Merzig. Maria Himmelfahrt ist das Hauptfest unter den Marientagen. Doch nur im Saarland ist es auch ein arbeitsfreier Feiertag. Und in Bayern, aber dort nur in den Kommunen, die einen höheren Anteil an Katholiken als Protestanten haben. Denn der Marienkult spaltet die beiden Glaubensgemeinschaften – ebenso wie die Frage, ob es Maria oder Mariä Himmelfahrt heißen muss?

Die vier Evangelisten erzählen nicht von der Aufnahme der Mutter Christis ins Paradies. Dieser Teil des Glaubens ist erst im fünften Jahrhundert entstanden. Und auch nicht im Ursprungsort des Christentums, sondern im oströmischen Reich sowie in Süd- und Mitteleuropa, wo es sich mit anderen Kulten und Religionen messen musste und letztlich den Durchbruch zur Weltreligion schaffte. Für die orthodoxe Kirche ist Mariä Himmelfahrt ein noch bedeutenderes Fest als für die katholische.

Das Fest „Mariä Aufnahme in den Himmel“ führte Bischof Kyrill von Alexandrien ein. Der 15. August ist willkürlich gewählt. Willkürlich aber nicht zufällig. Der 15. August war ein Anker im römischen Festkalender. Die einstigen Herrscher des Mittelmeerraums gedachten an diesem Tag dem Sieg Augustus über Marcus Antonius und Kleopatra – und damit dem Durchbruch des römischen Gottkaisertums. Maria zu gedenken sollte also auch die Erinnerung an den ersten unter den römischen Gottkaisern verdrängen.

Auf Maria war immer Verlass, wenn die Kirche um ihre Schäfchen buhlen musste. Auch wenn die Religion nach ihrem Sohn benannt ist, so war die Mutter doch immer beliebter. Dabei lässt sich eine Faustregel aufstellen: Umso mehr die Religion für Katholiken Herzenssache ist, desto stärker ist der Marienkult.

Das gilt zum Beispiel für Italien. In den Kultfilmen um den Dorfpfarrer Don Camillo muss der kommunistische Bürgermeister Peppone immer nachgeben, wenn es um die Verehrung der Mutter Christus geht. Auch wenn das bedeutet, dass am Ende ein Wohnhaus um eine Madonnen-Statue herum gebaut werden muss.

Streitfrage Maria

Martin Luther und die ihm folgenden Reformer lehnten den Marienkult ab. Sie ehrten sie als Christus Mutter und gedachten am 15. August ihrem Tod – aber auch nicht mehr. Aus dieser Ablehnung und aus der Beliebtheit der „Mutter Gottes“ zogen die Katholiken den Schluss, diesen Kult in der Gegenreformation für sich einzusetzen.

In den Erzählungen spielte sie nun eine stärkere Rolle. Vor allem aber in der Architektur. Wer heute etwa durch das Prager Umland fährt, wird kaum eine Kirche finden, die in der Barockzeit nicht mit Statuen oder Bildern Marias ausgestattet wurden. Diese Tendenz geht einher mit einer Bereitschaft, auf Glanz und üppige Formen zu setzen.

Doch selbst in der katholischen Kirche war man sich lange nicht sicher, ob es sich bei der Marienverehrung wirklich um Kult oder nicht doch eher um Folklore handelt. Erst 1950 bekräftigte Papst Pius XII den Glaubenssatz, dass „Maria mit ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden ist“, wie es das Bistum Trier erklärt. Sie sei ein Vorbild für die Menschen, weil sie im tiefen Glauben an Gott gelebt habe.

Mit Maria werden auch Kräuter verbunden. Der Legende nach habe ihr Grab nach diesen gerochen, als sie diesem entstiegen ist. Die größeren Feste, die dem Feiertag gedenken, beziehen daher Kräuter in ihr Programm mit ein. So gibt es am Feiertag in Merzig eine Prozession zur Wallfahrtskapelle Harlingen. Diese beginnt um 9.30 Uhr mit einem Hochamt mitsamt Kräutersegnung in der Pfarrkirche St.Martin. In der Kunst werden oft die Metaphern „Lilie des Feldes“ und „Rose ohne Dornen“ für Maria verwendet.

Maria oder Mariä?

Bliebe noch die Frage, ob es Maria oder Mariä Himmelfahrt heißt: Der Name „Mariä Aufnahme in den Himmel“ ist eine Übersetzung aus dem Lateinischen. Noch älter als dieser ist die Bezeichnung „Dormitio Mariae“, was so viel wie Mariäs Entschlafung bedeutet. Das „Mariä“ ist ein Tribut an die lateinische Übersetzung. Im Volksmund setzte sich dann der Name „Mariä Himmelfahrt“ durch.

Weil Sprache lebendig ist und diese Form des Genetivs heute kaum noch gebräuchlich ist, ist absehbar, dass sich „Maria Himmelfahrt“ irgendwann komplett durchsetzen wird – es sei denn Nostalgikern und Brauchtumspflegern gelingt es, die Tradition aufrechtzuerhalten.

Denn der Erhalt von Traditionen hat oft nichts mit Rationalität, sondern vielmehr mit Emotionalität zu tun. So hat München frei an Maria Himmelfahrt. Und das, obwohl nur noch gut ein Drittel der Einwohner Katholiken sind – entscheidend ist, dass es noch weniger Protestanten sind. Atheisten, Moslems, Juden oder Anhänger anderer Religionen werden in der Frage nicht gezählt.