Bild Elisabeth Kolz.
Bild Elisabeth Kolz.

Zukunftsfähig durchstarten, das haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer pandemiebedingt getan oder tun müssen. Entstanden sind zukunftsweisende Ansätze, was aus Krisen entstehen kann. Das macht Hoffnung, auch wenn wir aktuell in eine neue Krise geraten sind, die uns allen bewusst macht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Wir können dennoch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und Gutes voranbringen – hier vor Ort, in Europa und darüber hinaus.

In unserer mehrteiligen Serie „Zukunftspotenziale von Unternehmen in unserer Region“ zeigen die Interviewpartnerinnen und -partner wie sie trotz aller Herausforderungen, mit Tatkraft –immer wieder- zukunftsfähig durchstarten.


In dieser Folge haben wir mit Elisabeth Kolz, Geschäfsführerin vom E.U.L.E. e.V. in Mainz, über neue Formen der Zusammenarbeit und Zukunftstrends gesprochen

E.U.L.E. steht für „Erfahrung unterstützt lebendige Existenzgründung“. Der E.U.L.E. e.V. ist ein gemeinnütziger Verein der 1998 vom damaligen Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel und dem Mainz-Binger Landrat Claus Schick initiiert wurde. Auch Elisabeth Kolz hat damals bereits an dem Konzept mitgearbeitet. Von 1998 bis 2004 hatte Elisabeth Kolz die Geschäftsführung des Vereins als Angestellte inne. Anschließend machte sie sich, gemeinsam mit einigen Vorstandsmitgliedern, selbstständig und übernahm den Verein.

Auftrag des Vereins ist es, Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt als benachteiligt gelten, zu unterstützen. Dazu gehören alle benachteiligten Menschen, Frauen und Männer. Zudem ist die Beratung von Gründerinnen und Gründern fester Bestandteil der Vereinsarbeit, der auch über die Grenzen der Landeshauptstadt Mainz und des Landkreises Mainz-Bingen hinaus tätig ist.

Was hat sich in den vergangenen Jahren verändert durch die Pandemie und wie haben Sie als Verein das erlebt?

Besonders schlimm war es bei denen, die kurz vor der Pandemie in die Selbstständigkeit gestartet sind. Es hat aber auch viele hart getroffen, die zu dem Zeitpunkt erst drei bis fünf Jahre auf dem Markt waren und gerade expandieren wollten. Das war zu Beginn der Pandemie sehr schwer, weil viele einfach aus allen Wolken gefallen sind und sich neu sortieren mussten. In unseren Gesprächen mit den Menschen ging es daher in erster Linie darum, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, aber auch einen Kassensturz zu machen, um herauszufinden, wo sie finanziell stehen.

Ich habe mich dann besonders für Soloselbstständige sowie Gründerinnen und Gründer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft eingesetzt. Denn die ganzen Corona-Hilfsangebote waren zwar gut und schön aber bis sie bei den Menschen ankamen waren einige ja bereits am Ende. Da hat die Politik uns ganz schön auflaufen lassen als sie uns sagte, es gebe ja immer noch die Möglichkeit, Hartz IV zu beantragen. Natürlich war es gut, dass es diese Möglichkeit überhaupt gab und die Betroffenen Anträge stellen konnten. Auch dabei haben wir unterstützt. Die letzten zwei Jahre haben rückblickend für viele das Aus bedeutet. Das ist aber vielleicht auch ganz gut so, denn bevor man sich weiter in die Schuldenfalle begibt, ist ein Schlussstrich oft die bessere Lösung.

Aber vor allem Unternehmern, die bis zur Pandemie eine positive Geschäftsentwicklung beobachten konnten, haben wir immer wieder sehr viel Mut zugesprochen und ihnen gesagt sie sollen nicht aufgeben, sondern kreativ werden und weiter machen. Die Meisten von denen sind jetzt aktuell dabei, sich aus der Talsohle herauszuarbeiten. Das kostet Zeit und Geld aber wenn die wirtschaftliche Prognose positiv ist, dann macht das auch Sinn.

Diese ganzen Beratungen haben wir während der Pandemie kostenfrei und natürlich digital angeboten. Wir haben auch den Businesstreff, bei dem sich Unternehmerinnen und Unternehmer austauschen können, weiterhin veranstaltet, weil wir gemerkt haben, wie wichtig das für die Menschen ist.

Unsere Aufgabe und unsere Verantwortung nehmen wir schon sehr ernst. Es gibt beispielsweise aktuell auch Branchen, in denen eine Neugründung sehr schwierig ist, wie in der Gastronomie oder der Veranstaltungsbranche. Wenn jemand mit so einem Vorhaben zu uns kommt, raten wir ihm auch ganz klar davon ab und versuchen stattdessen andere Möglichkeiten aufzuzeigen. Wir nehmen die Verantwortung ernst und beraten müssen die Menschen bestmöglich Es gibt natürlich auch Branchen, die aktuell boomen, beispielsweise alles was mit Psychologie und Psychotherapie zu tun hat.

Für Sie als Verein gab es also gar keinen Lockdown?

Doch, den gab es, denn die Netzwerktreffen sind ja alle ausgefallen. Ich war vor der Pandemie an vier bis fünf Abenden in der Woche unterwegs, was dann plötzlich alles weggefallen ist. Das fehlt schon.

Man muss auch dazu sagen, dass es für uns etwas ganz anderes ist, die Menschen auf einmal digital und nicht mehr persönlich zu beraten. Dabei geht ja auch ein großer Teil der Mimik verloren. Natürlich haben wir uns da in der Zwischenzeit alle daran gewöhnt aber schön ist das nicht.

