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Julius Hirsch war der Ronaldo der Kaiserzeit. Ohne Helene Mayer wäre vielleicht kein amerikanisches Team zu den Olympischen Spielen von 1936 angetreten und ohne Walther Bensemann wäre Fußball in Deutschland kaum zum Sport Nummer eins geworden. Jüdische Sportler spielen wichtige Rollen in der Geschichte des deutschen Sports. Das saarländische Sportministerium widmet ihnen jetzt die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“, die bis zum 30. August auf dem Saarbrücker Schlossplatz zu sehen ist.

Gottfried Fuchs, Fritz Förderer und Julius Hirsch bildeten in der Kaiserzeit eine Sturmreihe, in der jeder einzelne ein Star war und die als Einheit den Gegnern Respekt einflößte. Fuchs ist mit zehn Treffern in einem offiziellen Länderspiel heute noch Rekordträger des DFB, Hirsch war der erste Nationalspieler, der vier Mal in einem Länderspiel traf. Die Nazis brachten Hirsch um.

Hirsch starb im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau oder auf dem Zugtransport dorthin. 1943 verlor sich seine Spur. Registriert wurde er im Lager nicht mehr. Das spricht dafür, dass er die „Selektion“ nicht überlebt hat. „Selektion“ war die zynische und Menschen verachtende Bezeichnung der Nazis für die Trennung von Menschen in welche, die gleich vergast wurden und anderen, die sich zu Tode arbeiten sollten.

Fußball-Hochburg Karlsruhe

Die großen Jahre Julius Hirsch waren die letzten vor dem Ersten Weltkrieg. Mit Förderer und Fuchs machte er den Karlsruher FV zum führenden Verein jener Tage. Dass dabei „nur“ ein Meistertitel, der von 1910, heraus sprang, lag einerseits an Pech, andererseits an den Umständen: Damals kickten alle Fußballer nur am Feierabend und wurde die Deutsche Meisterschaft in einem Finale ausgetragen, das durchaus mal 1000 Kilometer von zuhause entfernt liegen konnte. So kam es vor, dass die Spieler zehn Stunden unterwegs waren, kurz vor Anpfiff ankamen und direkt aufs Feld einliefen. Später holte Julius Hirsch auch mit der Spvgg. Fürth den Titel.

Julius Hirschs Passfoto auf dem Ausweis, den das nationalsozialistische System für Juden vorsah. Foto: Fotograf unbekannt/ lizenzfrei

In Folge des Kriegs setzte der regelmäßige Spielbetrieb für mehrere Jahre aus. Hirsch wurde Soldat – wie viele Juden. Freiwillig, denn er war überzeugter Patriot – ebenfalls wie viele Juden. Der wichtige Zeitzeuge des „Dritten Reichs“, Victor Klemperer berichtet in seinen Tagebüchern ausführlich über den jüdischen Patriotismus, die damit verbundene Hoffnung und die tiefe Enttäuschung der Frontsoldaten während der Nazizeit.

Hirsch blieb nach dem Krieg ein wacher Zeitgenosse. Er registrierte die Gefahr, die von den Nazis ausging und war umso verärgerter, wie schnell die Vereine und Fußballverbände auf den braunen, antisemitischen Kurs einschwenkten – auch sein Club der KFV. So schlossen die Clubs schon 1933 – auf eigene Initiative – die Juden vom Spielbetrieb aus. Bis zuletzt wehrte Hirsch sich nach Kräften gegen den Terror.

Hirsch gehört zu den 17 Sportlern, denen das saarländische Sportministerium nun die Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jüdische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach“ widmet. „Ich bin sehr froh und gleichermaßen auch stolz, dass wir in Saarbrücken zusammen mit dem Zentrum deutsche Sportgeschichte Berlin- Brandenburg  diese Ausstellung als Gastgeber ausrichten dürfen“, sagt Sportminister Klaus Bouillon (CDU).

Ausstellung mit Skulpturen

In einer großformatigen skulpturalen Präsentation würdigt die Ausstellung den Anteil jüdischer Sportler an der Entwicklung des Sports in Deutschland und dokumentiert anhand ausgewählter Porträts deren Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus. Mit überlebensgroßen Silhouetten wird an ihr Leben und ihre Erfolge erinnert.

Da ist Helene Mayer. Ihr Fecht-Olympiasieg von 1928 war ein sportlicher Erfolg. Ihre Silbermedaille von 1936 ein Politikum. Juden wurden in Deutschland längst verfolgt und etwa durch die „Nürnberger Gesetze“ diskriminiert. Im deutschen Team für die Olympischen Spiele von 1936 war kein jüdischer Sportler zu finden.

Wegen der Verfolgung drohten Staaten damit, die Spiele zu boykottieren. Allen voran die USA. Meyer war bereits nach Amerika emigriert. Sie konnte von den deutschen Verantwortlichen überredet werden, für ihre alte Heimat noch einmal anzutreten. Das tat sie, half somit Boykotte zu verhindern und die Propaganda-Show, die so viele Missstände überdeckte, zu ermöglichen.

Gedankt hat das Nazi-Regime ihr diesen Einsatz nicht. Als sie 1937 noch einmal Weltmeisterin wurde, hatte Propagandaminister Joseph Goebbels den deutschen Zeitungen verboten, diesen Titel auch nur mit einer Zeile zu erwähnen. Von dem Zugeständnis, das sie mit Meyers Teilnahme an die Weltöffentlichkeit gemacht hatten, wollten die Nazis da schon nicht mehr wissen.