Wald

Der Ingelheimer Stadtwald ist weit mehr als ein idyllisches Naherholungsgebiet. Dieses besondere Waldgebiet, das trotz seiner Lage in der Gemarkung Daxweiler (Verbandsgemeinde Langenlonsheim-Stromberg, Kreis Bad Kreuznach) historisch zur Stadt Ingelheim gehört, vereint eine beeindruckende historische Tiefe mit wirtschaftlicher und ökologischer Relevanz. Als kommunaler Eigenbetrieb wird der Stadtwald von der Stadtverwaltung Ingelheim geführt und stellt ein Paradebeispiel für nachhaltige Forstwirtschaft und regionale Identität dar.

Historische Wurzeln: Ein Geschenk mit unklaren Ursprüngen

Die Geschichte des Ingelheimer Stadtwaldes reicht über 800 Jahre zurück. Eine Überlieferung berichtet von einer gräflichen Schenkung an die Nieder-Ingelheimer Gemeinde als Dank für die Fürsorge der Bevölkerung. Unklar bleibt, wie die Gräfin selbst in den Besitz des Waldes gelangte. Ein möglicher Ursprung könnte in der karolingischen Kaiserpfalz liegen, die einst in Ingelheim bestand und für deren Versorgung Wälder wie dieser genutzt wurden.

Im Jahr 1888 endete eine lange Verbindung zwischen dem Ingelheimer Wald und den Bewohnern von Daxweiler, die bis dahin Nutzungsrechte am Wald hatten. Diese Rechte wurden gegen eine Zahlung von 76.000 Mark abgelöst, eine Summe, die durch das Engagement des Gemeinderatsmitglieds Dr. Wilhelm Freiherr von Erlanger ermöglicht wurde. Ihm zu Ehren erinnert heute ein Gedenkstein im Stadtwald an diese entscheidende Phase der Geschichte.

Geologie und Ökologie: Ein vielfältiger Lebensraum

Der Ingelheimer Stadtwald liegt auf einer Höhe von 400 bis 637 Metern über dem Meeresspiegel und erstreckt sich über mittelgebirgige bis steil abfallende Hänge. Das Grundgestein besteht aus Taunusquarzit, ergänzt durch tertiären Staublehm und gelegentlichen Tonschiefer. Typische Bodentypen wie Braunerde und Pseudogley prägen das Gebiet. Die klimatischen Bedingungen mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag von 760 mm und einer mittleren Jahrestemperatur von 7,8 °C schaffen ideale Voraussetzungen für vielfältige Flora und Fauna.

Nachhaltige Forstwirtschaft: Ein Leitbild für die Zukunft

Seit 1988 wird der Ingelheimer Stadtwald nach den Prinzipien der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) bewirtschaftet. Ziel ist es, stabile, naturnahe Wälder zu schaffen, die sowohl ökologischen als auch wirtschaftlichen Ansprüchen genügen.

Die wichtigsten Maßnahmen umfassen:

  • Abkehr vom Kahlschlag zugunsten einer baumweisen Ernte, um Dauerwälder zu fördern.
  • Umbau von Monokulturen in Mischwälder mit standortgerechten Baumarten wie Eichen, Tannen und Buchen.
  • Verzicht auf großflächigen Maschineneinsatz, um die Waldböden zu schonen.
  • Förderung standortheimischer Pflanzenarten, um die Biodiversität zu erhöhen.

Seit 1999 ist der Stadtwald nach dem FSC®-Standard zertifiziert, was ihn zu einem Vorbild für nachhaltige Waldnutzung macht.

Der Stadtwald als Wirtschaftsbetrieb

Neben seiner ökologischen und kulturellen Bedeutung ist der Stadtwald auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Er liefert Holz, das als nachhaltiger Rohstoff genutzt wird, und betreibt einen Eigenjagdbetrieb. Seit 1994 wird die Jagd in Eigenregie geführt, was nicht nur die Wildbestände reguliert, sondern auch Einnahmen für den Forstbetrieb generiert.

Die Jagdstrategie zielt darauf ab, den Verbissdruck auf die jungen Pflanzen zu minimieren. Maßnahmen wie die Errichtung von Kleingattern für gepflanzte Eichen oder die Reduktion der Nachtjagd gewährleisten eine Balance zwischen Wildschutz und Forstwirtschaft.

Biotope und Artenschutz

Im Zuge des Waldumbaus wurden auch Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Tierwelt ergriffen. Wildäsungsflächen bieten Tieren ungestörte Nahrungssuche, während das optimierte Lebensraum- und Forstbetriebsentwicklungskonzept (OLF) langfristig eine harmonische Koexistenz von Wildtieren und Waldwirtschaft sicherstellen soll.

Umweltbildung: Lernen im Grünen

Der Stadtwald ist nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch der Bildung. Schulen, Vereine und Pfadfinder nutzen den Wald für Projekte wie Baumpflanzungen, die Pflege von Feuchtbiotopen und Umweltbildung. Besonders hervorzuheben ist das internationale Jugendworkcamp, das seit 2002 jährlich stattfindet. Jugendliche aus aller Welt tragen durch praktische Arbeit und kulturellen Austausch zur Entwicklung des Waldes bei.

Entwicklung der Baumartenverteilung im Ingelheimer Stadtwald

Die Baumartenverteilung im Ingelheimer Stadtwald zeigt über die Jahre eine deutliche Entwicklung hin zu einer größeren Vielfalt und einem Rückgang von Nadelholzbeständen. Vor 1990 dominierten Fichten mit einem Anteil von 61 %, der bis 2011 auf 20 % reduziert wurde. Parallel dazu wurde der Anteil an standortgerechteren Laubholzarten wie Buche und Eiche ausgebaut. Während der Buchenanteil von 10 % (vor 1990) auf 28 % (2011) stieg, bleibt die Eiche mit etwa 27–30 % konstant. Andere Nadelbaumarten wie Kiefer und Douglasie zeigten nur geringe Veränderungen, wobei letztere vorübergehend auf 13 % stieg, 2011 jedoch wieder auf 4 % zurückging. Der Umbau in Richtung naturnaher Mischwälder wird durch den stabilen Anteil sonstiger Laubhölzer (15 %) unterstützt, während Tanne und Lärche mit nur 1 % eine untergeordnete Rolle spielen. Die Veränderungen spiegeln die langfristigen Ziele der nachhaltigen Waldwirtschaft wider, die sich an ökologischen und standortspezifischen Anforderungen orientieren.

Moderne Nutzung: Windkraft und Technologie

Der höchste Punkt des Waldes, der Kandrich, ist ein Symbol für den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Hier wurden seit 1999 mehrere Windräder und 2003 ein Sendemast errichtet. Diese Anlagen unterstreichen die Bedeutung des Waldes als Standort für erneuerbare Energien und moderne Infrastruktur.