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Als Julian Nagelsmann den Grundstock für seinen EM-Kader präsentierte, war die Überraschung groß. Er setzte auf einige neue Spieler und verzichtete gleichzeitig auf bisherige Stammspieler wie Mats Hummels oder Leon Goretzka. Daneben holte er Toni Kroos zurück, der in dieser Saison am Ende seiner Laufbahn zahlreiche Karrierehöhepunkte bei Real Madrid erlebte.

Die Basis für diese Entscheidungen erschloss sich nicht auf den ersten Blick, doch Nagelsmann hatte gute Argumente auf seiner Seite. Er gilt als Anhänger statistischer Daten und verwies in der Erläuterung auf Zahlen, die nicht lügen. Diese gaben für ihn den Ausschlag, jenes Team zu nominieren, das jetzt die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland bestreitet.

Die Skepsis ist der Freude gewichen

Als großer Fan von Statistiken wird es Bundestrainer Julian Nagelsmann besonders freuen, dass die Zahlen aktuell für ihn und seine Spieler sprechen. Monatelang dominierte die englische Fußball-Nationalmannschaft die Wettquoten und galt als Favorit auf den Titel bei der EURO 2024 in Deutschland.

Doch nach den beiden enttäuschenden Auftaktspiele für die „Three Lions“ haben die Fans ihre Meinung geändert. Bei der Europameisterschaft hat sich seit dem Start des Turniers einiges getan. England ist mittlerweile nur noch auf Platz drei der Favoritenliste platziert, die Nummer eins teilen sich Deutschland und Frankreich. Auch Spanien konnte sich verbessern und nimmt in der Zwischenzeit Platz vier ein. Das lässt die Fans der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft jubeln, schließlich hoffen sie, dass diesmal das große Comeback Deutschlands auf der internationalen Fußballbühne gelingt.

Der Bauchgefühlsmensch vertraut den Daten

Das Vertrauen von Nagelsmann in die Daten ist umso erstaunlicher, als dass er sich selbst als Bauchgefühlsmensch beschreibt. Doch in der Arbeit als Bundestrainer legt er großen Wert auf datengestützte Entscheidungen.

Diese liefert das „Team Fußballdaten und Forschung“. Dieses besteht bereits in „normalen Zeiten“ aus insgesamt sechs Mitarbeitern und wurde im Vorfeld der EURO 2024 um weitere zehn Experten, Studenten und Praktikanten aufgestockt. Daneben gibt es im Deutschen Fußballbund ein weiteres Team, das sich auf Videoanalysen und taktische Auswertungen konzentriert.

Einsatz in allen Gebieten des Trainings

Diese Spezialisten liefern also genügend Stoff für den beruflichen Zahlenmensch Julian Nagelsmann. Diese werden in vielen Bereichen genutzt. Das beginnt beim Fitnesstraining, reicht über die GPS-Gurte zur Belastungssteuerung und geht natürlich in die taktische Feinabstimmung. Jedes einzelne Detail wird aufbereitet, analysiert und im Training wie im Spiel genutzt. Die Daten selbst kommen von Partnerunternehmen. Schon vor dem Engagement von Julian Nagelsmann existierte eine entsprechende Vereinbarung, der Bundestrainer weitete diese Zusammenarbeit allerdings noch weiter aus. Neu im Einsatz ist die sogenannte „Packing-Methode“.

Die Daten beziehen die Mitspieler ein

Diese wurde von zwei ehemaligen Bundesliga-Profis in ihrem gemeinsamen Unternehmen Impect entwickelt. Dabei wird, anders als bei herkömmlichen Statistiken, der jeweilige Gegenspieler mit berücksichtigt. So zeigen die Daten beispielsweise an, wie viele seiner Gegner an einem Fußballer scheitern.

Doch die Daten liefern nicht nur bei der Analyse der eigenen Spiele und Fußballer wichtige Erkenntnisse, sondern auch beim Scouting für Neuzugänge. Das nutzen immer mehr Vereine und Klubs für ihre Zwecke. Im DFB sind sie ein wichtiger Hinweisgeber auf Spieler, die für eine Nominierung in die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft infrage kommen.

Mittelstädt verdankt seine Nominierung der Statistik

Das beste Beispiel für die Wirksamkeit dieser Methode ist der Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt vom VfB Stuttgart. Er kam unter Julian Nagelsmann neu in die Mannschaft. Der Bundestrainer begründete dies damit, dass Mittelstädt statistisch gesehen der mit Abstand beste Linksverteidiger in der Bundesliga sei. Die Daten von Impect beziehen sich jedoch nicht nur auf den deutschen Fußball, sondern auch auf alle internationalen Top-Spieler. Das macht Vergleiche einfach. Dabei zeigt sich, dass die Kritik, die technisch begabte Spieler in Deutschland immer wieder erfahren, statistisch nicht gerechtfertigt ist.

Kroos zählt unbestritten zu den Besten

Nicht nur Toni Kroos musste jahrelang um die Anerkennung kämpfen, die ihm jetzt auch in seiner Heimat zuteilwird. Seine Leistungsdaten sprechen schon seit langem eine andere Sprache. Da kann kaum jemand aus der Weltelite mithalten. Kein Wunder also, dass Julian Nagelsmann alles daransetzte, um Kroos zu einem Comeback in der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu überreden.

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Die bisherigen Daten sprechen jedenfalls für den Zugang, den Julian Nagelsmann mit Beginn seiner Ära gewählt hat. Zum ersten Mal seit 18 Jahren hat sich sein Team schon nach zwei Spielen für das Achtelfinale eines großen Turniers qualifiziert. Gleichzeitig gelang es seiner Mannschaft nach 12 Jahren wieder, mit zwei Siegen in ein Turnier zu starten.