heike rost
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MAINZ. Die SPD soll im Oberbürgermeister-Wahlkampf eine angebliche Meinungsumfrage veranstaltet haben, um mit dieser Wähler zu beeinflussen. So seien die Menschen gefragt worden, ob sie lieber einen kompetenten und verlässlichen Amtsinhaber wollten – oder eine Frau. Das Mainzer Internetportal „Mainzund“ hat darüber zuerst berichtet. Um diese Affäre aus der Welt zu bringen, sollte die SPD den Fragenkatalog veröffentlichen, schlägt Hasso Mansfeld im Gesprächt mit Boostyourcity vor – Mansfeld ist PR-Berater und FDP-Mitglied.

Anonyme Vorwürfe. Skandale und vermeintliche Skandale… erlebt Mainz einen schmutzigen Wahlkampf um das Amt des Oberbürgermeisters, Herr Mansfeld?
Ob er jetzt schon schmutzig ist, weiß ich nicht. Aktuell tauchen Sachen aus der Vergangenheit der Kandidaten auf. So lange das nicht unter der Gürtellinie stattfindet, halte ich das für einen normalen Teil des Auswahlverfahrens. Je bedeutsamer ein Amt ist, desto härter ist das Auswahlverfahren. Denn es geht natürlich auch darum, die Integrität des jeweiligen Kandidaten zu überprüfen. Allerdings muss das Ganze, was vorgebracht wird, natürlich der Realität entsprechen. Jemandem etwas anzuhängen, was er nicht getan hat, ist unlauter. Demokratie lebt zwar vom Streit, aber sie stirbt durch Denunziation.

Bei der Kandidatin der Grünen, Tabea Rößner, ging es darum, dass sie ein Flugzeug benutzt hat, um zwei Termine in Mainz und Berlin unter einen Hut bringen zu können. Beim parteilosen Nino Haase ging es um die Qualität der Autos, die er fährt. Sind wir da nicht schon am Punkt der Denunziation angekommen?
Den Vorwurf, ein Flugzeug genutzt zu haben, kann man natürlich schnell parieren. Wenn ich innerhalb von kurzer Zeit auf mehreren Veranstaltungen sein will – oder auch muss – ist das für jemanden in verantwortlicher Position ein normaler Vorgang. Zumal im Wahlkampf ist es das normalste der Welt. Diesen Vorwurf würde ich an und für sich nicht als Schlammschlacht sehen. Anders wird es, wenn dieser Vorwurf anonym vorgetragen wird. Das hat natürlich immer einen Geschmack. Denn Demokratie braucht Transparenz. Das ist schon der Maßstab für Aktionen im Wahlkampf: Sie sollten immer so sein, dass man sie als Wahlkämpfender auch persönlich vortragen kann, ohne sich selber dabei zu diskreditieren.

Bis vor kurzem wurden Vorwürfe immer anonym geäußert.
Das ist natürlich – auf gut Deutsch – Murks. Das versaut die Stimmung. Eines der wichtigsten Überlebensmerkmale der Demokratie ist die Transparenz.

Bei den Herausforderern ging es in den Vorwürfen um Fragen des Lebensstils, beim Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) ging es in anonymen Vorwürfen um Fragen der Amtsführung. Sehen Sie da einen Qualitätsunterschied?
Der Amtsinhaber hat mit dem Amt natürlich einen Bonus: Durch das Amt ist er präsent, das kann er für den Wahlkampf nutzen. Aber natürlich bedeutet das Amt auch einen Malus. Denn natürlich macht niemand immer alles richtig. Und genau das kommt halt jetzt aufs Tableau. Ohne erkennbaren Absender ist das aber immer so eine Sache. Das riecht immer nach Verleumdung.

