungsprojekt gestartet, das die Entwicklung neuartiger Schleimhautimpfstoffe gegen Pneumokokken vorantreiben soll. Unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Tim Sparwasser vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene verfolgt das Forschungsteam das Ziel, Impfstoffe zu entwickeln, die einen breiteren und wirksameren Schutz vor schwerwiegenden Pneumokokken-Erkrankungen wie Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung bieten. Gleichzeitig soll der Einsatz von Antibiotika reduziert und damit die Entstehung neuer Resistenzen eingedämmt werden. Das Projekt wird über drei Jahre hinweg mit 300.000 Euro von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gefördert.
Pneumokokken: Weltweit verbreitete Gefahr für Risikogruppen
Pneumokokken, wissenschaftlich Streptococcus pneumoniae, gehören zu den weltweit häufigsten bakteriellen Erregern. Mit über 100 bekannten Serotypen stellen sie insbesondere für Menschen mit geschwächtem Immunsystem eine erhebliche Gefahr dar. Übertragen werden die Bakterien durch Tröpfcheninfektion – etwa beim Sprechen, Husten oder Niesen.
Infektionen können vergleichsweise harmlos beginnen, etwa als Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündung. Doch besonders bei Kindern, älteren Personen oder Menschen mit chronischen Erkrankungen können Pneumokokken schwere, potenziell lebensbedrohliche Krankheitsverläufe auslösen – darunter Lungenentzündung, Hirnhautentzündung oder Blutvergiftung. In Deutschland wird deshalb für Risikogruppen eine Schutzimpfung empfohlen.
Grenzen bisheriger Impfstoffe
Aktuell verwendete Pneumokokken-Impfstoffe basieren auf Polysaccharid-Antigenen, die Serotyp-spezifisch wirken. Da sie nur bestimmte Serotypen abdecken, bleibt ein großer Teil der Pneumokokken-Varianten unberücksichtigt. Zudem führt immunologischer Druck in der Bevölkerung zum sogenannten serotype replacement: Serotypen, die nicht abgedeckt werden, breiten sich weiter aus.
Gleichzeitig steigt die Zahl antibiotikaresistenter Pneumokokken-Stämme, wodurch Behandlungen zunehmend erschwert werden.
Neuartige Schleimhautimpfstoffe sollen breiteren Schutz ermöglichen
Hier setzt das neue Mainzer Forschungsprojekt an. Ziel ist die Entwicklung einer Impfung, die direkt an den natürlichen Eintrittspforten – den Schleimhäuten von Mund und Nase – wirkt und serotypunabhängig schützt. Statt Polysacchariden setzen die Forschenden auf hochkonservierte Proteine, die bei allen Pneumokokken-Serotypen vorkommen.
Verabreicht werden sollen die Impfstoffe entweder nasal als lösliche Proteine oder oral als Virus-Like Particles (VLPs), die als Transportkapseln für Antigene dienen. In präklinischen Tiermodellen untersucht das Team, welche Immunantworten diese Impfstrategien auslösen und wie wirksam der Schutz ist.
Professor Sparwasser erläutert den innovativen Ansatz: „Mit der mukosalen Immunisierung, also der Verabreichung des Impfstoffs über die Schleimhäute von Mund oder Nase, kann die Impfung direkt an den natürlichen Eintrittswegen schützen. Wenn es uns gelingt, einen Pneumokokken-Schleimhautimpfstoff erfolgreich zu entwickeln, könnten wir auf diese Weise eine potenziell bessere lokale Immunität erzielen als mit den aktuell eingesetzten Impfstoffen. Durch die Verwendung hochkonservierter Proteine verfolgt unser Forschungsansatz darüber hinaus ein Serotyp-unabhängiges Schutzkonzept, das auch Erregertypen einschließt, die von den bisherigen Impfstoffen nicht abgedeckt werden.“
Potenzial für einen neuen Impfstofftyp
Das Projekt könnte die Grundlage für einen völlig neuen Typ Pneumokokken-Impfstoff legen – eine Ergänzung oder Alternative zu bisherigen Präparaten.
Die Vorteile wären weitreichend:
- breiter Schutz gegen zahlreiche Serotypen
- nicht-invasive Verabreichung über Mund oder Nase
- geringerer Bedarf an Antibiotika
- wichtige Maßnahme im Kampf gegen Resistenzen
Großzügige Förderung durch die Else Kröner-Fresenius-Stiftung
Die gemeinnützige Else Kröner-Fresenius-Stiftung unterstützt das Vorhaben im Rahmen ihrer Förderlinie „Schlüsselprojekte“. Diese richtet sich an Forschungsvorhaben, die das Potenzial besitzen, neue Therapieansätze zu schaffen oder etabliertes medizinisches Wissen grundlegend zu verändern. Über drei Jahre stellt die Stiftung 300.000 Euro für die Umsetzung bereit.
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