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Gastartikel Gisela Kirschstein

| Die Coronakrise wird die heimische Wirtschaft mit voller Wucht treffen: Bei einer Blitzumfrage der deutschen Industrie- und Handelskammern (DIHK) sagten bereits jetzt 87 Prozent der rheinhessischen Unternehmen, sie spürten negative Auswirkungen der Krise – in Hessen sind es sogar 92 Prozent. „Gerade kleine und mittlere Unternehmen setzen bisweilen schon verzweifelt auf sofortige Hilfe der Politik“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Günter Jertz. Nur: Bislang ist noch immer völlig unklar, wie man die Soforthilfen des Bundes beantragen kann und was für die Genehmigung notwendig ist – am Abend gab es die ersten Hinweise dazu. Die IHK Rheinhessen bietet zudem am Wochenende eine Telefonhotline an.


Rheinland-Pfalz versprach den Unternehmen Hilfe

Vor zwei Wochen hatten Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit großer Geste ein Hilfspaket für die Wirtschaft in nie gekannter Größenordnung angekündigt: Es werde „nicht gekleckert, sondern geklotzt“, der Bund packe die ganz große Bazooka aus, sagte Scholz. Auch der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) gab das Versprechen ab, das Land werde jedem einzelnen Unternehmen zur Seite stehen: „Wir wollen hier in Rheinland-Pfalz keine einzige Insolvenz wegen Coronavirus erleben“, betonte der Minister – das war am 10. März.

Tausende Unternehmer warten seitdem auf die Unterstützung

Seither warten Tausende besonders kleiner Unternehmer im Land darauf, dass die versprochenen Hilfen ankommen – bislang konnten sie nicht einmal beantragt werden. Wissing hatte öffentlich empfohlen, wer Liquiditätsprobleme bekomme, möge sich an seine Hausbank wenden – Unternehmer, die das taten, bekamen indes zu hören, sie sollten doch bitte ihre Liquidität für die kommenden Monate nachweisen, ohne eine positive Entwicklungsperspektive können man ihnen leider keine Kredite gewähren. Soloselbstständige irrten gar von Bank zu Beratungsstelle und zurück, der Blick auf den 1. April in der kommenden Woche wird immer banger.

Keine eigenen Landesmittel für Zuschüsse zur Rettung kleiner Unternehmen

Die Politik legte derweil in rekordverdächtigem Eiltempo die notwendigen Programme auf: Am Mittwoch verabschiedete der Bundestag die Hilfspakete, am gestrigen Freitag der Bundesrat, am gleichen Tag der Landtag Rheinland-Pfalz die flankierenden Maßnahmen des Landes.

Rheinland-Pfalz nimmt allerdings im Gegensatz zu anderen Bundesländern keine eigenen Landesmittel für Zuschüsse zur Rettung kleiner Unternehmen in die Hand: Solo-Selbstständige und kleine Freiberufler mit bis zu fünf Mitarbeitern können sich für die 9.000 Euro Soforthilfe des Bundes bewerben – und für einen zusätzlichen Kredit des Landes Rheinland-Pfalz in Höhe von 10.000 Euro (siehe auch die Liste unten). Kredite müssen allerdings zurückgezahlt werden, für die meisten kleinen Freiberufler ist das gerade in der derzeitigen Situation nicht zu leisten.



Unterschiedliche Aussagen schaffen Verwirrung

Bislang hieß es zudem, die Unternehmen und Selbstständigen sollten sich an ihre Hausbank wenden, am Freitag hieß es dann plötzlich auf der Homepage der Investitions- und Strukturbank (ISB) des Landes: „Corona-Soforthilfe kann in Kürze beantragt werden“, die Anträge stünden ab Montagnachmittag zur Verfügung.

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag heißt es auf der Homepage, in den meisten Bundesländern sei das Antragsverfahren bereits gestartet, Details würden in einer Bund-Länder-Vereinbarung geregelt, „die allerdings bis zum Freitagabend (27. März) noch nicht veröffentlicht war.“

Vorab-Informationen des Mainzer Wirtschaftsministeriums

Am Freitagabend veröffentlichte dann das Mainzer Wirtschaftsministerium auf seiner Homepage Vorab-Informationen zum Antragsverfahren ab Montag, 30. März 2020. Darin wird angegeben, welche Steuer- oder Betriebsnummern man bereit halten soll, welche Unterlagen von Gewerbeanmeldung oder Steuerbescheid.

Zudem müssen die antragstellenden Unternehmen oder Selbstständigen ihre Liquiditätsschwierigkeiten bis Ende Mai 2020 beziffern – die Höhe des Zuschusses werde davon abhängig gemacht. Das aber würde heißen, dass nicht jeder Selbstständige automatisch die vollen 9.000 Euro Soforthilfen bekommen würde – die Politik hatte dies bisher so kommuniziert.

