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Wer hat „Goethes Faust“ geschrieben? Der Scherz spielt damit, dass die großen Werke der Literatur irgendwie auch zu denen vorgedrungen sind, die diese niemals lesen würden. Doch ein Klassiker der Ratgeber-Literatur dürfte einem größeren Publikum unbekannt sein. Dabei sollte ihn jeder gelesen haben, der beruflich oder ehrenamtlich mit Sprache zu tun hat: „Deutsch für Profis“ vom „Sprachpapst“ Wolf Schneider.


95 Jahre wird der Journalistenausbilder Wolf Schneider dieses Jahr alt. Und noch immer meldet er sich zu Wort, wenn wer dummes Zeug schreibt. Wobei es Schneider gar nicht so sehr auf den Inhalt ankommt, sondern auf die sprachliche Präzision: „Trump will Frieden“, hatten mehrere Medien getitelt. Schneider hielt dagegen: Das könne niemand wissen. Richtiger wäre „Trump sagt, er wolle Frieden.“

Diese Präzision macht Journalismus aus: Wer schreibt, Trump wolle Frieden, der verbreitet letztlich unreflektiert PR. Wer die Nachricht einordnet als Aussage eines Politikers und entsprechend weitergibt, der fängt an mit einer kritischen Reflexion.

Wer mit „Deutsch für Profis“ groß geworden ist, dem passieren solche Fehler seltener. Denn sprachliche Präzision ist das, was Schneider seinen Lesern impft. Aber auch anschaulich zu schreiben, leicht verständlich zu bleiben und abwechslungsreich. Auf rund 240 Seiten geht er dabei in die Tiefe.

Allein 22 Seiten widmet Schneider seinem „Hauptfeind“, dem Schachtelsatz. Das sind Sätze, in die der Autor viel hereinpackt, auch weil er gefallen will, vor allem bei Lesern, die Eleganz, Vielfalt und Wissensreichtum schätzen, was ihnen am Ende, auch wenn der Inhalt der Hauptwert bleibt, so doch den Zusatznutzen gibt… Und am Ende fragen sich alle: Wie hat der Satz nochmal angefangen? Genau das sind Schachtelsätze.

Pflichtlektüre für Journalisten

„Deutsch für Profis“ ist für Journalisten Pflichtlektüre. Aber auch andere, die mit Sprache zu tun haben, sollten sich die vier bis fünf Stunden nehmen, die für die Lektüre notwendig sind: Pressesprecher, die sich wundern, warum ihre Mitteilungen übergangen werden. Twitterer, die mit Ausrufezeichen um sich werfen und doch nicht gehört werden. Oder auch Chefs, die Ermunterungsmails schreiben wollen, die tatsächlich ermuntern, sind mit dem Band gut bedient.

Schneiders oberstes Ziel ist, dass Texte durchgelesen werden. Er führt die Momente auf, die verstärkt dazu führen, dass Leser aussteigen. Und er liefert Tipps, wie diese Momente vermieden werden können. Dabei schreibt er selbst nie spröde, sondern bietet mit „Deutsch für Profis“ einen unterhaltsamen Ritt durch die deutsche Sprache.

Lesbarkeit ist mehr als ein Selbstzweck

Doch Lesbarkeit ist, so wie sie Schneider vorlebt, mehr als ein Selbstzweck. Wer sich als Journalist fragt, wie der Leser einen Text aufnimmt, der denkt auch zwangsläufig beim Schreiben an seinen Leser. Und das ist die beste Medizin dagegen, für sich selbst und den überschaubaren Kreis zu formulieren, der genau so denkt wie man selbst.

In seiner eigenen Laufbahn war Schneider unter anderem Chef vom Dienst beim Stern und Chefredakteur der Welt. 16 Jahre stand er der Hamburger Journalistenschule vor. Außer „Deutsch für Profis“ hat er noch gut ein Dutzend weiterer lesenswerter Ratgeber zum Thema geschrieben. Hinzu kommen weitere Werke wie die beiden ebenfalls lesenswerten Bände „Die Sieger“ und „Die Verlierer“.

„Deutsch für Profis“ ist kein Buch, das man nach dem Lesen wegwerfen oder verschenken sollte – nicht einmal verleihen. Denn mit der Zeit schleicht sich bei jedem der Schludrian ein. Dann hilft es, „Deutsch für Profis“ mal wieder aus dem Regal zu nehmen und erneut zu lesen. Das ist wie ein Auffrischungskurs.