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Zukunftsfähig durchstarten, das haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer pandemiebedingt getan oder tun müssen. Entstanden sind zukunftsweisende Ansätze, was aus Krisen entstehen kann. Das macht Hoffnung, auch wenn wir aktuell in eine neue Krise geraten sind, die uns allen bewusst macht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Wir können dennoch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und Gutes voranbringen – hier vor Ort, in Europa und darüber hinaus.

In unserer mehrteiligen Serie „Zukunftspotenziale von Unternehmen in unserer Region“ zeigen die Interviewpartnerinnen und -partner wie sie trotz aller Herausforderungen, mit Tatkraft –immer wieder- zukunftsfähig durchstarten.

In dieser Folge haben wir mit Manuel Christ über die Veränderungen in der Musikschule Mainz-Laubenheim und seinen Blick auf die Musik-Branche gesprochen

Die Musikschule besteht seit 1983. Vor sechs Jahren übernahmen Manuel Christ gemeinsam mit seinem Bruder Johannes Christ die Musikschule von ihrer Mutter. Angeboten werden dort alle gängigen Instrumente, vier Chöre und Ensembles sowie ein eigenes Orchester. Es gibt außerdem eine Frühförderung für Kinder im Vorschulalter ab 3 Monaten mit Eltern-Kind-Kursen. Das alltägliche Geschäft ist zudem der Einzelunterricht in vielen unterschiedlichen Varianten. Insgesamt arbeiten 30 Musiklehrer in Laubenheim und unterrichten dort über 400 Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen.

Die Musikschule arbeitet sowohl mit Kindergärten, Schulen aber auch einem Seniorenheim zusammen. Sie gehören einem einem Dachverband an, durch den mittels eines Sozialfonds auch Kindern aus sozial schwachen Familien der Unterricht für sehr wenig Geld ermöglicht werden kann.

Was hat sich in Ihrem Unternehmen durch die Pandemie verändert?

Der Präsenzunterricht konnte zu Beginn des Lockdowns gar nicht stattfinden, später dann nur bedingt in kleinen Gruppen. Blasinstrumente konnten wegen der Aerosole auch lange nicht unterrichtet werden. Aufgrund der Pandemie mussten auch wie einige Monate schließen. Das konnten wir aber recht gut mit Online-Unterricht auffangen. Wir haben ein sehr junges Kollegium, die da alle super mitgezogen haben. Da können wir wirklich sehr stolz auf unsere Mitarbeiter sein auch, weil die Kommunikation trotz fehlender Präsenztreffen weiterhin sehr gut funktioniert hat.

Wir haben unsere Angestellten während der gesamten Pandemie vollumfänglich bezahlt, selbst wenn Unterricht ausfiel. Das war uns sehr wichtig, weil unsere Mitarbeiter das Wichtigste sind und wir die hochwertigen Mitarbeiter behalten wollten. Aber wir haben auch ein zwei oder drei Lehrkräfte verloren. Sie haben gemerkt, wie anfällig die Künstler-Szene ist und haben sich deshalb umorientiert. Einer macht beispielsweise zur Zeit eine Ausbildung zum Kommissar.

Auch unsere rund 400 Schüler von Jung bis Alt haben bei dem digitalen Unterricht bis auf ganz wenige Ausnahmen gut mitgezogen und den Online-Unterricht gut angenommen. Wir waren vor allem sehr erstaunt, dass das auch mit den Senioren, die bei uns unterrichtet werden, so gut funktioniert hat. Durch die pandemiebedingte Schließung haben wir trotzdem ganze Jahrgänge verloren, denn es macht natürlich keinen Sinn mit Babys einen Online-Unterricht zu machen. Das merken wir jetzt, dass uns da einfach ein ganzer Jahrgang fehlt.

Vor der Corona-Pandemie hatten wir in der Grundschule hier in Mainz-Laubenheim einen eigenen Trakt gemietet. Schon seit langem wussten wir, dass wir uns einen neuen Standort suchen mussten, weil die Schule abgerissen werden sollte. Die Zeit der Schließung haben wir daher genutzt, um an einen anderen Standort umzuziehen. Das war sehr spontan, denn 2020 wurde eine ehemalige Apotheke frei, die wir glücklicherweise anmieten konnten. Die ganzen Umbaumaßnahmen waren natürlich eine zusätzliche finanzielle Belastung in der Zeit, in der sowieso weniger Einnahmen da waren. Aber wir konnten die Umbaumaßnahmen schließlich vor wenigen Wochen erfolgreich abschließen.

In den vergangenen 1,5 Jahren konnten wir trotz Pandemie gut 100 Schüler hinzugewinnen. Ich glaube, dass das unter anderem viel dem neuen Standort zu verdanken ist. Wir waren aber in der Zeit auch immer sehr aktiv und hatten zum Beispiel einen musikalischen Adventskalender, bei dem Schüler Beiträge einreichen konnten. Wir haben außerdem mit „Kultur im Park“ ein eigenes Festival ins Leben gerufen, welches ab jetzt einmal jährlich stattfindet. Da sind bislang unter anderem auch Größen wie Jupiter Jones und Lars Reichow aufgetreten. Wir haben also viele Alternativen gesucht und sind dabei aber auch ein großes Risiko eingegangen. Finanziell hat sich das in der Zeit selbst zwar nicht gelohnt aber jetzt im Nachgang sind wir dadurch positiv aus der Pandemie raus gekommen.

