Viele Häuser im Kreis Mainz-Bingen brauchen bald viele Handwerker: Die Wohngebäude sind enorm in die Jahre gekommen. Von den insgesamt rund 103.000 Wohnungen im Landkreis Mainz-Bingen sind 50 Prozent schon 45 Jahre oder älter. Rund 51.800 Wohnungen in Altbauten sind damit mehr oder weniger „reif für eine Sanierung“. Das geht aus der aktuellen Analyse zum regionalen Wohnungsbestand hervor, die das Pestel-Institut erstellt hat.
Energieverbrauch im Fokus
Ein wichtiger Punkt bei dem „Gebäude-Check“ ist der Energieverbrauch. „Je mehr Geld Bewohner fürs Heizen und für warmes Wasser ausgeben müssen, desto höher ist der Druck, das Haus energetisch zu sanieren“, sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut.
Im Fokus der Untersuchung steht deshalb die durchschnittlich verbrauchte Energie pro Quadratmeter Wohnfläche im Kreis Mainz-Bingen. „Dabei herausgekommen ist, dass die Wohngebäude im Landkreis Mainz-Bingen beim Energieverbrauch 1,5 Prozent pro Quadratmeter unter dem bundesweiten Durchschnitt liegen“, so Günther.
Das Institut verglich dabei die Struktur der Wohngebäude im Kreis Mainz-Bingen mit dem Bundesdurchschnitt. Besonders wichtig seien die Altersstruktur der Gebäude sowie die Verteilung von Ein- und Zweifamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern.
Ziel: Klimaneutral bis 2045
Der Energieverbrauch fürs Wohnen ist laut Pestel-Institut der entscheidende Richtwert für die Energiespar-Sanierungen, die in den kommenden Jahren auf den Landkreis Mainz-Bingen zukommen. „Immerhin sei es das Ziel, den gesamten Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen. Wenn der Kreis Mainz-Bingen bis dahin klimaneutral wohnen soll, dann ist es notwendig, bei den Sanierungen in den ‚Turbo-Gang‘ zu schalten“, so Günther.
Die Regional-Untersuchung wurde im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) erstellt.
Sanierungskosten: 411 Millionen Euro pro Jahr
Für die Hauseigentümer bedeutet das hohe Investitionen. „Pro Jahr sollte sich der Landkreis Mainz-Bingen auf rund 411 Millionen Euro Sanierungskosten einstellen – allein fürs Energiesparen. Und das zwanzig Jahre lang“, erklärt Günther. Grundlage ist eine bundesweite Studie des Bauforschungsinstituts „ARGE für zeitgemäßes Wohnen“ in Schleswig-Holstein.
Baustoff-Fachhandel fordert bessere Förderung
Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel spricht von einem „Mammut-Projekt für den Landkreis Mainz-Bingen“. Präsidentin Katharina Metzger fordert deshalb „finanziellen Rückenwind“ für Eigentümer.
„Entscheidend ist, dass mehr und mehr – gerade private – Hauseigentümer mitziehen. Vor allem, dass sie sich Sanierungen überhaupt erlauben können. Das klappt nur, wenn die Politik mehr Anreize schafft. Es ist höchste Zeit, Energiespar-Sanierungen deutlich besser zu fördern als bislang.“
Auf keinen Fall dürfe Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit ihren Plänen durchkommen, Förderprogramme um mehr als drei Milliarden Euro zusammenzustreichen.
Appell an Bundestagsabgeordnete
An die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Mainz-Bingen und der Region richtet der Baustoff-Fachhandel den Appell, sich in Berlin für einen „Push bei der Gebäudesanierung“ stark zu machen.
„Altbau-Sanierungen würden helfen, Jobs auf dem Bau im Kreis Mainz-Bingen zu sichern. Denn die Wohnungsbaukrise wird von Tag zu Tag schlimmer“, betont Metzger.
Wohnungsbaukrise verschärft sich
Der Wohnungsbau sei wie gelähmt. Zwar habe Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) versprochen, „dass die Bagger auch wieder rollen“. Doch auf den versprochenen Neubau-Turbo warteten der Kreis Mainz-Bingen und Rheinland-Pfalz weiterhin.
„Die Wohnungsbaukrise geht weiter. Dem Bau rutschen die Kapazitäten weg: Bauarbeiter verlieren ihre Arbeit. Betriebe machen dicht. Diese Bau-Spirale nach unten muss vor allem der Bund jetzt dringend stoppen. Er muss die Konjunktur-Notbremse für den Bau ziehen“, fordert Metzger.
Gerade das Ankurbeln von Sanierungen und Modernisierungen gebe dem Bau den dringend benötigten Schub.
Energetische Maßnahmen im Vordergrund
Im Fokus müsse dabei das Energiesparen stehen, so das Pestel-Institut. „Um Heizkosten zu senken, sind die Dachdämmung, neue Isolierfenster und Wärmepumpen das A und O. Dabei ist es bei einem alten Dach nicht so entscheidend, ob drei Zentimeter mehr oder weniger Dämmung zwischen die Sparren passen. Hauptsache, ab der obersten Geschossdecke passiert überhaupt etwas“, sagt Günther.
Ganzheitliche Sanierungen lohnen sich
Wenn Eigentümer Handwerker ins Haus holen, biete es sich an, umfassend zu sanieren. „Wenn Dach und Fassade gemacht werden müssen, dann ist es günstiger, das Gerüst nur einmal aufzubauen“, rät Metzger.
Es sei oft effektiver und langfristig günstiger, möglichst viel in einem Rutsch zu machen: „Also lieber im Rundumschlag sanieren als Stück für Stück über Jahre verteilt. Das ist natürlich immer auch eine Frage des Portemonnaies.“
Ein Sanierungskonzept in Abstimmung mit Handwerksbetrieben sei sinnvoll. Wenn in Etappen saniert werde, dann müsse die Reihenfolge stimmen: „Erst die Häuser energetisch fit machen – also dämmen. Dann die Wärmepumpe“, so Metzger.
Altersgerechter Umbau als Chance
Neben der energetischen Sanierung biete sich auch der altersgerechte Umbau an, um Seniorenwohnungen zu schaffen. „Wer ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung hat, sollte rechtzeitig dafür sorgen, dass er in den eigenen vier Wänden auch alt werden kann“, rät Metzger.