In dieser Nacht beginnt die neue Saison der NFL. RanNFL-Moderator Volker Schenk freut sich auf viele spannende Storys. Er glaubt an eine gute Zeit der Patriots nach Tom Brady – und eine große Zukunft von Star-Quarterback Patrick Mahomes.

Herr Schenk, in dieser Nacht beginnt die Saison der NFL. Hand aufs Herz, hätten Sie gedacht, dass wir in diesem September Football zu sehen bekommen?

Ehrlich gesagt: Ja, das habe ich schon. Aber nur, weil ich das Milliarden-Unternehmen NFL kenne. Da war der Gedanke nahe liegend, dass die alles, wirklich alles dran setzen werden, dass gespielt wird. Zudem hatten sie ja sechs Monate Learning-Zeit, so viel Vorbereitungszeit wie in keiner anderen Sportart.

Trotzdem wirkt sich der Corona-Virus auf die Saison aus. Die Zuschauer dürfen erstmal gar nicht oder nur in stark reduzierten Mengen in die Stadien. Wie wirkt sich das auf Football aus?

Es wird nicht das Gleiche sein. Inhaltlich ist es immer noch das gleiche Spiel. Aber das Fehlen der Zuschauer verändert vieles. Die Teams müssen umdenken, sie verlieren zum Beispiel ihren Heimvorteil. So wird die Gäste-Offensive bei den Spielansagen weniger gestört werden. Die Heimteams haben zwar die Auflage, für einen Lärmteppich von 70 Dezibel zu sorgen – ansonsten sind es aber 120 oder 130 Dezibel. Und auch emotional ändert sich viel.

Inwiefern?

Ich habe selbst in der Spitze vor 50 000 Zuschauern gespielt. Das macht etwas aus. Du spürst etwas, es gibt dir eine Energie. Das verändert das Erlebnis. Außer bei den Dolphins.

Ein kleiner Seitenhieb auf das Lieblingsteam des Kollegen Carsten Spengemann?

Die Dolphins wussten schon immer, dass mal eine solche Situation ohne Zuschauer kommen wird und haben sich drauf vorbereitet. Nein, ein kleiner Spaß in Richtung Carsten. Leider ist es aber ein ernstes Thema. Die Leute haben Angst. Und das macht für das Erlebnis etwas aus.

Freuen uns auf viele Storys

Gehen wir mal weg von den Rahmenbedingungen, hin zum eigentlichen Football. Worauf dürfen wir uns freuen? Beginnt nach dem triumphalen Sieg im Super Bowl nun die Ära Patrick Mahomes‘?

Mit Sicherheit. Mahomes ist ganz klar der Mann, der das Geschehen bestimmen wird. Es kann seine Ära werden. Dann erleben wir mit Tampa Bay und Tom Brady eine Riesenstory, haben Tua bei den Dolphins, Joe Burrow bei den Bengals, das Washington Football Team, das eine interessante Entwicklung erlebt, die Vikings, die nur noch ein Jahr haben, um etwas aus der Mannschaft zu machen – da sind viele Storys, auf die wir uns freuen können. Dann sehe ich noch bei den Saints großes Potential.

Gutes Stichwort. Die treffen am Sonntag auf die Tampa Bay Buccaneers. Das bedeutet auch, es spielt Drew Brees gegen Tom Brady – die beiden Altmeister. Was treibt die beiden eigentlich an, in dem Alter noch auf den Platz zu gehen?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin 44 Jahre alt und ich fühl mich manchmal so, dass ich mir die Frage auch stellen würde, ob ich nochmal auf den Platz gehen würde, wenn mein Knie nicht kaputt wäre. Der Punkt ist: Brady und Brees können‘s einfach noch. Also muss man ganz klar sagen, dass sie es auch machen sollen.

Sind sie aber noch Spitzenklasse oder ist nicht die Wachablösung längst vollzogen hin zu jüngeren Quarterbacks wie Mahomes oder Deshaun Watson?

Da müssen sie erst noch hinkommen, um die beiden oder um Aaron Rodgers abzulösen. Aber sie sind selbst auf dem Weg, zu solchen Legenden zu werden. Abgelöst haben sie die Altmeister noch nicht. Aber sie sind dabei, eine neue Ära zu begründen, mit einer ganz anderen Form des Spiels.

Inwiefern?

Was Mahomes hinter der Line of Scrimmage macht, hat vor ihm noch keiner gemacht. Das ist in seiner Art nur mit Aaron Rodgers zu vergleichen, aber gibt dem Spiel nochmal neue Elemente. Auf der anderen Seite fehlt ihm noch manches.

Was?

Umso länger du spielst, desto langsamer wird das Spiel für dich in deinem Kopf. Brady weiß beim Snap ganz genau, was los ist. So kann er eine Defensive zerpflücken. Diese Erfahrung haben andere nicht. Andererseits hat Mahomes ein fotografisches Gedächtnis. Damit kannst du natürlich wieder ganz andere Sachen machen. Ähnlich wird es mit Tua, weil er Linkshänder ist.

Tua – der Linkshänder

Vermutlich wird Tua aber erstmal nicht spielen. Die Dolphins haben Ryan Fitzpatrick als Starting Quarterback gemeldet.

