Foto: Deutschland ist zerrissen

Die Alternative für Deutschland (AfD) erlebt seit der Corona-Pandemie einen kontinuierlichen Aufschwung in der politischen Landschaft Deutschlands. Diese Entwicklung wirft viele Fragen auf, insbesondere in Hinblick auf die Ursachen für ihren wachsenden Einfluss. Mehrere Faktoren tragen zu dieser Dynamik bei, die sowohl im gesellschaftlichen Wandel, in den Schwächen der etablierten Parteien als auch in der Strategie der AfD selbst zu finden sind.

Protestpartei gegen das Establishment

Einer der Hauptgründe für den Erfolg der AfD ist ihre Rolle als Protestpartei. Viele Bürger fühlen sich von den traditionellen Parteien nicht mehr repräsentiert. Gerade in Zeiten, in denen gesellschaftliche und wirtschaftliche Unsicherheiten zunehmen, wie etwa in der Finanzkrise 2008 oder der Flüchtlingskrise 2015, sind Teile der Bevölkerung auf der Suche nach alternativen politischen Akteuren, die ihre Ängste und Sorgen ansprechen. Die AfD positioniert sich bewusst als Gegenpol zu den etablierten Parteien, indem sie deren Entscheidungen in der Wirtschafts-, Sozial- und insbesondere in der Migrationspolitik scharf kritisiert.

Insbesondere das Gefühl, dass die „etablierten Parteien“ nicht auf die „realen Sorgen des kleinen Bürgers“ eingehen, verschafft der AfD Zulauf. Der Eindruck, dass die traditionellen Volksparteien wie CDU, SPD oder Grüne abgehoben agieren und sich zu sehr auf globale Themen und liberale Werte konzentrieren, führt viele Wähler zu der Überzeugung, dass nur eine radikalere Partei wie die AfD ihre Anliegen vertritt.

Migration und Identitätspolitik als zentrale Themen

Einen erheblichen Beitrag zu ihrer wachsenden Wählerschaft verdankt die AfD der Migrationsthematik. Seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015/16 steht das Thema Zuwanderung im Zentrum der politischen Debatten. Die AfD schaffte es, die Ängste und Sorgen vieler Bürger in Bezug auf den kulturellen Wandel, die Integrationsfähigkeit des Landes und die vermeintliche Überforderung des Sozialstaates durch Migranten auszuschlachten. Ihr Erfolg basiert darauf, dass sie sich als einzige Partei inszeniert, die eine restriktive Migrationspolitik verfolgt und vor den angeblichen „Gefahren“ einer offenen Gesellschaft warnt.

In vielen ostdeutschen Bundesländern, scheinen diese Ängste besonders groß zu sein. Hier konnte die AfD besonders stark Fuß fassen, was auch auf das Gefühl vieler Menschen zurückzuführen ist, vom wirtschaftlichen Aufschwung nach der Wiedervereinigung nicht ausreichend profitiert zu haben. Das Narrativ der „verlorenen Identität“ und die Verteidigung des „deutschen Volkes“ werden von der AfD geschickt genutzt, um sich als Hüter der nationalen Interessen zu inszenieren.

Schwächen der etablierten Parteien

Ein weiterer Faktor ist die Schwäche und zunehmende Entfremdung der etablierten Parteien von ihren traditionellen Wählergruppen. Besonders die SPD hat in den vergangenen Jahren massiv an Unterstützung verloren, vor allem bei der Arbeiterklasse und in den ländlichen Gebieten. Während die SPD sich zunehmend auf urbane und progressive Themen konzentriert, fühlen sich viele ehemalige Wähler von der AfD besser vertreten.

Auch die CDU befindet sich nach der Ära Merkel in einer Identitätskrise. Die oft kritisierte „Ausrichtung in die Mitte“ hat konservative Wähler enttäuscht und zur AfD getrieben. Viele Anhänger traditioneller konservativer Werte sehen in der AfD eine echte Alternative, um ihre Vorstellungen von einer „starken Nation“, einer restriktiveren Familienpolitik und einer härteren Hand in der Migrationspolitik umzusetzen.

