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Hier kommt das andere Ende der Leine zu Wort: der Don. Hunde lügen nicht. Wir sind lebende Engel mit reinem Herzen. So weit zu unserem Image, das edel ist. Schließlich haben wir eine gute PR-Agentur. Aber so ganz stimmen tut das nicht, also das mit dem Lügen.


Vier Grad Celsius. Es nieselt immer stärker, sodass es bald angemessen wäre, von Regen zu reden. Seit anderthalb Stunden gehen wir durch die Stadt und das schlimmste von allem: Ich habe noch nicht gegessen. Um es also kurz zu machen. Ich will heim. Nur der Dicke scheinbar nicht.

Also helfe ich dem Dicken auf die Sprünge: Ich gehe in die Knie und kacke. Vielmehr: Ich tue so. Denn eigentlich habe ich mein Pulver schon eine halbe Stunde vorher verschossen. Aber manchmal gehen wir nach Hause, so bald ich mein Geschäft erledigt habe. Ich hoffe sehr, dass wir das jetzt auch tun.

Lügen oder Schwindeln?

Man mag jetzt diskutieren. Ist das Lügen? Schwindeln? Oder vielleicht sogar kommunizieren. Denn eigentlich sage ich dem Dicken ja nur auf meine Weise, was ich will. Nämlich heim. Erst an den Napf und dann aufs Sofa. Ich wäre daher für einen Kompromiss zwischen Schwindeln und Kommunizieren. Schwindelieren.

Lügen im Sinne von Menschen tun wir Hunde nie außer selten. Wenn, dann geht es um was Wichtiges. Wie Essen, Nahrung oder Leckerlis. Um nur drei zu nennen. Die gängigste Hundelüge ist der Blick, der sagt: Ich habe noch nicht gegessen. Aber es gibt auch ausgefallenere Lügen.

Der Dicke hat meine Gute-Nacht-Bissen zum Beispiel in einer Schublade mit einem sehr großen Eingriff. Da komme ich mit meiner Schnauze rein und kann die aufziehen. Das mache ich nicht. Wenn der Dicke zuhause ist. Denn es dauert lange und ist aufwendig. Würde er mich auf frischer Tat ertappen, gäbe es böse Schimpfe. Und was noch viel schlimmer ist: Er würde mir die nächste Mahlzeit streichen. Der Despot.

Wenn der Dicke aber weg ist, habe ich Zeit. Und Ruhe. Dann ziehe ich die Schublade auf und verhelfe mir selber zu den Leckerli. Zu allen. Nicht zu diesen lächerlichen Rationen, die mir der Dicke abends von sich aus gewährt.

Der Dicke ist nicht nur doof

Das Dumme ist nur: Selbst der Dicke ist nicht nur doof. Ab und an hat er seine hellen Momente. Wenn er heimkommt, sieht er die offene Schublade und die leere Leckerli-Tüte. Daraus schließt er, dass ich es war. Mein Gesichtsausdruck versucht zwar zu sagen, dass Einbrecher im Haus waren, die ich vertrieben habe, nachdem sie die Leckerli gegessen haben. Aber das glaubt mir selbst der Dicke nicht. Wie gesagt: Auch er ist nicht nur doof.

Aber nicht so schlau wie ich. Denn ich habe gelernt. Die Schublade drücke ich wieder zu, wenn ich fertig bin. Und die Tüte verstecke ich vor dem Dicken. Zum Beispiel unterm Bett. Wenn der Dicke dann viel später die Tüte findet, ist sein Zorn schon verraucht oder er glaubt, ich könne mich an die Missetat gar nicht mehr erinnern und verzichtet aufs Schimpfen. Das ist zwar Quatsch. Aber habe ich schon erwähnt, dass wir Hunde eine gute PR-Agentur haben?

Es hilft aber auch, dass wir Hunde nur zum guten Zweck schwindelieren. Nach meiner Luftnummer will der Dicke den Haufen aufheben, sucht aber vergebens. Ein Blick in meine Augen und es passiert das einzig Richtige: Wir gehen im kalten Regen nach Hause und eine halbe Stunde später liegen wir im Warmen auf der Couch.

Das Beste daran: Der Dicke glaubt, dass das seine Idee war. Damit belügt er sich zwar selbst. Aber ich denk‘ mir: Lass ihn doch! Diese Lüge tut doch keinem weh.

Weitere Folgen der Serie stehen hier.

Der Dicke und ich, ich im Vordergrund. Selfie: Der Don