VW
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Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nach der höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts am 26. April 2021 die bisher geheim gehaltene Präsentation der Volkswagen AG vom 3. November 2015 zum eingestandenen CO2-Betrug bei 800.000 Pkw und Nutzfahrzeugen endlich erhalten.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH dazu

„Anlass für die Aufforderung der DUH an den damaligen CSU-Verkehrsminister Dobrindt zur Offenlegung der Akten zur CO2-Selbstanzeige waren Whistleblower-Hinweise aus dem VW-Konzern und aus dem Verkehrsministerium, wonach VW aufgefordert wurde, seine Selbstanzeige faktisch zurückzunehmen. Wir wollten wissen, welche Verstöße VW beim Klimagasbetrug eingestanden und wie die ’schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz‘, die der VW-Vorstandsvorsitzende Müller versprochen hatte, denn konkret aussah. Und wie es dazu kam, dass nur wenige Wochen später die Selbstanzeige durch VW zurückgezogen und alles als ein großes Missverständnis dargestellt wurde“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Das zwölfseitige Dokument, gegen dessen Aushändigung das Bundesverkehrsministerium im engsten Schulterschluss mit der Volkswagen AG über mehr als fünfeinhalb Jahre erbittert ankämpfte, gibt einen Einblick in die Trickkiste für das Zustandekommen getunter CO2-Werte bei VW und anderen Herstellern. Das umkämpfte Dokument zeigt zudem, dass VW am 3. November 2015 für die Zukunft ankündigte, ehrlichere Abgas- wie CO2-Messungen vorzunehmen und „Flexibilitäten“ nicht mehr einseitig auszunutzen. VW kündigte an, die falschen CO2-Angaben binnen zwei Wochen zu korrigieren, die Differenz aus steuerlichen Forderungen zu begleichen, den betroffenen 800.000 Fahrzeugbesitzern den Mehrverbrauch zu erstatten, möglicherweise „Wandlungsrechte für Kunden“ anzuerkennen. VW wies schließlich gleich mit mehreren Folien auf die 7.700 direkt und 2.300 indirekt betroffenen Arbeitsplätze unter anderem in Wolfsburg, Zwickau und Ingolstadt hin und forderte abschließend die „Unterstützung bei der Sicherstellung der Refinanzierungsfähigkeit von VW“.

„Anstatt sich über die plötzliche Ehrlichkeit von VW zu freuen, reagierten das Verkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt wenig begeistert. Auch andere Hersteller zeigten sich nach unseren Informationen alarmiert und befürchteten Auswirkungen“, so Resch weiter.

Erneutes Treffen zwischen VW und dem Verkehrsministerium

Zwei Wochen später, am 19. November 2015, waren aber nicht wie angekündigt die CO2-Werte korrigiert. Stattdessen trafen sich erneut Vertreter von VW und deren Anwaltskanzlei Freshfields mit Vertretern des Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zu einem „Informationsgespräch“. Im Protokoll des Ministeriums wird „zustimmend zur Kenntnis“ genommen, dass VW – „entgegen ersten Darstellungen“ – seine Nachmessungen nun doch nicht nach „schärferen Vorschriften“ vornimmt.

Weitere Unterlagen, die die DUH in einem anderen gegen das Verkehrsministerium geführten Rechtsstreit erstritten hat, belasten den Autohersteller Opel sowie weitere Hersteller im Zuge des Dieselskandals schwer, da es um grundsätzliche Fragen der Rechtmäßigkeit von temperaturgesteuerten Abschalteinrichtungen geht. Aus einem vom Bundesverkehrsministerium während der „Untersuchungskommission Volkswagen“ beauftragten Gutachten von Professor Wachtmeister geht hervor, dass es erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der temperaturgesteuerten Abgasreinigung von Opel-Modellen gibt. In einigen Fahrzeugen gebe es ein „zu enges Betriebsfenster“ der Abgasreinigung, das so nicht erforderlich sei. Während in den in einem anderen Rechtsverfahren von der DUH gerichtlich erstrittenen Dokumenten sowohl die Zweifel des KBA an der Rechtmäßigkeit der temperaturgesteuerten Abschalteinrichtung sowie das diese Auffassung bestätigende Gutachten hervorgehoben werden, fehlen diese in dem vom Verkehrsministerium schließlich veröffentlichten Bericht der Untersuchungskommission. Hier verweist das Ministerium allein auf von Opel angekündigte freiwillige Maßnahmen.

Axel Friedrich, wissenschaftlicher Berater der DUH dazu

„Unsere Behörden lassen von unabhängiger Stelle ein Gutachten erstellen, in dem die Rechtmäßigkeit von Opels Abgasnachbehandlung eindeutig in Frage gestellt wird. Dieses Wissen wird aber nicht etwa mit zehntausenden betroffenen Fahrzeughaltern geteilt, sondern in der Schublade vergraben. Damit ist das Ministerium dafür verantwortlich, dass weiter sehr hoher Schadstoffausstoß unsere Atemluft vergiftet. Außerdem bleiben die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren rechtlichen Auseinandersetzungen gegen Opel allein. Das Wissen um das Gutachten und dessen Schlussfolgerungen hätten vor Gericht die Klageaussichten der Fahrzeughalter erheblich verbessert. Auch in diesem Fall war das Verkehrsministerium auf Seiten der Autohersteller und nicht der der Bürgerinnen und Bürger“, beklagt Axel Friedrich, wissenschaftlicher Berater der DUH.

Die DUH hatte bereits 2017 eine Klage gegen das Kraftfahrt-Bundesamt eingereicht mit dem Ziel, die Typgenehmigung der Modelle Opel Zafira und Opel Insignia sowie von VW-Modellen aufgrund der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen aufzuheben. Die Verfahren liegen zur Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in Schleswig.