Uniklinik Mainz: Eine neue Therapie könnte künftig Millionen Patienten helfen, die Spätfolgen eines Herzinfarkts – insbesondere die übermäßige Bildung von Narbengewebe – zu verhindern. Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel und Univ.-Prof. Dr. Wolfram Ruf von der Universitätsmedizin Mainz sowie vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben für ihre Entdeckung ein europäisches Patent (EP4247408) erhalten. Gelingt die Weiterentwicklung, könnte die Therapie langfristig dazu beitragen, Folgeschäden eines unentdeckten oder zu spät behandelten Herzinfarkts zu begrenzen.
Herzinfarkt bleibt oft unbemerkt – mit fatalen Folgen
Ein Herzinfarkt entsteht durch den plötzlichen Verschluss eines Blutgefäßes, das das Herz mit Sauerstoff versorgt. Wird die Blockade nicht rechtzeitig behoben, stirbt das unterversorgte Herzgewebe ab. Nach einem Infarkt leitet der Körper eine Entzündungsreaktion ein, um das geschädigte Gewebe abzubauen und zu ersetzen. Doch eine überschießende Entzündung kann auch gesundes Gewebe angreifen und zu übermäßiger Narbenbildung (Fibrose) führen, was das Herz langfristig schwächt.
„Die Entzündung nach einem Herzinfarkt ist für das Entfernen von abgestorbenem Gewebe notwendig. Aber wenn sie zu stark ausfällt, kann das Herz weiter geschädigt werden“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Philip Wenzel von der Uniklinik Mainz. Eine übermäßige Fibrose verringert die Elastizität des Herzens und reduziert dessen Pumpkraft – eine der Hauptursachen für spätere Herzinsuffizienz.
Frauen besonders gefährdet – Herzinfarkt wird oft übersehen
Besonders gefährdet sind Frauen, da ihre Symptome häufig nicht erkannt werden. Während Männer typischerweise über Brustschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm klagen, äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen oft unspezifisch – etwa durch Übelkeit, Atemnot, Schweißausbrüche oder Rückenschmerzen.
„Es ist absurd, dass diese Beschwerden als ‚atypisch‘ gelten. Frauen sind keine Ausnahme – sie machen die Hälfte der Bevölkerung aus. Weil ihre Symptome nicht ausreichend bekannt sind, bleiben viele Herzinfarkte unentdeckt“, betont Wenzel. Wird ein Infarkt nicht rechtzeitig erkannt, bleibt oft keine Zeit mehr für eine Reperfusionstherapie – die Wiedereröffnung des Gefäßes mit einem Ballonkatheter. Gerade für diese Patientengruppe könnte die neue Therapie eine wichtige Alternative sein, um Folgeschäden zu verringern.
Gezielte Blockade eines schädlichen Signalwegs
Die Mainzer Forscher haben herausgefunden, dass der sogenannte TF-PAR2-Signalweg eine Schlüsselrolle bei der überschießenden Entzündungsreaktion spielt. Der Gewebefaktor (Tissue Factor, TF) und der Protease-aktivierte Rezeptor 2 (PAR2) aktivieren Immunzellen übermäßig, was zu verstärkter Fibrose und einer Verschlechterung der Herzfunktion führt.
„Wird dieser Mechanismus blockiert, fällt das Remodeling des Herzens weniger drastisch aus. Die linke Herzkammer weitet sich nicht so stark, und die Pumpfunktion des Herzens verbessert sich deutlich“, so Wenzel. Die Blockade kann durch gezielte Medikamente erfolgen, darunter Blutgerinnungshemmer (Antikoagulanzien) oder monoklonale Antikörper, die den Signalweg unterbinden und abschalten.
Im Tiermodell zeigte sich, dass mit der neuen Methode behandelte Tiere weniger Fibrose entwickelten, eine bessere Herzfunktion behielten und eine höhere Überlebensrate aufwiesen.
Neuer Biomarker für frühzeitige Diagnose
Zusätzlich zur neuen Behandlungsmethode enthält das Patent eine Strategie zur Früherkennung von Patienten mit einem besonders hohen Risiko für Herzinsuffizienz. Die Forscher untersuchen dabei zwei Biomarker im Blut:
- Ein spezifisches Eiweiß in Immunzellen, das auf eine übermäßige Entzündungsreaktion hinweist
- Der Entzündungsfaktor TGF-β1, der mit der Entstehung von Fibrose in Verbindung steht
„Mit diesen Biomarkern können wir frühzeitig sehen, welche Patienten ein höheres Risiko für eine schwere Herzschwäche haben – und sie gezielt behandeln“, erklärt Wenzel.
Erfinder wünscht sich Weiterentwicklung durch Unternehmen
Bis die Therapie in der Uniklinik Mainz ankommt, sind noch einige Hürden zu überwinden. „Wir haben jetzt das Patent, aber damit es tatsächlich in die Klinik kommt, muss ein Unternehmen in die Weiterentwicklung einsteigen; das erarbeiten wir uns aktuell in unserem Clusters4Future-Antrag curATime. Die Produktion, die Durchführung von klinischen Studien und letztlich auch die Zulassung – das ist für eine akademische Gruppe allein nicht machbar“, so Wenzel.
Sollte dieser nächste Schritt gelingen, könnte die neue Therapie in Zukunft ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung von Herzinfarktpatienten ohne Reperfusionsmöglichkeit sein – und vielen Menschen eine bessere Lebensqualität ermöglichen.