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Bad Kreuznach. Diese leichte Nervosität herrscht rund um die Wohnstätte Hans Schumm. Die Nervosität, die immer dann ausbricht, wenn ein wichtiger Besuch ansteht. Rolf Mützenich hat sich angekündigt. Seit knapp einem Jahr ist er Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag. Ein entsprechend großer Bahnhof ist für ihn bereitet. Doch Mützenich beansprucht diesen nicht für sich. Ruhig und bescheiden, fast unauffällig, ist er angekommen. Jetzt steht er auf dem Balkon der Wohnstätte und unterhält sich mit Wolfgang Zimmer, dem Vorsitzenden der Lebenshilfe in Bad Kreuznach, die die Wohnstätte am Agnesienberg betreibt.


Diese Attitüde zieht sich durch den gesamten Besuch Mützenichs in Bad Kreuznach. Er ist bescheiden, hört zu und wenn er antwortet, zeigt er, dass er schon vieles weiß – aber gekommen ist, um noch mehr aufzunehmen. Er wolle das hier Gehörte mit nach Berlin tragen und an Lösungen mitarbeiten.

Auch die Lebenshilfe und ihre Wohnstätte sind durch Corona belastet worden: Die Ausgaben stiegen. Etwa weil mehr Schutzkleidung gebraucht wurde und die Preise dafür rasant angezogen haben. Zudem gibt es strukturelle Probleme, die eine Kostenkalkulation für die Wohneinrichtung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung erschweren:

Die Lebenshilfe muss die Wohnstätte so führen, als ob die Bewohner ihre komplette Zeit hier verbringen. Auch das dafür benötigte Personal muss da sein, was wiederum entsprechend bezahlt werden muss, schildern die beiden Geschäftsführer Christina Gei-Weyand und Benjamin Rubröder.

Doch es sei durchaus wünschenswert, wenn die Bewohner auch Zeit mit und in ihren Familien verbringen. Das erhöhe ihre Lebensqualität. Nur: Wenn sie Zeit zuhause verbringen, wird die Pauschale für sie gesenkt. Die Wohnstätte hat also die gleichen Kosten, aber erhält weniger Einnahmen.

Guter Zuhörer

Mützenich hört sich das an. Ruhig. Konzentriert. Und er geht auf das ein, was er hört. Sagt aber auch: „Ich bin nicht gerne jemand, der überall, wo er hinkommt, Versprechungen macht.“ Er sehe die Lage der Heime und grundsätzlich gelte: Der Gesundheitsbereich müsse finanziell so ausgestattet werden, dass er seinen Aufgaben nachkommen kann. Und dazu gehöre, Menschen mit Beeinträchtigungen ein Leben in Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Drei Stationen besucht Mützenich in Bad Kreuznach, berichtet der lokale Abgeordnete Dr. Joe Weingarten (SPD), der ihn eingeladen hat. Nach der Besichtigung gebe es ein Hintergrundgespräch mit Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer und dann ein Austausch mit Kommunalpolitikern zum Thema kommunale Finanzen. Beides findet ohne Presse statt.

Über die Ziele sprach Mützenich vorher. Es gelte, die Kommunen finanziell ausreichend auszustatten. Das hätte die Städte und Gemeinden nicht nur entlastet, sondern hätte auch Luft gegeben für notwendige Investitionen. Vor Ort. Dort würden die politischen Ziele letztlich umgesetzt.

Ländliche Perspektive sei wichtig

Deswegen werde er weiterhin auf solche Touren gehen, antwortet Mützenich einem Journalisten, der ihn gefragt hat, ob mit seinem Besuch der Wahlkampf schon angefangen habe. Er erzählt, dass Weingarten ihn in Berlin oft drauf anspreche, dass im Vorfeld politischer Entscheidungen zu sehr aus der Perspektive von Großstädten gedacht werde – und nicht aus der von Menschen auf dem Land.

Das gelte es zu verhindern. Deswegen sei es notwendig Berlin immer wieder mal zu verlassen und sich vor Ort ein Bild zu verschaffen. Wie etwa in der Hans Schumm Wohnstätte. Er sei froh, dass es Abgeordnete wie Weingarten gebe, die in Berlin dafür sorgten, dass diese Perspektive nicht vergessen werde. Das sei letztlich Kärrnerarbeit.