Weil in der Pandemiezeit weniger Menschen gegründet haben, gab es außerdem auch weniger Nachfrage nach unserem Beratungsangebot. Laut Statistiken ist die Zahl der Gründungen auf das Niveau von 2018 gefallen. Das ist nur logisch, denn viele gehen in diesen schwierigen Zeiten das Risiko einer Gründung nicht ein.

Mir war bereits ziemlich zu Beginn der Pandemie klar, dass es in einen Lockdown gehen wird. Somit war für uns der nächste Schritt, mittels eines Äquivalenzpapiers nachzuweisen, dass unsere Lehrmaterialien auch digital funktionieren. Ohne das hätten wir gar nicht weiter machen können. Ich habe dann auch direkt eine Zoom-Schulung gemacht, sodass das alles auch ganz gut funktioniert hat. Auch wir als Verein müssen natürlich mit den Veränderungen klar kommen, die wir von unseren Kunden erwarten.

Welche Veränderungen sehen Sie kurzfristig durch die Pandemie?

Kurzfristig geht es darum, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen. Das macht auch den unternehmerisch denkenden Menschen aus, die Fähigkeit, sich auf die Veränderungen einzustellen. Es hat keinen Sinn zu sagen wie schön die Zeiten vor der Pandemie waren, denn das ist jetzt vorbei und darauf muss man sich einstellen. Das tut natürlich weh aber es lohnt sich. Ich selbst erlebe immer wieder Unternehmen, die vorher wenig digital gearbeitet haben und sich durch die Pandemie umgestellt haben. Die sind jetzt wieder auf Kurs und konkurrenzfähig geblieben.

Bei der Umstellung auf diese neue Situation gibt es viele Hilfestellungen Seitens der Kammern oder anderen Institutionen. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wurden ja nicht komplett alleine gelassen. Und es ist doch klar, der Markt und die Nachfrage haben sich verändert und damit muss eben auch der Unternehmer seine Strategie verändern.

Was wird sich Ihrer Meinung nach langfristig durch die Pandemie verändern?

Die Digitalisierung wird uns auf jeden Fall erhalten bleiben, nachdem wir sie die letzten 25 Jahre verschlafen haben. Das digitale Zeitalter hat jetzt auch bei uns Einzug erhalten und das werden wir nicht mehr aufhalten können.

Es haben sich außerdem auch Strukturen in den Arbeitsweisen verändert, beispielsweise das Homeoffice. Auch das wird teilweise bleiben. Damit einher geht auch die veränderte Einstellung in den Köpfen der Menschen. Wir haben in Deutschland immer noch so eine Kontroll-Mentalität und Präsenzkultur in unserer Arbeitswelt. Dieses Muster ist jetzt auf einen Schlag weggebrochen und auch das wird bleiben.

Das Alles stellt auch andere Ansprüche an die Arbeitnehmer im Hinblick auf deren Einstellung. Sie müssen verstehen, dass sie selbst jetzt mehr in der Verantwortung sind. Vielleicht kommen wir dann weg von der Kontrollkultur hin zu einer Ergebniskultur. Die Leute müssen sehen, dass sie für einen Bereich verantwortlich sind und diesen auch erledigen müssen. Egal ob von 8:00 bis 15:00 Uhr oder von 12:00 bis 20:00 Uhr. Das erfordert natürlich ein Umdenken. Und wenn man als Unternehmen gute Mitarbeiter behalten will, die ihre Arbeit gewissenhaft machen, dann muss das Unternehmen seine Angestellten auch gut behandeln, sie vielleicht anders bezahlen und andere Anreize setzen.

Das sind Dinge, die sich nicht mehr zurück drehen lassen und ich halte das für sehr gut und wichtig. Es war schon lange an der Zeit, dass manche Strukturen in Deutschland aufgebrochen werden und es ist sehr spannend, diese Veränderung zu begleiten.

Ich wünsche mir für die Zukunft in Mainz, dass die bestehenden Netzwerkstrukturen am Leben erhalten bleiben und diese von den Gründerinnen und Gründern auch genutzt werden. Wir haben ein gutes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer, Strukturen, die seit fast 30 Jahren hier gewachsen sind.


Kommentar von Torben Anschau

Torben Anschau, Coach bei Restart

„Was es bedeutet, die Bedürfnisse von Gründerinnen und Gründern zu erkennen und sie in Krisen individuell zu unterstützen, zeigen die Erfahrungen von Elisabeth Kolz von E.U.L.E e.V.

Wir sind gespannt auf einen Wandel veränderter Unternehmenskulturen. In der Tat brauchen wir in vielerlei Hinsicht „ein Umdenken“.“

 

 


Über Restart

Sie sind selbständig oder haben ein kleines Unternehmen und stecken gerade auch mitten in Veränderungen oder Schwierigkeiten? Gerne sortieren wir mit Ihnen gemeinsam Ihre Fragen, Ideen und Themen und erarbeiten Wege, damit Sie (wieder) zukunftsfähig durchstarten können. Möchten Sie mitmachen? Sie erreichen das Team unter www.restart.vision, per Mail an restart@mki-ev.de oder telefonisch unter 06131 217 11 92.

Die Teilnahme an „Restart – zukunftsfähig durchstarten“ ist für Selbständige, Freiberufler/-innen und Kleinstunternehmen in Rheinland-Pfalz kostenfrei. Dies wird ermöglicht durch die Förderung im Rahmen der Arbeitsmarkt­initiative #rechargeRLP. Sie wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz aus Mitteln des EU-Hilfsprogramms REACT-EU über den Europäischen Sozialfonds (ESF) umgesetzt.