Unternehmen dürfen nicht vor März 2020 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein

Wie die Zuschüsse im Nachhinein abgerechnet werden, dazu schweigt sich die Homepage aus, beim DIHK heißt es hingegen, der Zuschuss müsse wie andere Einnahmen auch mit dem individuellen Steuersatz versteuert werden, sofern der Unternehmer ein positives Betriebsergebnis vorzuweisen hat. Bei den Steuervorauszahlungen für 2020 soll er aber nicht berücksichtigt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Zuschüsse sei nach Angaben der Bundesregierung in jedem Fall ein Schadenseintritt nach dem 11. März 2020, den die Antragsteller nachweisen müssten, heißt es beim DIHK weiter: „Das heißt konkret, dass das jeweilige Unternehmen vor März 2020 nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen sein darf“, schreibe das Bundesfinanzministerium zu seinem Hilfsplan.



Kritik an den Hilfen für Unternehmen

Ob angesichts dieser nicht ganz einfachen Regelungen die Hilfe wirklich schnell und unbürokratisch bei den kleinen Unternehmen und Solo-selbstständigen ankommt, daran mehren sich die Zweifel. Der einmalige Zuschuss müsse gerade für die Mini-Unternehmen einfach beantragt werden können und schnell fließen, mahnte etwa der Präsident des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), Eberhard Flammer: Zwischen Antragstellung, Bewilligung und Auszahlung sollten nicht mehr als einzelne Tage liegen. Für Unmut sorgt in der Wirtschaft zudem, dass der Staat Kredite nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu 90 Prozent absichern will – das sorge für Unsicherheiten bei den Banken und könne Kredite gefährden.

Hilfen werden dringend benötigt

Schon jetzt wird aber immer deutlicher: Die Hilfen werden in der Wirtschaft händeringend benötigt. Ein Drittel der Betriebe in Rheinhessen (33,3 Prozent) rechnen laut der Blitzumfrage mit einem Umsatzrückgang zwischen 10 und 25 Prozent, ein Viertel (24,1 Prozent) befürchtet sogar einen Rückgang um 25 bis 50 Prozent. Einen Umsatzabsturz um mehr als 50 Prozent sieht ein Zehntel (9,3 Prozent) der Betriebe auf sich zukommen. Noch rechnen 55 Prozent der Unternehmen damit, ihre Belegschaften zu halten, 39 Prozent befürchten aber einen Personalabbau, sechs Prozent wollen Mitarbeiter einstellen.

Konkret spürten die Unternehmer derzeit vor allem die aussetzende Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen (61 Prozent), die Stornierung von Aufträgen (43 Prozent) sowie Liquiditätsengpässe (33 Prozent). Von der Politik erwarten 62 Prozent Soforthilfe in Form von Zuschüssen und 42 Prozent die Senkung von Unternehmenssteuern – nur 18 Prozent aber setzen auf Überbrückungskredite der KfW oder anderer Förderbanken ihre Hoffnungen. In Rheinland-Pfalz machen aber gerade die Letzteren den Hauptanteil der Förderungen aus.

IHK richtet Telefonhotlines für Fragen ein

Fragen rund um die Soforthilfen, um Überbrückungskredite, Steuerstundungen und Kurzarbeitergeld beantwortet an diesem Wochenende die rheinhessische IHK in eigens geschalteten Telefonhotlines. Die IHK Rheinhessen ist am Samstag, den 28. März, und am Sonntag, den 29. März 2020, jeweils von 10.00 bis 15.00 Uhr erreichbar unter der Rufnummer 06131 262-1000.

Für spezielle Fragen zu den einzelnen Bereichen gelten diese Rufnummern:
·   Förderprogramm des Bundes und Landes Rheinland-Pfalz 06131 262-1703
·   Kurzarbeitergeld 06241 9117-46
·   Steuerstundung, Herabsetzung von Vorauszahlungen 06721 9141-14
·   Arbeitsrechtliche Hinweise 06241 9117-46



Zuschüsse und Kredite für Unternehmen in Rheinland-Pfalz

Die IHK Rheinhessen informiert zudem über Hilfen für Unternehmen in der Coronakrise im Internet. Die Informationen des Landes zu den Hilfsprogrammen gibt es auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums im Netz, nach den dortigen Angaben gelten diese Zuschüsse und Kredite im Rahmen der Soforthilfen von Bund und Land für Unternehmen in Rheinland-Pfalz wie folgt:

Selbstständige und Unternehmen bis zu 5 Beschäftigten:

  • 9.000 Euro Zuschuss aus dem Bundesprogramm
  • 10.000 Euro Sofortdarlehen des Landes bei Bedarf.
  • Insgesamt beträgt die Soforthilfe 19.000 Euro.

Unternehmen von 6 bis 10 Beschäftigten:

  • 15.000 Euro Zuschuss aus dem Bundesprogramm
  • 10.000 Euro Sofortdarlehen des Landes bei Bedarf.
  • Insgesamt beträgt die Soforthilfe 25.000 Euro.

Unternehmen von 11 bis 30 Beschäftigten:

  • Bis zu 30.000 Euro Sofortdarlehen des Landes zuzüglich einem Landes-Zuschuss über 30 Prozent der Darlehenssumme.
  • Insgesamt beträgt die Soforthilfe 39.000 Euro.