Eine der angesehensten Forschungsförderungen Europas geht an die Universitätsmedizin Mainz: Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock, Direktor des Instituts für Pharmakologie, erhält einen ERC Consolidator Grant in Höhe von zwei Millionen Euro. In den kommenden fünf Jahren untersucht der 41-jährige Wissenschaftler gemeinsam mit seinem Team, wie Zellen komplexe Signale aus ihrer Umgebung präzise entschlüsseln – und entwickelt dabei eine Theorie, die weitreichende Folgen für die medizinische Forschung haben könnte.
Präzise Signalverarbeitung in Zellen: Ein ungelöstes Rätsel
Zellen sind ständig einer Vielzahl äußerer Reize ausgesetzt. Sie müssen unterscheiden, welche Signale relevant sind und wie darauf reagiert werden soll. Besonders im Fokus stehen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs), die nahezu alle physiologischen Prozesse steuern und eine zentrale Rolle bei der Wirkung vieler Medikamente spielen. Sie aktivieren im Normalfall denselben Botenstoff: cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP).
Die große Frage lautet daher: Wie gelingt es Zellen, trotz dieses gemeinsamen Botenstoffes hochspezifische Reaktionen zu erzeugen?
Neue Hypothese: Zellen nutzen „Nanoschalter“
Hier setzt das geförderte Projekt an. Bock und sein Team verfolgen eine potenziell bahnbrechende Theorie: Zellen arbeiten mit extrem lokalisierten Signalschaltern im Nanobereich.

„Wir glauben, dass Zellen Signale viel präziser und lokaler verarbeiten als bisher angenommen. Unsere Daten deuten darauf hin, dass winzige molekulare Schalter den Botenstoffverkehr in der Zelle organisieren. Wenn wir diese Strukturen verstehen, könnten künftig Medikamente entwickelt werden, die punktgenau an diesen Nanoswitches wirken – mit weniger Nebenwirkungen und mehr therapeutischem Potenzial“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock.
Laut der neuen Hypothese erzeugen GPCRs keine großflächigen Signale, sondern starten wenige Nanometer kleine „Nanoswitches“. Jeder dieser Nanoschalter produziert cAMP nur in seiner unmittelbaren Umgebung. Dadurch kann die Zelle erkennen, welcher Rezeptor das Signal ausgelöst hat – selbst dann, wenn viele Rezeptoren parallel aktiv sind.
Bedeutung für die medizinische Forschung
Die Relevanz dieser Arbeiten betont Univ.-Prof. Dr. Philipp Drees, Wissenschaftlicher Vorstand und Dekan der Universitätsmedizin Mainz:
„Dass es Professor Bock gelungen ist, einen ERC Consolidator Grant einzuwerben, ist ein großartiger Erfolg – zu welchem ich ganz herzlich gratuliere!“ So Drees weiter: „Forschungen zur Signalübertragungen im Körper haben eine hohe Relevanz, denn ihre Erkenntnisse sind für viele wissenschaftliche Disziplinen von großem Nutzen. Das innovative Forschungsprojekt von Professor Bock und seiner Arbeitsgruppe hat viel Potential, die Wissenschaft einen großen Schritt voranzubringen. Der Grant ist ein Beleg dafür und zeichnet den Mainzer Pharmakologen als exzellenten und vielversprechenden Wissenschaftler aus.“
High-Tech-Methoden für Einblicke in den Nanobereich
Um ihre Theorie zu prüfen, setzt das Forschungsteam modernste Methoden ein: fluoreszierende Biosensoren, Fluoreszenzlebenszeit-Mikroskopie sowie hochentwickelte proteomische Analysen. Damit sollen die winzigen Signalschalter sichtbar gemacht und ihre Funktionsweise detailliert kartiert werden.
Ein besonderer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Frage, wie Nanoschalter die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse beeinflussen. Dabei untersuchen die Forschenden sowohl natürliche Hormone als auch bereits zugelassene Medikamente gegen Adipositas.
Perspektive: Präzisere Medikamente mit weniger Nebenwirkungen
Ziel des ERC-Projekts ist es, die Existenz dieser Nanoswitches zu belegen und ihre Funktionsweise zu verstehen. Gelingt das, könnte dies den Weg für eine neue Generation hochwirksamer, nebenwirkungsarmer Medikamente ebnen.
„Wenn es uns gelingt, unsere Hypothese zu verifizieren, wäre unser ERC Consolidator Grant auch ein Beitrag dazu, den Stand der Forschung zur Zellkommunikation wesentlich voranzubringen. Unser Projekt zielt letztlich darauf ab, dass eine Generation von Medikamenten entwickelt werden kann, die sich dadurch auszeichnet, dass sie statt auf ganze Zellen auf bestimmte Nanoschalter abzielt, wodurch die Behandlungen präziser und nebenwirkungsärmer würden“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Andreas Bock abschließend.
Der ERC Consolidator Grant bestätigt nicht nur die internationale Bedeutung der Mainzer Forschung, sondern könnte langfristig therapeutische Strategien revolutionieren – von Stoffwechselerkrankungen bis hin zu Herz- und Immunerkrankungen.
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