„Zeitpunkt macht Umfrage unglaubwürdig“

Ja, bis jetzt waren auch die Vorwürfe gegen Ebling anonym. Nun werden sie mit einem Namen verbunden: Die ehemalige Behinderten-Beauftragte der Stadt, Marita Boss-Waidoch, hat dem Nachrichtenportal „Mainzund“ von einer Telefonumfrage berichtet. In der seien Suggestivfragen gestellt worden, wie: Wolle der Befragte lieber einen erfahrenen und fähigen Amtsinhaber oder doch eine Frau. Das kam ihr eher wie Manipulation als wie eine Befragung vor. Hat sie recht?
Natürlich ist eine Meinungsumfrage ein professionelles Instrument in einem Wahlkampf – und an sich kein Skandal. Ein solcher Skandal wird es erst, wenn die „Umfrage“ in Wirklichkeit suggestiv war und es nur darum ging, die Angerufenen zu beeinflussen. „Lieber erfahren als Frau“ hört sich auch ziemlich schepp an, als würde das eine das andere ausschließen. An der Stelle fängt es an, den Pfad der Tugend zu verlassen. Der Skandal entsteht in den allermeisten Fällen nicht durch den Umstand an sich – sondern durch den Umgang damit. Sauber wäre es daher, Transparenz herzustellen. Daran sollte sich die SPD halten.

Wie?
Die SPD sollte den Fragenkatalog veröffentlichen. Dann kann jeder selber entscheiden, ob es jetzt eine Meinungsumfrage oder eine Beeinflussung von Wählern war.

Sie selber sind PR-Experte. Wie bewerten Sie den Zeitpunkt der Umfrage. Ist das nicht etwas spät im Wahlkampf passiert?
Eine Meinungsumfrage dient gewöhnlich der strategischen Planung. Damit kläre ich Fragen wie: Was sind die relevanten Themen. Welche Themen plakatiere ich.

Aber die Plakate hängen doch schon.
Ja. Deswegen ist es auch eher unglaubwürdig, dass sie der inneren strategischen Planung dienten, wie es die SPD sagt. Strategie unterscheidet sich von Taktik dadurch, dass sie langfristig ist. Was will ich jetzt noch planen, wenn die Sachen längst fertig sind? Das ist doch Mumpitz. Das ist ein Indiz dafür, dass es bei der Umfrage nicht um Erkenntnisgewinn ging, sondern um versteckte Beeinflussung.

„Herausforderer sollten Ebling unter Druck setzen“

Das war auch der Eindruck, den Frau Boos-Waidoch hatte.
Sie hat eben selber ein Gespür dafür, was bei einer solchen „Umfrage“ passiert. Das ist das Ergebnis, wenn man die Leute für blöd hält. Denn sie kriegen ja mit, was derjenige am Telefon von einem will . Es wird in dem Moment unprofessionell, wenn wer glaubt, die Leute bekämen nicht mit, was man vorhabe. Jetzt ist es natürlich Munition im Wahlkampf – ein Elfmeter für die Herausforderer.

Wie würden Sie diese Munition einsetzen, wenn Sie für den Wahlkampf eines Herausforderers verantwortlich wären?
Ich würde die SPD unter Druck setzen: Zum Beispiel würde ich die Crowd im Internet befragen: Was seid Ihr gefragt worden? Was war Euer Eindruck? Umfrage oder Beeinflussung? Ich würde die andere Seite so unter Druck setzen, dass sie den Fragenkatalog lieber von sich aus veröffentlichen würde.

Und was empfehlen Sie der SPD?
Die SPD ist in einem Dilemma gefangen: Auf der einen Seite müsste sie das katholische Prinzip zum Umgang mit Sündern anwenden: Beichten, Bereuen, Büßen – und dann kommt die Absolution. Aber wenn die SPD die Fragen veröffentlicht, geht sie natürlich auch nach Canossa. Dennoch würde ich der SPD empfehlen, das Fragenpapier zu veröffentlichen – und auf Absolution zu hoffen. König Heinrich durfte damals ja auch König bleiben.