Unsere Gesellschaft lebt nun schon über ein Jahr im Schatten der neuen Coronaviren. Mit den fortschreitenden Impfungen ist inzwischen hoffentlich ein Ende der Pandemie in Sichtweite. Doch was davon Hoffnung ist und was sich bewahrheiten wird, die Zukunft wird dies erst noch enthüllen müssen. Es mehren sich dabei Stimmen von Experten, die eine geradezu goldene Zeit nach der Pandemie erwarten. Dafür gibt es gute Gründe – und wir zeigen sie auf.


Bis heute genießen die 1920er Jahre im kollektiven Gedächtnis der westlichen Gesellschaften einen geradezu legendären Ruf. Bei uns erinnert man sich dabei an die ‘Goldenen Zwanziger’, während man im englischen Sprachgebrauch von den Roaring Twenties, also den ‘Stürmischen Zwanzigern’ spricht. Im Französischen ist die selbe Dekade als Années folles, als ‘Verrückte Jahre’, bekannt und beliebt. Damals entfaltete sich eine wahre Blüte von Kunst, Musik und gesellschaftlicher Freizügigkeit im Scheine eines lange ersehnten Wirtschaftsaufschwungs. Schließlich war der erste Weltkrieg erst kurz vorher, im Jahr 1918, beendet worden und die Pandemie der sogenannten Spanischen Grippe, die zwischen 1918 und 1920 nochmal viele Millionen Opfer forderte, neigte sich dem Ende zu. In der Spanischen Grippe liegt auch hauptsächlich der Grund, warum die kommenden Jahre vielleicht im Nachhinein mit denen der 1920 Jahre verglichen werden. Denn auch wenn man die gesellschaftlichen Einschränkungen der Jahre 2020 und 2021 selbstverständlich nicht mit den Ereignissen des 1. Weltkriegs vergleichen kann, und die Mortalitätsraten der Spanischen Grippe mit 5-10% unter den Infizierten um ein Vielfaches höher war als bei den heutigen neuen Coronaviren, ergeben sich doch einige Gemeinsamkeiten, deren Analyse sinnvoll erscheint.

Kommt die Party nach der Pandemie?

In den 1920er Jahren waren der Krieg und die Pandemie trotz, oder gerade wegen, fortdauernder großer Armut in den unteren Gesellschaftsschichten schnell verdrängt. Denn die damals noch Lichtspielhäuser genannten Kinos schossen vielerorts wie aus dem Boden und unterhielten die Massen mit Bildern von einem besseren, pompösen Leben. Auf den zahlreichen großen Bühnen des Landes sangen neue Stars wie Marlene Dietrich kokett und immer mit einem lasziven Witz auf den Lippen. In den Tanzlokalen und Ballsälen der Zeit wurde wilder als jemals zuvor getanzt, neue Tanzstile wie der Boston, der Charleston oder auch Tango trugen ihren Teil dazu bei. Als angesehenste Tänzerin der Zeit wird oft Josephine Baker genannt, einer der ersten farbigen Superstars des 20. Jahrhunderts. Untermalt wurden die rauschenden Feste von neuen Stilen des Jazz und Swing. Das damalige Trend-Getränk Absinth und allerlei Pülverchen die damals noch legal in Apotheken erhältlich waren, taten wohl ihr übriges. Das klingt ja fast nach Städten wie Berlin oder Amsterdam im Jahre 2019, als gut besuchte Musikfestivals und lange Nächte in den Clubs und Bars noch zum Alltag gehörten. Wird all dies bald schon wieder zurückkehren? Oder steht uns davon losgelöst eine völlig neue Entwicklung bevor?

Experten optimistisch: steht uns ein Boom bevor?

Wissenschaftler die sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen befassen, malen sich in aktuellen Interviews manchmal eine baldige rosige Zukunft aus. Darunter etwa der in Harvard lehrende US-griechische Soziologe Nicholas Christakis. Nach seiner Analyse ziehen sich die Menschen während einer Pandemie zurück, horten ihr Geld und betrauern ihre verlorenen Menschen und Chancen. Haben sich die tödlichen Viren irgendwann verzogen, komme es zum geradezu gegenteiligen Effekt: Christakis erwartet einen kulturellen, technologischen und wirtschaftlichen Frühling in der Post-Corona-Zeit, in dem “Nachtclubs, Erotik, Sexualität, all das” sehr wichtig werden wird. Gleichzeitig setzt er darauf, dass sich durch Home-Office und der Abschaffung von symbolischen Handlungen wie Handschlag und Begrüßungsküsschen eine nachhaltige Gesellschaftsveränderung ergeben könnte. Doch es gibt natürlich noch mehr Stimmen zum Thema.

Hoffnung und Zuversicht – jetzt erst recht!

Namhafte Experten wie der Psychologe und Resilienz-Forscher Simon Hahnzog zeigen sich sehr zuversichtlich, dass wir schon bald im genauen Gegenteil eines Lockdowns leben werden. Denn der Mensch sei ein ‘soziales Wesen’ und je länger ein Wunsch unterdrückt wird, desto stärker würde er später wie durch einen ‘Bumerang Effekt’ ausgelebt. Hahnzog erwartet die Entstehung von neuen Trends und neuen Künsten, die sich im Verborgenen bereits während der Pandemie entwickeln. Ähnlich wie in den 1920er Jahren wird nach ihm eine neue, gesteigerte Relevanz von Clubs und Theatern zu beobachten sein und die Menschen werden sich erstmal ausgiebig ausleben und abreagieren. Eine Episode von ausgiebiger Feucht-Fröhlichkeit könnte uns also bevorstehen. Dazu passen die jüngsten Aussagen von Marc Wohlrabe, erfahrener Verbandsvertreter der Berliner Clubszene, welcher unsere derzeitige Gesellschaft als eine Flasche unter Druck beschreibt. Nach seinen Aussagen wird es nicht mehr lange dauern, bis “Champagner ungeordnet und wüst heraussprudelt”. Das klingt doch schon ganz nach Vorfreude, Hoffnung und Zuversicht, wahrscheinlich die beste Einstellung die wir jetzt haben können. Wir sollten uns darauf freuen und sie aktiv konstruktiv mitgestalten – die ‘Golden Twenty-Twenties’.