F 2008 Gesundheitsamtsleiter Dr. Hoffmann e1598204789308
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Nachrichten Mainz-Bingen | Der Regelbetrieb an Schulen hat wieder begonnen. Doch trotz Hygienekonzepten gibt es Momente, in denen eine Ansteckungsgefahr besteht. Das Gesundheitsamt im Landkreis Mainz-Bingen muss daher auf vieles zu achten. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Dietmar Hoffmann, hat dazu Stellung genommen.


Wie hat sich das Infektionsgeschehen aus Sicht des Gesundheitsamtes seit dem Schulbeginn entwickelt?

Leider genauso, wie es zu erwarten war. Nach längerem Lockdown, dem anschließenden eingeschränkten Regelbetrieb und den Sommerferien begann am Montag wieder unmittelbar der Regelbetrieb. Es gibt zwar neue Hygienekonzepte, welche für die Schulen verbindlich sind und es besteht für die älteren Schülerinnen und Schüler zumindest eine Maskenpflicht in den Fluren und auf dem Schulhof. Aber wenn sich in einem Klassenzimmer 20 – 30 Kinder und Lehrkräfte aufhalten, dann liegt doch eine relevante Ansteckungsgefahr vor, falls ein Schüler oder eine Schülerin davon positiv ist. Auch die in den Hygieneplänen empfohlenen Stoß- und Querlüftungen lassen sich aufgrund der baulichen Situation oftmals nicht verwirklichen. Somit mussten wir bereits am Mittwoch zirka 200 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte aus mehreren Schulen im Landkreis in die häusliche Quarantäne schicken, da Kontakt zu positiven Fällen beziehungsweise sehr dringenden Verdachtsfällen bestand.

Wenn jetzt ein Schüler oder eine Schülerin mit positivem Status die Schule besucht hat, müssen sich dann alle Kontaktpersonen in Quarantäne begeben, also zum Beispiel die gesamte Klasse, die Klassenstufe oder sogar die ganze Schule?

Wir versuchen soweit wie möglich jeden Einzelfall einzugrenzen und nehmen eine Risikobewertung vor. Da spielen viele Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Symptomatik des Infizierten, die Dauer des Schulbesuchs, die Enge und Dauer des Kontaktes zu Mitschülerinnen und Mitschülern, die Frist zwischen dem letzten Schulbesuch und der Testung und vieles mehr. Nach diesen Parametern klassifizieren wir die Kontaktpersonen nach erstem und zweitem Grad. Derzeit würden wir alle Schülerinnen und Schüler, welche einen Schultag im Klassenzimmer gemeinsam verbracht haben, ohne dabei eine Maske getragen zu haben, als Kontaktperson 1 klassifizieren – dies bedeutet eine 14-tägige Quarantäne. Wenn die Klassen einer Stufe nicht durch gemeinsamen Unterricht durchmischt werden, können wir es dann auch bei dieser Klasse belassen.



Patienten mit leichter Symptomatik können im Einzelfall schon 10 Tage nach Krankheitsbeginn aus der Quarantäne entlassen werden. Warum müssen Kontaktpersonen 14 Tage in Quarantäne bleiben?

Das Robert Koch Institut hat vor einigen Wochen die Quarantänedauer für Infizierte mit sehr leichter Symptomatik von 14 auf zehn Tage verkürzt. Voraussetzung ist allerdings eine absolute Symptomfreiheit in den letzten beiden Tagen. Der wissenschaftliche Hintergrund hierzu ist, dass in der Regel um den 7. Tag kein vermehrungsfähiges Virusmaterial mehr nachweisbar ist. Das führt zu der schwierig zu kommunizierenden Situation, dass möglicherweise ein weiterer Abstrich – welcher auf eigene Veranlassung zum Beispiel am 15. Tag genommen wurde – weiterhin positiv ist, aber keine neue Quarantäne verhängt wird. Wir müssen uns hierbei auf die medizinische Expertise unserer Fachgesellschaften verlassen. Tatsächlich betreuen wir selbst Patienten, welche sechs bis sieben Wochen nach Infektionsbeginn bei Kontrollen immer noch ein positives Ergebnis zeigen. Bei engen Kontaktpersonen ist die Situation eine andere: Hier geht man von der längstmöglichen Inkubationszeit aus, also dem Zeitraum zwischen der Ansteckung und dem Krankheitsausbruch beziehungsweise Virusnachweis. Das heißt, erst wenn man nach 14 Tagen keine Symptome zeigt, ist man bei engen Kontaktpersonen auf der sicheren Seite.

Sie empfehlen engen Kontaktpersonen, zum Beispiel am 6. Tag zu testen. Verkürzt sich hierdurch die Quarantäne?

Leider nein, die 14-tägige Quarantäne bleibt aus den genannten Gründen davon unberührt. In der Regel dauert die Inkubationszeit aber nicht zwölf bis 14 Tage, sondern das Virus lässt sich zumeist bereits am 5. oder 6. Tag nachweisen. Bei dieser Nachtestung von engen Kontaktpersonen geht es daher in erster Linie darum, ob wir deren Umfeld ebenfalls untersuchen müssen, falls sie als Kontaktperson zwischenzeitlich selbst positiv geworden sind.



Wie sieht es mit den Reiserückkehrern aus?

Das ist tatsächlich seit gut drei Wochen bei uns ein großes Thema. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst in Mainz eine eigene Teststrecke aufgebaut und rund 1.000 Untersuchungen durchgeführt. Dies in erster Linie, um die Hausarztpraxen von diesem Ansturm zu entlasten. Sowohl von dort als auch über die vier großen Teststellen im Land Rheinland-Pfalz sowie den Teststellen an den Landesgrenzen zum Beispiel in Bayern bekommen wir viele positive Befunde. So haben wir aktuell im Landkreis Mainz-Bingen 17 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner im Zeitraum von sieben Tagen. Zieht man hiervon die Reiserückkehrer ab, bleiben gerade mal noch vier Neuinfektionen pro sieben Tage, ähnlich sieht es auch in der Stadt Mainz aus, für die ebenfalls unsere Zuständigkeit besteht. Schwerpunkt, zumindest für unsere Patienten, sind derzeit die Balkanländer und einige Osteuropäische Staaten, aber auch aus Malta, Spanien oder den Niederlanden wird diese Infektion mitgebracht.

Wie sieht es mit der Testpflicht für Rückkehrer aus?

Der Bundesgesetzgeber hat die grundsätzliche Verpflichtung für Reiserückkehrer festgelegt, sich beim zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Daneben besteht eine Verpflichtung zur 14-tägigen Quarantäne mit der Option, sich bereits während der letzten beiden Urlaubstage im Reiseland „freitesten“ zu lassen oder dies maximal drei Tage nach Rückkehr nachzuholen. Die Quarantäneverpflichtung besteht bis zum Vorliegen eines negativen Ergebnisses fort. Aus infektiologischer Sicht ist dies zu früh, man könnte sich schließlich noch an den beiden letzten Tagen im Reiseland, am Flughafen oder im Flugzeug selbst angesteckt haben. All diese Personen erwischen wir mit der derzeitigen Teststrategie nicht. Daher wäre es sehr viel günstiger, wenn sich die Reiserückkehrer aus den Risikoländern zumindest sieben Tage in häusliche Quarantäne begeben und sich erst am Ende dieser Frist testen lassen.