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„Molecular Farming“ bezeichnet eine Methode, bei der Pflanzen zu lebendigen Bioreaktoren umgewandelt werden, um pharmazeutische Substanzen und Impfstoffe herzustellen. Diese Technik ermöglicht eine schnelle, kostengünstige, nachhaltige und sichere Produktion. Dr. Pablo Serrano, Geschäftsfeldleiter Innovation und Forschung/Biotechnologie beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI), erläutert die Funktionsweise dieser zukunftsweisenden Herstellungsmethode.

Impfstoffe vom Acker: Kein Widerspruch

Die Vorstellung, dass Impfstoffe auf Feldern angebaut werden, mag ungewöhnlich klingen, ist aber wissenschaftlich fundiert. Pharmazeutische Unternehmen können durch genetische Veränderung Pflanzen zu „grünen“ Biotechfabriken machen, die wertvolle Substanzen für die menschliche Gesundheit produzieren. Diese Substanzen sind nicht nur für die Impfstoffherstellung, sondern auch für verschiedene Arzneimittel relevant.

Tabakpflanzen als ideale Bioreaktoren

Ein aktuelles Beispiel ist der Corona-Impfstoff Covifenz® des Biotechnologie-Unternehmens Medicago Inc. aus Kanada. Der Impfstoff, der in der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana hergestellt wird, schützt mit fast 70-prozentiger Wirksamkeit vor symptomatischen Infektionen und bis zu 78 Prozent vor moderaten bis schweren Verläufen. Diese Tabakpflanze, die sich durch schnelles Wachstum und einfache genetische Veränderbarkeit auszeichnet, ist ein hervorragender Bioreaktor.

Arzneimittelproduktion durch Pflanzen

Das Konzept des Molecular Farming ist seit über 30 Jahren bekannt. „Mit dieser Methode können nicht nur Impfstoffe, sondern auch wichtige Arzneimittelbestandteile wie das Enzym Glucocerebrosidase produziert werden“, erklärt Serrano. Dieses Enzym, das in Karottenzellen hergestellt wird, ist für Patienten mit der Stoffwechselerkrankung Morbus Gaucher lebenswichtig. Das entsprechende Arzneimittel wurde 2012 zugelassen und markierte einen bedeutenden Durchbruch in der Biotechnologie.

Gamechanger in der Impfstoffproduktion

In den letzten Jahren hat sich das Molecular Farming so weit entwickelt, dass Impfstoffe schneller und kostengünstiger hergestellt werden können. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber klassischen biotechnologischen Verfahren ist die schnelle und großflächige Produktion. „Pharmazeutische Unternehmen können auf Notsituationen zügiger reagieren“, betont Serrano. Die nachhaltige Produktion in kontrollierten Gewächshäusern ist effizient und vermeidet tierische Substanzen, was besonders für Tierallergiker, Veganer und bestimmte Religionsgemeinschaften wichtig ist.

Genetische Transformation: So funktioniert’s

Die Methode basiert auf der Einführung eines genetischen Bauplans in Pflanzen. Dies geschieht durch Spritzen oder Eintauchen in eine bakterielle Lösung, wobei das Bodenbakterium „Agrobacterium tumefaciens“ als Transportmittel dient. Bei der stabilen Transformation wird die neue Erbinformation in das Pflanzengenom eingebaut, sodass alle Nachkommen die neue Information tragen und sich beliebig vermehren lassen.

Vorübergehende Genveränderung

Bei der transienten Transformation wird die Erbinformation nur temporär in die Pflanzenzellen eingeführt, ohne das Genom dauerhaft zu verändern. Diese Methode ermöglicht eine schnelle Produktion des Zielproteins, wobei die neuen Gene nicht an die Nachkommen weitergegeben werden.

Pflanzen als Zukunft der Arzneimittelherstellung

„Pflanzen bieten ein enormes Potenzial zur Herstellung therapeutischer Wirkstoffe und Impfstoffe“, betont Serrano. „Sie sind einfach anzubauen und benötigen nur Licht, Wasser und Nährstoffe.“ Molecular Farming könnte somit einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung zukünftiger Gesundheitskrisen leisten und die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln und Impfstoffen sichern.