heike rost
heike rost

Unterlagen über  Biontech wurden an Medien, vornehmlich öffentlich-rechtliche geleakt. Diese sollten den Eindruck vermitteln, dass das Mainzer Unternehmen zusammen mit seinem Partner überhöhte Preise für den Impfstoff gefordert habe. Der Binger PR-Berater Hasso Mansfeld hält das für eine Attacke der EU und einen unmöglichen Vorgang. Für die EU fordert Mansfeld personelle Konsequenzen, Biontech rät er, in die Offensive zu gehen.

Das Mainzer Unternehmen Biontech ist in kürzester Zeit von einem Unternehmen, das selbst in seiner Stadt nur wenig bekannt war, aufgestiegen zu einer Marke, über die international gesprochen wird. Anfangs nur positiv. Nach der Berichterstattung des WDR und anderer Medien ist es Teil einer Debatte über die Frage, wie viel man an Impfstoffen verdienen darf. Was macht das aus dem Image Biontechs, Herr Mansfeld?

Biontech kommt in Situationen, die die Verantwortlichen bisher nicht kannten. Sie sind gewöhnt, für einen großartigen Erfolg abgefeiert zu werden: Auch dank des politisch korrekten Hintergrunds, als Migrantenfamilie diesen Erfolg geschafft zu haben. Und das mitten in der Provinz und eben nicht in einer der großen Metropolen. Als sie dann als Erste die Aussicht auf einen Impfstoff und somit auf das Ende der Pandemie aufgezeigt haben, freuten sich viele mit ihnen. Kaum ein Journalist konnte sich die naheliegenden Witze verkneifen, die sich aus der Adresse des Firmensitzes Goldgrube ergeben. Jetzt ist diese Stimmung zu Tode betrübt durch die Informationen, die von der EU gestreut wurden.

Sie glauben, dass aus der Reihe der EU die angeblichen Preis-Forderungen gestreut wurden, die Biontech aufgestellt haben soll? Der Mitbegründer Ugur Sahin hat diese ja bereits in der Bild dementiert.

Natürlich ist das durchgestochen worden. Wie soll es sonst an die Journalisten gekommen sein? Das gehört sich einfach nicht.

Warum nicht?

Die EU hat ihren Verhandlungspartner mit diesem Vorgehen desavouiert. Dabei hatte Biontech ja die EU öffentlich in Schutz genommen. Sich dann so zu verhalten ist skrupellos. Das ist mit einem erheblichen Kollateralschaden verbunden.

Vorgang beschädigt Öffentlich-Rechtliche

Inwiefern?

Der Öffentlich rechtliche Rundfunk steht in dem Spannungsfeld der staatsferne Staatsfunk sein zu müssen. Wer dann solche Stunts bringt, sich so für faule Regierungs-PR einspannen lässt, dem verblasst das Argument der Staatsferne. Man darf nicht vergessen: Wir erleben derzeit den einmaligen Vorgang, dass ein Landesparlament sich geweigert hat, der Fortschreibung des Rundfunkstaatsvertrags zuzustimmen und so die Erhöhung des Rundfunkbeitrags verhindert hat. Öffentlichkeitsarbeit ist immer Risikomanagement. In Sachen Biontech hat sich die ARD gemeinsam mit der EU verzockt.

Zumal der Zeitpunkt überrascht. Kurz nach der Berichterstattung hat Biontech vermeldet, dass zusätzliche Kontingente des Impfstoffs an die EU geliefert werden können. Die Verhandlungen dürften da ja schon gelaufen sein?

Das stimmt. Auch der Zeitpunkt ist total daneben. Wissen Sie: Ich habe in meinem Twitterprofil die EU-Flagge. Wer so vorgeht, wie die EU derzeit, der gibt den Feinden der EU Nahrung – und das ist richtig ärgerlich.

Wir haben in dem Vorgang zwei beschädigte Images. Fangen wir mit dem der EU an. Wie lässt sich deren Image aufbessern?

Es muss jetzt personelle Konsequenzen geben. Was im Zusammenhang mit der Impfkampagne passiert ist, ist so gravierend als Fehlleistung, dass es personelle Konsequenzen geben muss. Nur erinnert das an ein Grundproblem der EU: Die tatsächlich Handelnden sind nicht gewählt worden. Das Machtverhältnis ist von den Mitgliedsstaaten paritätisch austariert worden. Das verbaut den Blick auf Verantwortlichkeiten.

Muss bei EU personelle Konsequenzen geben

Wie lässt sich das verspielte Vertrauen heilen?

Zuerst muss Fehlereinsicht erkennbar sein. Dann müssen Mechanismen aufgezeigt werden, wie sich solche Fehler künftig vermeiden lassen. Und dann muss Buße geleistet werden. Das sind in dem Fall personelle Konsequenzen.

