Der ehemalige WWE-Autor Jimmy Jacobs, heute Produzent und kreativer Kopf bei TNA Wrestling, hat in einem Interview bei Bobbo’s World offen über seine Jahre im WWE-Kreativteam gesprochen. Seine Schilderungen zeichnen ein deutliches Bild der Arbeit unter Vince McMahon – ein Umfeld, das von Kontrolle, Angst und Unsicherheit geprägt war.
Ein ständiger Überlebenskampf im Kreativteam
Jacobs war von 2015 bis 2017 Teil des WWE-Writing-Teams und arbeitete in dieser Zeit an zahlreichen Segmenten mit Stars wie Seth Rollins, Kevin Owens und Chris Jericho. Die Atmosphäre hinter den Kulissen beschrieb er als „ständigen Überlebenskampf“. Zwar bot die Arbeit bei WWE enorme Möglichkeiten, doch der Preis dafür war hoch: Vince McMahon kontrollierte jedes Detail.
„Vince las jedes Wort, das in den Drehbüchern stand. Er wollte, dass jedes einzelne Wort genehmigt wird. Und ehrlich gesagt – ich kann das teilweise nachvollziehen. Er wollte die volle Kontrolle über das Produkt“, erklärte Jacobs.
Diese Haltung führte jedoch zu einem System, in dem selbst kleinste Änderungen zum bürokratischen Kraftakt wurden. „Wenn man etwas ändern wollte, war das ein schwieriger Prozess, weil Vince seine Zustimmung geben musste. Aber Vince ist ein vielbeschäftigter Mann. Wenn eine Promo einmal genehmigt war, war es fast unmöglich, ihn für nachträgliche Änderungen zu erreichen.“
Kein Platz für Improvisation – nur Legenden durften abweichen
Die meisten Superstars mussten sich strikt an das Skript halten. Nur absolute Ausnahmetalente genossen Sonderrechte. „Ich habe einmal mit The Undertaker gearbeitet, und Vince sagte wortwörtlich: ‚Lass Undertaker machen, was er will.‘ Das war das einzige Mal, dass ich so etwas gehört habe“, berichtete Jacobs.
Während Stars wie John Cena, Brock Lesnar oder The Undertaker eine gewisse kreative Freiheit hatten, mussten jüngere Wrestler und Autoren um jede Idee kämpfen. Innovation war selten erwünscht – Angst dominierte den Alltag.
Angst vor Fehlern statt Mut zu Ideen
Viele Mitarbeiter trauten sich laut Jacobs nicht, Risiken einzugehen oder neue Konzepte vorzuschlagen. „Viele wollten einfach keinen Fehler machen, weil Vince unberechenbar war. Man wusste nie, was ihn verärgern könnte – und eine unangenehme Begegnung konnte reichen, um auf seiner schwarzen Liste zu landen.“
Ein Satz McMahons blieb Jacobs besonders im Gedächtnis:
„Wenn ich sage, dass der Himmel grün ist, dann ist der Himmel grün, verdammt noch mal.“
Dieser Spruch verdeutlicht die absolute Autorität, die McMahon innerhalb des Unternehmens hatte.
Zwischen Loyalität und Angst – ein belastendes System
Jacobs erklärte, dass viele Writer und Produzenten aus Angst vor Ärger keine mutigen Entscheidungen trafen. „Die meisten liefen ständig auf Eierschalen. Es ging weniger darum, das Beste abzuliefern, sondern darum, nicht angeschrien zu werden.“
Diese ständige Anspannung habe den kreativen Prozess massiv beeinträchtigt. „Du überlegst permanent, was du sagen darfst, wie du dich ausdrückst und ob dein Vorschlag überhaupt erwünscht ist. Du lernst, vorsichtig zu sein, nicht mutig.“
Nach seinem Abschied von der WWE wechselte Jacobs zu Impact Wrestling (heute TNA). Dort erlebte er nach eigener Aussage erstmals echte kreative Freiheit. „Ich habe es einfach geliebt, nicht mikromanisiert zu werden“, sagte er. Der Unterschied zwischen beiden Arbeitsumgebungen sei „wie Tag und Nacht“.
Vince McMahon und sein Einfluss auf Karrieren
Nicht nur Writer, auch aktive Wrestler spürten laut Jacobs und anderen Zeitzeugen den direkten Einfluss Vince McMahons. Der ehemalige WWE-Star Raven berichtete in der Ariel Helwani Show, dass seine enge Freundschaft zu Shane McMahon ihm möglicherweise geschadet habe.
Raven, der in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren bei WWE aktiv war, erinnerte sich: „Ich habe mit Shane oft bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Kein Vater will, dass sein Sohn bis vier Uhr morgens mit jemandem wie mir unterwegs ist.“
Der frühere ECW- und WCW-Star hatte bei WWE auch hinter den Kulissen gearbeitet – als Associate Producer bei RAW. Geplant war, ihn ins Booking-Komitee zu integrieren, doch diese Pläne verliefen im Sande. Rückblickend machte Raven dafür sowohl seine Freundschaft zu Shane als auch seine eigene Arroganz verantwortlich. „Ich war unausstehlich und musste immer der Klügste im Raum sein. Das war keine gute Haltung.“
Macht, Kontrolle und Missverständnisse im Management
Zur damaligen Zeit galt Shane McMahon als möglicher Nachfolger seines Vaters, bevor Triple H in den folgenden Jahren zur zentralen Figur im Management aufstieg. Ravens Nähe zu Shane wurde intern genau beobachtet – und möglicherweise als illoyal gegenüber Vince interpretiert.
Jacobs’ und Ravens Berichte zeigen ein System, in dem Kontrolle, Macht und Angst eng miteinander verflochten waren – ein Umfeld, das zwar Erfolg produzierte, aber auch viele kreative Stimmen zum Schweigen brachte.