Fitzpatrick hat zwei komplett unterschiedliche Spitznamen, die aber beide voll auf ihn passen: „Fitzmagic“ und „SixPicksPatrick“. Du weißt nie, was davon du sehen wirst. Andererseits kann er was und Tua kann unglaublich viel von ihm lernen.

Wird es für die Dolphins nicht zu einem großen Problem, wenn sie sich darauf einstellen müssen, mal mit einem Rechts- und mal mit einem Linkshänder als Quarterback zu spielen?

Ich glaube, dass sich die Coaches darauf einstellen. Und die Offensive trainiert ja mit beiden und kennt daher die Situation. Die gegnerischen Defensiven werden anfangs Schwierigkeiten haben. Du musst dich anders aufstellen, brauchst einen anderen Rushlauf – du musst umdenken, der Gegner rollt nicht mehr nach rechts, sondern nach links raus. Letztlich ist aber alles auch nur spiegelverkehrt. In den ersten Drives wird dich das verwirren, dann hast du dich auch darauf eingestellt.

Ein spannender Faktor für Taktikfans.

Definitiv. Auf der anderen Seite sind es Profis und können auch das trainieren. Als die Steelers mal gegen die Ravens gespielt haben, haben sie für einige Wochen einen Quarterback verpflichtet, nur weil der ähnlich wie Lamar Jackson gespielt hat. So konnten sie sich das im Training mal auf dem Platz ansehen – Erfahrungswerte sammeln. Wobei in den ersten Wochen ohnehin die Frage lautet, was auf uns zukommt.

Weil die Preseason coronabedingt ausgefallen ist?

Ja. Die Veteranen werden sich darüber gefreut haben, weil sie ihre Knochen schonen konnten. Aber den jungen Spielern wird es fehlen: Sie haben keinen ersten Snap gehabt, ihre ersten Erfahrungen werden sich einfach nach hinten verschieben. Ich habe oft gesagt, lass uns erst nach vier Wochen sagen, wohin ein Team geht. Dieses Jahr sage ich sogar: Lass uns die ersten sechs Wochen abwarten. Das gilt sogar für die Patriots.

Newton und Belichick

Spannendes Thema. Zwei Jahrzehnte lang haben Brady und Bill Belichick eine Einheit gebildet, waren Alter Egos. Jetzt kommt mit Cam Newton jemand, der in vielem so ziemlich genau das Gegenteil von Brady ist. Kann das funktionieren?

Ich glaube, wir werden einen Cam Newton erstmals richtig kennenlernen. Ich finde, als Persönlichkeit ist er ein toller Mensch. Für mich zählt erst einmal nicht der Rang oder das Geld. Mir geht es darum: Wie bist du als Mensch. Und ich glaube Newton ist ein cooler Mensch. Und wenn ich mir den Patriots-Way anschaue, denke ich mir, da passt er rein.

Warum?

Belichick geht es darum, Grundwerte zu vermitteln: Sei nicht überheblich, bleib Mensch, arbeite hart! Und Belichick ist nicht blöd. Er weiß gang genau, wen er sich da geholt hat. Ich habe sehr früh prophezeit, dass dieser Move kommt. Denn letztlich passt er. Das sieht man an dem Vertrag den Newton abgeschlossen hat: Es ist ein „Prove it Deal“. Newton will den Wechsel zu den Patriots, will sich dort beweisen und daraus kann etwas Wunderbares entstehen.

Inwiefern?

Da kommen der erfolgreichste Coach aller Zeiten und ein MVP zusammen. Also unglaublich viel Potential. Natürlich muss Newton zeigen, dass er sich in die Organisation einpassen kann. Ob ihm das gelingt, ist ein Faktor, den ich nicht einschätzen kann.

Favorisierte Chiefs

Wer ist für die Saison ihr Favorit? Die Chiefs wieder?

Die Chiefs, ja. Die 49ers habe ich auch auf dem Schirm. Die Ravens sind unberechenbar, die Bucs habe ich auch auf der Liste. Die Saints und die Vikings auch. Zu den Packers darf man auch nie nein sagen. Mit einem gesunden Rodgers kann das eine Gaudi werden. Wobei alle Tipps unter dem Vorbehalt stehen, dass nicht klar ist, wer gesund bleibt und wer sich verletzt.

Wer schmiert ab?

Das ist dieses Jahr schwer einzuschätzen. Dak Prescott stellen sie bei den Dallas Cowboys derzeit ein Fass Gold vor die Tür. Aber auch nur dieses Jahr. Und bei alledem wirkt Prescott nicht sehr glücklich. Dann werden die Broncos ganz große Schwierigkeiten haben.

Mit den Cowboys haben Sie mir meine Nachfrage kaputt gemacht. Dann halt: Alle erwarten einen Absturz der New York Jets. Sie auch?

Da bin ich voll dabei. Aber die waren letztes Jahr ja auch nicht gut. Da stimmt gar nichts. Der Headcoach ist alles andere als meine erste Wahl, der Teambau auch. Ein Fragezeichen habe ich dann noch bei den Chargers.


Pro7 zeigt ab 2.10 Uhr den Saisonauftakt der NFL mit der Partie Kansas City Chiefs gegen Houston Texans.