Kommentar: Deutschland hängt mit der Digitalisierung hinterher. Das hat uns die Pandemie brutal vor Augen geführt. Ein Zufall ist das indes nicht. Die Verantwortlichen haben die Digitalisierung schlicht noch nicht verstanden. Das führt nun Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) allen eindrucksvoll vor Augen.

 


220 Millionen Euro investiert die Bundesregierung in die Unterstützung von Verlagen. Davon gehen knapp 60 Millionen Euro an Anzeigenblätter. Vereinsnachrichten, die auf Papier gedruckt werden und zusammen mit Werbebeilagen in Briefkästen gestoppt werden. In den Gesundheitsämtern mag die Bundesregierung im Fax-Zeitalter stehen geblieben sein. In ihrer Medienpolitik hat sie noch nicht einmal das erreicht.

Nun ist die Grundidee gar nicht mal verkehrt: Qualitäts-Nachrichten sind wichtig. Deswegen sollte die Gesellschaft sie fördern. Doch zum einen gibt es dafür schon den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und zum anderen müsste gezielt gefördert werden. Aber gezielt etwas zu tun, ist nicht gerade die Stärke des vierten Kabinetts Merkel.

Plump statt gezielt

Die „digitale Transformation“ will der Wirtschaftsminister fördern. Deswegen verschenkt er Geld an Zeitungen und Wochenblätter – und ausgerechnet digitale Medien bleiben außen vor. Das ist so unglaublich daneben, dass man den eigenen Kopf gar nicht mehr nutzen will, um das intellektuell aufzuarbeiten – sondern nur noch, um ihn gegen die nächst beste Wand zu schlagen.

Fördergelder für digitale Unternehmen? Steuererleichterungen für Startups? Weniger bürokratischer Aufwand gerade für Klein-Unternehmer? Gezielte, effektive Werkzeuge lässt Altmaier links liegen. Gezielt ist nicht sein Ding. Stattdessen wirft er plump Geschenke in den Raum. So plump, dass es selbst die Beschenkten anzweifeln.

Härtetest kommt noch

Der Härtetest für dieses Geschenk kommt noch. Dann wenn das Geld verteilt wird. Qualität fördern soll das Ziel sein. Nur gezielt ist halt nicht das Ding dieser Bundesregierung. Die Trennung in Print und Digital ist für Merkel, Altmaier und Scholz gleich bedeutend mit der Trennung in Qualität und Pöbel.

Doch das sagt mehr aus über die Rückständigkeit der Verantwortlichen als über die tatsächliche Qualität im Netz: T-Online erreicht längst mehr Leser als die Filzbacher Zeitungen zusammen. Das Finzdorfer Wochenblatt erscheint mit einem Titelblatt, das zu 90 Prozent aus einer Anzeige für ein Möbelhaus besteht, soll aber anspruchsvoller sein als Übermedien, Edition F oder die Riffreporter?

Wer das glaubt, besitzt die Digitalkompetenz von Regierungen, die in einer Industrienation das Fax-Gerät in Gesundheitsämtern als Kommunikationsstandort akzeptiert. Der beschenkt auch Zeitungsverleger und schließt Internetportale aus. Und der wird mit allem scheitern, was mit Digitalisierung zu tun hat. Und mit Zukunft. Weil er Zukunft nicht versteht.

Anekdote am Rande

Eine Geschichte am Rande ist: Das Geschäftsmodell der Zeitungen war durch Corona nicht beeinträchtigt. Papier zu Briefkästen bringen, konnten die Zusteller weiterhin und mit der höheren Nachrichtennachfrage ließen sich mehr E-Paper absetzen als vorher. Warum ihr Hilfspaket am Ende noch vor so manchen Hilfen für Wirte, Schausteller oder Fitnessstudio-Betreiber ausgezahlt werden könnte, muss Altmaier ihnen erklären.

Ach so. Im Klimanotstand befinden wir uns ja auch noch. Da ist es dann natürlich besonders sinnvoll, Produkte zu fördern, die auf tote Bäume gedruckt werden – und die Vermeidungsstrategie zu ignorieren. Aber wie gesagt: Dem intellektuell folgen will man irgendwann einfach nicht mehr.