Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Der Dicke hat mich gelobt. Das kommt selten genug vor, um es hier zu erwähnen. Dabei tue ich im Alter einfach die Dinge so, wie sie mir vernünftig scheinen.


„Der ist freundlich, er ist nur an der Leine, weil er einen Jagdtrieb hat.“ Kaum einen Satz habe ich den Dicken häufiger sagen gehört, als diesen. Er fällt, wenn wir andere Hunde mit ihren Dienstmenschen treffen und der Dicke mir die Kontaktaufnahme ermöglichen will. Also zu den Hunden. Ich hab‘ ja meinen eigenen Dienstmenschen.

Allerdings hat der Dicke den Satz auch zu mir schon oft gesagt. Allerdings deutlich weniger freundlich. Weil ich anderen Tieren nachstellen wollte, musste ich an der Leine bleiben. Doch es zieht mich nicht mehr so weg wie früher. Ich lebe gerne mit dem Dicken in Frieden, das lässt mich Napf, Couch und Kuscheldecke zuhause ungestörter genießen. Deswegen reagiere ich schneller und zuverlässiger, wenn er draußen nach mir ruft.

Deshalb und auch weil es mir sinnvoller erscheint. Neulich waren wir unterwegs und ich durfte ohne Leine laufen. Als ich schon um die Kurve war und der Dicke mir noch hinterher hechelte, sah ich eine Frau mit ihrem Hund. Ich setzte mich hin und wartete auf den Dicken. Erst als er da war und die Frau angesprochen hatte, bin ich auch tatsächlich hin.

Der Dicke ist mein Flügelmann

Er könne bersten vor Stolz, meinte der Dicke daraufhin, als wir wieder allein waren. Nun ist es nichts Neues, dass er übertreibt. Überzogen zu reagieren, gehört zu seiner Natur. Ich bin da nachsichtig. Mir sind Triebe, die zu unsinnigem Verhalten führen, schließlich selbst nicht fremd. Doch dieses überschwängliche Lob irritierte mich.

Denn eigentlich habe ich nur etwas gemacht, was in meinem eigenen Interesse war. Es stimmt ja. Ich werde älter. Anders als früher traue ich mir kaum noch zu, mich mit einem anderen Hund zu prügeln. Deswegen warte ich ab. Weil ich den Dicken als Flügelmann schätze. Im Zweifelsfall kann er sich für mich prügeln.

Dem Dicken ist’s recht. Und ich komme sicherer durch. So haben wir beide was davon. Die gemütliche Couch wissen wir schließlich beide zu schätzen.

Es zahlt sich aus

Wobei es nicht nur das Alter ist. Durch dieses blöde Corona haben wir mehr Zeit miteinander verbracht. Das war nervig. Aber es hatte auch seine Vorteile. Wir können besser miteinander reden als früher.

Ich mag manchmal nicht mehr spazieren gehen: Wenn’s regnet, zu kalt ist oder mir eine Gegend unheimlich vorkommt. Da genügt mittlerweile ein Blick und der Dicke weiß Bescheid. Dann kehren wir um und gut ist.

Der Dicke scherzt. Mit peinlichem Humor. Schließlich ist es immer noch der Dicke. Aber er meint, wir würden synchron alt werden und er habe auch nicht immer und unter allen Umständen mehr so viel Bock aufs spazieren gehen.

Dann aber wieder schon. Und das draußen. Auf dem Feld. Wo es nach Wildtieren riecht. Und das machen wir dann stundenlang. Sodass es sich am Ende des Tages einmal mehr auszahlt, dem Dicken bei anderen Gelegenheiten entgegen zu kommen.

Hier stehen andere Artikel aus der Serie.

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don