Schwerer Unfall auf der A643 bei Mombach | Foto: BYC-News

Kommentar von Meikel Dachs: Gaffer – ein Begriff, der leider allzu oft in Zusammenhang mit Unfällen, Katastrophen und anderen tragischen Ereignissen fällt. Gemeint sind Menschen, die sich an Unfallorten zusammenfinden, nicht um zu helfen, sondern um zu glotzen, zu filmen und die Dramatik des Geschehens in ihren sozialen Netzwerken zu teilen. Dieses Verhalten ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern in höchstem Maße asozial.

Geschichte der Menschheit

Es ist nicht zu leugnen, dass Menschen von Natur aus neugierig sind. In der Geschichte der Menschheit spielte diese Neugierde oft eine positive Rolle, sie war der Motor für Erfindungen, Entdeckungen und das Streben nach Wissen. Doch wenn diese Neugierde in Form von Gaffen an Unfallorten ausgelebt wird, nimmt sie eine dunkle und abstoßende Wendung. Denn hier wird die Grenze zur Empathielosigkeit überschritten: Das Leid anderer wird zur Sensation, zur persönlichen Unterhaltung, ohne Rücksicht auf die betroffenen Menschen.

Der erste Punkt, der das Verhalten der Gaffer als zutiefst asozial klassifiziert, ist die offensichtliche Respektlosigkeit gegenüber den Opfern. Während Menschen in Not sind, womöglich schwer verletzt oder in einer emotionalen Ausnahmesituation, drängen sich Schaulustige heran, um sich an ihrem Leid zu ergötzen. Sie zücken ihre Handys, filmen blutige Szenen und verbreiten diese womöglich sogar in den sozialen Medien. In diesem Moment scheinen die Grundwerte der Menschlichkeit – Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Respekt vor dem Leid anderer – völlig außer Kraft gesetzt zu sein. Für die Betroffenen muss es entwürdigend sein, dass ihr Unglück zur Schau gestellt wird, oft sogar in einer besonders demütigenden und schockierenden Weise.

Zweitens behindern Gaffer oft aktiv die Arbeit von Rettungskräften. Sie blockieren Zugänge, halten Einsatzfahrzeuge auf und sorgen für zusätzliche Gefahren an ohnehin kritischen Orten. Rettungskräfte berichten immer wieder davon, dass sie an Unfallorten mehr Zeit damit verbringen müssen, Gaffer auf Abstand zu halten, als den Opfern zu helfen. Es kommt sogar vor, dass Menschen Rettungskräfte körperlich behindern, um einen besseren Blickwinkel für ihre Videos zu haben. In diesen Momenten wird deutlich, wie weit das asoziale Verhalten der Gaffer geht: Der Drang nach Sensation ist wichtiger als das Leben anderer Menschen.

Polizei kontrolliert Gaffer nach tödlichem Unfall in Ingelheim | Foto: BYC-News

Persönliche Integrität

Das Argument, dass Gaffer „nur neugierig“ seien oder „aus Schock“ handeln, zählt hier nicht. Jeder Mensch weiß, was richtig und was falsch ist, und es ist eine Frage der persönlichen Integrität, wie man sich in solchen Situationen verhält. Anstatt einen Moment innezuhalten, um zu reflektieren, ob das eigene Verhalten angemessen ist, entscheiden sich viele Gaffer bewusst für das Handeln und stellen ihre Sensationsgier über das Wohlergehen anderer.

Besonders verwerflich wird dieses Verhalten, wenn man bedenkt, dass Gaffer heute oft nur mit dem Ziel vor Ort sind, Inhalte für ihre sozialen Medien zu sammeln. Sie wollen „Likes“, „Shares“ und „Follows“ generieren, und der schnellste Weg dazu scheint über Schockbilder zu führen. Das Leid anderer wird kommerzialisiert, und der Unfallort wird zur Bühne für das eigene Ego. Das ist nicht nur eine moralische Bankrotterklärung, sondern offenbart eine zutiefst egozentrische und unempathische Geisteshaltung.

In den letzten Jahren haben sich Polizei und Politik zunehmend damit auseinandergesetzt, wie man gegen Gaffer vorgehen kann. Es wurden Gesetze erlassen, die das Filmen und Fotografieren von Unfallopfern unter Strafe stellen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch die Tatsache, dass solche Gesetze überhaupt notwendig sind, spricht Bände über den Zustand unserer Gesellschaft. Der Staat muss eingreifen, weil der gesunde Menschenverstand und die Moral bei vielen nicht ausreichen, um sich angemessen zu verhalten.

Dabei darf man nicht vergessen: Gaffen ist keine neue Erscheinung. Schon immer gab es Menschen, die das Unglück anderer für ihre eigene Unterhaltung ausnutzen wollten. Neu ist allerdings, dass moderne Technik es einfacher denn je macht, diese Schaulust in eine globale Öffentlichkeit zu tragen. Heute können Gaffer ihre Aufnahmen binnen Sekunden einem weltweiten Publikum präsentieren, was die Tragweite ihres asozialen Verhaltens noch verstärkt.

Respektlosigkeit gegenüber den Opfern

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Gaffer nicht nur störend oder unhöflich sind – sie sind asozial. Ihr Verhalten ist nicht nur eine Respektlosigkeit gegenüber den Opfern, sondern auch eine Gefahr für die Gesellschaft als Ganzes. Es untergräbt die Werte des Zusammenhalts, der Solidarität und der Hilfsbereitschaft. Um dem Einhalt zu gebieten, braucht es nicht nur strengere Gesetze, sondern auch eine gesellschaftliche Ächtung dieses Verhaltens. Denn letztlich geht es um die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? In einer, die auf Sensationsgier und Empathielosigkeit basiert, oder in einer, die das Leid anderer respektiert und gemeinsam nach Lösungen sucht?

Gaffen muss als das erkannt werden, was es ist: Ein zutiefst asoziales Verhalten, das keine Entschuldigung verdient. Nur durch klare gesellschaftliche und rechtliche Grenzen kann dieses Phänomen eingedämmt werden.