Wie war es allgemein in der Branche?

Online-Unterricht musste im Prinzip jeder in der Branche anbieten, um zu überleben. Einige haben es sicherlich nicht überlebt und bei Gesprächen und Pressekonferenzen war auch viel Resignation da. Ich glaube, so wie wir das genutzt und es als Chance gesehen haben, haben das nur sehr wenige getan. Das finde ich sehr schade. Aber es gab auch einige, die ähnlich wie wir gedacht haben mit denen wir uns dann zusammengetan und einige Events geplant haben.

Welche Veränderungen sehen Sie kurzfristig?

Natürlich hat man während dem ganzen Online-Unterricht gemerkt, dass Musik und Kultur eigentlich nur richtig erlebbar ist, wenn es live stattfindet. Die ganzen Klangwellen der Instrumente werden digital wesentlich schlechter übertragen und kommen gar nicht so rüber wie in Präsenz. Das halte ich für eine sehr schöne Erkenntnis, denn viele Berufe werden ja mittlerweile von Maschinen und Robotern übernommen, das ist aber in der Musik-Branche denke ich nicht möglich und wird auch künftig nicht möglich sein.

Ich glaube das war ganz gut, dass die Pandemie uns die Digitalisierung so ein bisschen aufgezwungen hat. Auch den daraus resultierenden Internetausbau halte ich für sinnvoll. Das wird sich wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr ändern und die Unternehmen werden einfach digital bleiben.

Was sich in der Zwischenzeit in meinen Augen als negativ herausgestellt hat ist, dass die Pandemie doch einige Folgen für die Kinder hat. Beispielsweise erkennen 3-jährige Kinder ihre Lehrkraft ohne Maske nicht mehr wieder, wenn sie sie die letzten zwei Jahre immer mit Maske gesehen haben. Ich glaube da werden mit der Zeit auch noch weitere negative Aspekte zum Vorschein kommen.

Welche Veränderungen werden Sie in Ihrem Unternehmen beibehalten?

Wir haben gemerkt, dass wir mit dem Online-Unterricht eine große Zielgruppe erreicht haben. Das werden wir also künftig beibehalten.

Außerdem haben wir auch neu in unsere Verträge mit aufgenommen, dass der Online-Unterricht als Ersatz gilt, wenn ein Schüler oder Lehrer krank ist. So können Lehrer die zwar etwas Krank sind aber trotzdem unterrichten könnten, die Stunde beispielsweise online anbieten. Gleiches gilt natürlich für Schüler, die krank sind oder in Quarantäne müssen. Das war vor der Pandemie bei uns nicht möglich, sodass ich das jetzt schon als positive Entwicklung ansehe.

Wir sind mit der Musikschule während der Pandemie auch als Konzertveranstalter aktiv geworden durch das Festival, das wir einmal Jährlich in Laubenheim und Bodenheim ausrichten. Auch das möchten wir künftig weiter machen.

Zudem wollen wir künftig gerne die Kooperationen aber vor allem den Standort hier ausbauen. Wir würden also gerne weiter expandieren und den Ort hier als Kulturstandort ausbauen. Dadurch wollen wir natürlich auch das Einzugsgebiet ausbauen.


Kommentar von Torben Anschau

Torben Anschau, Coach bei Restart

„Kunst und Kultur zählten sicher in der Zeit der Lockdowns zu den am stärksten betroffenen Branchen, was auch bei der Musikschule spürbar war. Doch gelang es hier sehr schnell, durch Einsatz von Online-Unterricht den Betrieb bestmöglich aufrecht zu erhalten und dabei sowohl die Kunden als auch das Personal mitzunehmen. Dieses konnte sogar weiter beschäftigt werden, was der Fachkräftesicherung nachhaltig dienen wird.

Ein klarer Beleg dafür, dass es sich lohnt, flexibel und auch kompromissbereit auf unerwartete Herausforderungen schnell und konsequent zu reagieren.“

 


Über Restart

Sie sind selbständig oder haben ein kleines Unternehmen und stecken gerade auch mitten in Veränderungen oder Schwierigkeiten? Gerne sortieren wir mit Ihnen gemeinsam Ihre Fragen, Ideen und Themen und erarbeiten Wege, damit Sie (wieder) zukunftsfähig durchstarten können. Möchten Sie mitmachen? Sie erreichen das Team unter www.restart.vision, per Mail an restart@mki-ev.de oder telefonisch unter 06131 217 11 92.

Die Teilnahme an „Restart – zukunftsfähig durchstarten“ ist für Selbständige, Freiberufler/-innen und Kleinstunternehmen in Rheinland-Pfalz kostenfrei. Dies wird ermöglicht durch die Förderung im Rahmen der Arbeitsmarkt­initiative #rechargeRLP. Sie wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz aus Mitteln des EU-Hilfsprogramms REACT-EU über den Europäischen Sozialfonds (ESF) umgesetzt.