Sie haben selbst eine Kampagne organisiert, an deren Ende der Erfolg stand, dass die Friseure wieder öffnen dürfen. Zeigt das Entgegenkommen der Politik in dieser Frage nicht auch, dass die Unterstützung für die Corona-Maßnahmen insgesamt bröckelt?

Ich würde negieren, dass das der entscheidende Punkt ist. Entscheidend ist für mich, dass es bei der Schließung der Friseure einen Widerspruch gibt: Durch das Verbot der kommerziellen Haarpflege und der großen Nachfrage nach dieser Dienstleistung hat sich sofort ein effektiver Schwarzmarkt aufgetan. Über die sozialen Netzwerke konnte dieser Schwarzmarkt enorm effektiv organisiert werden. Und es ist die Aufgabe der Politik, sich solchen Widersprüchen zu stellen.

Inwiefern?

Die Politik muss ein Paradoxienmanagement betreiben. Wenn die Auswirkungen des Verbots schlimmer sind, als die ursprüngliche Situation, nämlich kontrolliertes Geschäft zu ermöglichen, dann muss das Verbot in Frage gestellt werden.

Schwarzmarkt war das Argument

Hat diese Argumentation die Politik überzeugt oder war es nicht doch einfach der öffentliche Druck, dem sie nachgegeben hat?

Eine wichtige Währung in der Politik ist die öffentliche Anschlussfähigkeit. Erst wenn Argumente nicht anschlussfähig sind, entsteht öffentlicher Druck. Wir leben in einer Republik. Das kommt von res publica: Öffentliche Sache. Es ist eines der wesentlichen Fundamente der Demokratie, dass Entscheidungen transparent sind und erklärbar sein müssen. Wenn sich ein Schwarzmarkt nicht unterbinden lässt, dann muss eine Maßnahme halt neu diskutiert werden.

Nun sind die Inzidenzen wieder leicht gestiegen. Fachleute bringen das mit der Mutation des Corona-Virus in Verbindung und sagen, wir stünden am Beginn der Dritten Welle. Lässt sich da ein Schritt wie die Öffnung der Friseure wieder rückgängig machen, wenn die Zahlen wieder entsprechend steigen?

Nein. Das Dilemma bleibt ja. Es ist in jeder Beziehung besser, etwas kontrolliert zu machen, als wenn es unkontrolliert gemacht wird. Und zwar in einer Weise, in der es effektive Hygienemaßnahmen gibt, die es in der unkontrollierten Form nicht gäbe. Es sei denn, ich bin willens, den absoluten Lockdown zu machen: mit Passierscheinen und anderen drastischen Mitteln, wie es sie etwa in Paris gegeben hat. Wenn nur das Allerwenigste erlaubt ist, dann erst wäre es wieder unverhältnismäßig, Friseuren die Öffnung zu erlauben.

Biontech muss sich wehren

Das Image der EU hat durch die Indiskretion gegenüber Biontech gelitten. Wie geht es dem Unternehmen selbst damit? Würden Sie zu einer offensiven oder einer defensiven Taktik raten?

Biontech muss sich natürlich gegen die Vorwürfe der EU wehren. Ugur Sahin hat das in der Bild ja auch schon getan. Allerdings sind da Wunden geschlagen worden, die nur über die Zeit heilen. Zudem glaube ich nicht, dass die Wahrnehmung Biontechs nicht bei einer großen Mehrheit beschädigt wurde. EU und Öffentlich-Rechtliche haben da nur eine kleine Gruppe bedient, deren Vertreter Kapitalismus oder Soziale Marktwirtschaft grundsätzlich ablehnen. Für die war das Munition.

Sie sprechen von der Zeit, die Wunden heilt. Also raten Sie zu einer passiven Strategie?

Nein. Biontech muss sich jetzt selber erklären: Wie lief die Verhandlungsstrategie. Sich selbst transparent machen. Dem widersprechen, was über einen verbreitet wurde. Gehört werden kann ich nur, wenn ich bereit bin, etwas zu sagen. Da kommt Biontech dann schnell gegenüber der EU in einen Vorteil. Zumal wir mit der Pandemie ein überragendes gesellschaftliches Thema haben.

Die Kampagne gegen Biontech kommt in einer Phase, in der die Menschen der Pandemie erkennbar müde werden. Biontech ist ein Hoffnungsträger. War es da nicht ohnehin ein Fehler, diese Hoffnung zu trüben, indem Material gegen das Unternehmen gestreut wird?

Ja, natürlich. Es ist unverantwortlich, in der Situation so Gift zu versprühen. Ein Gift für die allgemeine Stimmung. Es spaltet die Gesellschaft. Wir erleben ohnehin eine starke Polarisierung zwischen Leuten, die Corona leugnen und denen, die sagen, es müsse bekämpft werden – schauriges Zitat – koste es, was es wolle. In einer so gespaltenen Gesellschaft Gift gegen ein Unternehmen zu streuen, das maßgeblich an der Lösung des Problems arbeitet, ist unverantwortlich.