Medienstrategien und Mobilisierung

Die AfD hat zudem verstanden, die neuen Medien und sozialen Netzwerke für ihre Zwecke zu nutzen. In einer zunehmend digitalen Welt spielt die Kommunikation über Plattformen wie Facebook, Telegram oder TikTok eine entscheidende Rolle, um Wähler zu mobilisieren. Die AfD präsentiert sich hier als Sprachrohr der „schweigenden Mehrheit“, die sich von den „Mainstream-Medien“ nicht mehr repräsentiert fühlt. Sie nutzt populistische Rhetorik und einfache Botschaften, um komplexe Themen zu vereinfachen und die Stimmung in der Bevölkerung anzuheizen.

Zudem hat die AfD verstanden, wie man Emotionen schürt und politische Debatten gezielt polarisiert. Angst, Wut und Unsicherheit sind starke Triebfedern, um Wähler zu mobilisieren. Gerade in Zeiten von Krisen – sei es die Pandemie, der Ukraine-Krieg oder wirtschaftliche Unsicherheiten – profitieren Parteien wie die AfD von der allgemeinen Verunsicherung.

Gesellschaftliche Polarisierung und Vertrauensverlust in die Demokratie

Ein tiefsitzender Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen und der Eindruck, dass „die da oben“ die Interessen des Volkes nicht mehr vertreten, tragen ebenfalls zur Stärkung der AfD bei. Laut Studien nehmen viele Bürger die politische Elite als abgehoben und selbstbezogen wahr. Diese Polarisierung innerhalb der Gesellschaft führt dazu, dass sich immer mehr Menschen radikalen Parteien zuwenden, die einfache Lösungen für komplexe Probleme versprechen.

Die AfD nutzt diesen Vertrauensverlust geschickt aus, indem sie sich als „Anti-System-Partei“ positioniert und auf Ressentiments gegen politische und mediale Eliten setzt. Die ständige Betonung von „Lügenpresse“, „Altparteien“ und einer vermeintlichen „politischen Korrektheit“ verstärkt das Gefühl bei vielen Wählern, dass nur die AfD für eine „echte Veränderung“ steht.

Demokratiekrise: Die Brandmauer als Argument gegen die Demokratie

Ein weiteres, zunehmend brisantes Thema in der politischen Diskussion um die AfD ist die Kritik an der „Brandmauer“ selbst. Viele Bürger, die der AfD nahestehen oder mit ihrer Politik sympathisieren, empfinden diese Brandmauer als undemokratisch. Sie sehen in der starren Abgrenzung der etablierten Parteien gegenüber der AfD eine Missachtung ihres politischen Willens. Das Gefühl, dass die etablierten Parteien die AfD systematisch ausschließen, obwohl diese mittlerweile in vielen Landtagen und dem Bundestag stark vertreten ist, verstärkt den Eindruck einer Elitenpolitik, die den „Willen des Volkes“ nicht akzeptiert.

Dieser wachsende Unmut birgt ein enormes politisches Risiko: Wenn immer mehr Bürger den Eindruck gewinnen, dass die Demokratie „von oben“ gesteuert wird und ihre Stimmen ignoriert werden, könnte dies zu einem weiteren Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen führen. Viele Menschen sehen in der strikten Abgrenzung zu der AfD einen Beweis dafür, dass die politische Klasse nicht bereit ist, den Wählerwillen ernst zu nehmen. Dies könnte dazu führen, dass die AfD in Zukunft noch stärker wird, da sich immer mehr Bürger von der demokratischen Ordnung abwenden und auf radikalere Lösungen setzen.

Für viele ihrer Wähler wird die AfD zunehmend zur einzigen Kraft, die „echte Demokratie“ verspricht, indem sie behauptet, das etablierte politische System bewusst zu durchbrechen und den Bürgern mehr direkte Mitsprache zu geben. Wenn diese Kritik am demokratischen System weiter um sich greift und die Brandmauer der etablierten Parteien als antidemokratische Blockade wahrgenommen wird, könnte dies langfristig die Stabilität der deutschen Demokratie untergraben und den Einfluss der AfD noch weiter verstärken.