Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Der Dicke mag es gern eintönig. Wenn er denn mal eine Platte aufgelegt hat, spielt er sie immer und immer wieder. Derzeit läuft: Ich sei alt geworden. Das macht er an den absurdesten, weil letztlich normalsten Gewohnheiten fest.

Ich mag den Sommer. Da ist es lange hell. So lange, dass es kein Problem ist, den Last-Piss noch im Hellen zu machen. Eigentlich. Denn manchmal hängt der Dicke fest. Irgendwo läuft halt immer Ghost oder Vier Hochzeiten und ein Todesfall – und ich muss dann im Dunkeln nochmal raus. Danke, Dicker.

Und ja: Ich mag es nicht, durchs Dunkle zu laufen. Tatsächlich mag das auch damit zu tun haben, dass meine Einschätzung eine andere geworden ist. Habe ich mir früher zugetraut, jeden Dobermann wegzuhauen, denke ich mir nun immer öfters: Ach komm, Don, geh dem lieber aus dem Weg, wer weiß, wie es endet. Deswegen mag ich es auch nicht, wenn ich nicht weiß, was hinter der nächsten Ecke wartet.

Das hat doch nichts mit älter werden zu tun. Eher mit Reife. Ich mein‘: Mir gehört ein gemütliches Körbchen mit einer kuscheligen Decke darin. Zwar gehen wir zu wenig Gassi und von meiner chronischen Unterernährung möchte ich gar nicht erst anfangen. Aber doch gibt es genug, um das es schad‘ wäre, um in einem unsinnigen Kampf drauf zu gehen.

Schießen mocht‘ ich noch nie

In Sachen Schießen sehe ich das schon seit Bijeljina so. Wer erlebt hat, was ich hinter mir habe, der mag kein Knallen. Und der Dicke redet sowas von Mist, wenn er behauptet, ich würde im Alter immer empfindlicher. Das erzählt er. Tatsächlich. Sogar öffentlich. Der Spinner.

Gut. Früher konnte ich schneller weglaufen. Heute muss ich mehr voraussehen. Das heißt doch aber nicht, dass ich vorsichtiger würde – nur umsichtiger. Und das verlangt der Dicke von mir. Immer. Vor allem, wenn wir eine Straße überqueren. Dann müsste er doch eigentlich einsehen, dass ich auch den Lärm weiträumiger umgehe.

Zum Beispiel in meinem Revier. Natürlich mag ich das, da durch zu laufen: Wiesen mit Fährten. Gebüsch, in dem sich Wildvieh versteckt. Weizenfelder mit Mäusen drin. Aber da wurde neulich geschossen. Seitdem verlasse ich das Auto nur noch aus Höflichkeit – und um dem Dicken danach zu zeigen, dass ich da nicht hin will. Im Moment zumindest nicht.

Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich älter würde. Im Gonsbachtal ging es mir auch mal so. Kaum ging und kam der Winter wieder, waren sieben Jahre vorbei und schon hatte ich meine Bedenken zurückgestellt und bin dem Dicken wieder zum Bach gefolgt. Wobei eigentlich ich immer vorausgehe. Er sollte Geduld aufbringen. Das wird mit meinem Revier auch wieder so sein.

Appetit ist immer noch der alte

Dann gibt es auch noch Sachen, die sich gar nicht ändern. Mein Appetit zum Beispiel. Ich kann immer noch essen wie ein ausgesetzter Welpe. Das fördert er aber nicht. Im Gegenteil. Da kommt er mir, ich würde ja älter und solle mich anders ernähren.

Wieso das denn? Wenn es doch genauso gut schmeckt wie früher? Und voller Stolz kann ich sagen, dass ich die härtesten Knochen immer noch problemlos durchkriege. Was soll das also mit diesem Stoffwechsel? Mit Drogenhandel habe ich nichts zu tun. Meine Sucht heißt Leckerlis.

Da ist es dann der Dicke, der alt wird. Früher hat er – wie sich das für einen brav erzogenen Menschen gehört – immer Leckerlis dabei gehabt, wenn wir unterwegs waren. Doch immer öfters sind seine Taschen leer. Ich kann mir das nur mit nachlassendem Gedächtnis erklären. Aber ich habe ja Verständnis dafür, dass er älter wird.

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don

Hier findet Ihr weitere Folgen der Serie