Alexander Schweitzer
Alexander Schweitzer

Zukunftsfähig durchstarten, das haben viele Unternehmerinnen und Unternehmer pandemiebedingt getan oder tun müssen. Entstanden sind zukunftsweisende Ansätze, was aus Krisen entstehen kann. Das macht Hoffnung, auch wenn wir aktuell in eine neue Krise geraten sind, die uns allen bewusst macht, dass Frieden und Freiheit nicht selbstverständlich sind. Wir können dennoch gemeinsam die Ärmel hochkrempeln und Gutes voranbringen – hier vor Ort, in Europa und darüber hinaus.

In unserer mehrteiligen Serie „Zukunftspotenziale von Unternehmen in unserer Region“ zeigen die Interviewpartnerinnen und -partner wie sie trotz aller Herausforderungen, mit Tatkraft –immer wieder- zukunftsfähig durchstarten.

In unserer letzten Folge haben wir mit dem rheinland-pfälzischen Arbeitsminister, Alexander Schweitzer, über die Veränderungen bei Unternehmen in Rheinland-Pfalz gesprochen.

Alexander Schweitzer ist seit 1989 Mitglied bei der SPD Rheinland-Pfalz. Seit 2013 ist Schweitzer Mitglied des Landtages und seit dem Jahr 2021 hat er das Amt des Staatsministers im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz inne.

Wie haben Sie die vergangenen zwei Jahren bei den Unternehmen in der Region erlebt? 

Wenn man sich die Lebenszeit aller Unternehmen anschaut, besonders im kleinen und mittleren Unternehmensbereich, dann war die Pandemie wohl die dramatischste Entwicklung, die sie erlebt haben. Noch dramatischer als die Gründungsphase, die von Umbrüchen und Herausforderungen geprägt ist und noch dramatischer als Refinanzierungsphasen und Umbruchphasen. Die Pandemie war etwas, das über die Unternehmen gekommen ist wie ein Betonsturz, denn sie haben nicht selbst dazu beigetragen, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert hat. Das konnte also nicht ihrem eigenen Tun angelastet werden. Vielleicht waren sie sogar mit viel Tempo und voller Kraft am Markt unterwegs und ganz plötzlich kam das Wirtschaftsleben in ihrem Bereich zum Stillstand. Das ist etwas, das für die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer viel schwerer zu verstehen und anzunehmen war, als für viele andere. Denn vor allem der Typus Unternehmer krempelt oft die Ärmel hoch, organisiert seine eigene Perspektive und nimmt Herausforderungen an. Und genau an dieser Stelle waren die klassischen Möglichkeiten von Unternehmern, sich selbst aus eigener Kraft heraus zu entwickeln, einfach limitiert.

Deshalb war es gut, dass Politik und Staat die Aufgabe angenommen haben, diese Unternehmen zu unterstützen, beispielsweise durch unmittelbare Hilfen von Bund und Ländern, durch Finanzierungsunterstützung aber auch durch das gute Coaching, das wir als Arbeitsministerium auf den Weg gebracht haben.

Als Arbeitsministerium war es uns wichtig, dazu beizutragen, die Menschen zu unterstützen. Dabei haben wir einerseits die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick gehabt, aber auch die Unternehmerinnen und Unternehmer, deren Interessen und persönliche Lebensrealität gar nicht weit entfernt ist von denen ihrer Beschäftigten. Auch sie müssen sich mit dem was sie können und ihren Qualifikationen jeden Tag neu beweisen. In Rheinland-Pfalz haben wir daher den ESF-Förderansatz „ReStart – Coaching für Selbständige“ auf den Weg gebracht, um die Menschen zu unterstützen. Insgesamt sind das 13 einzelne Projekte, die wir mit einem Gesamtvolumen von fast 4 Millionen Euro landesweit ermöglicht haben. Ziel ist es, dass insbesondere Selbstständige neue Perspektiven bekommen, ihre Skills verbessern, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit ihren Angestellten, Partnerinnen und Partnern sowie Kundinnen und Kunden entwickeln und neue Technologien für sich entdecken. Das bedeutet, dass sie fast schon in eine neue Gründungssituation kommen und am Ende im Idealfall sogar gestärkt aus der Krise hervorkommen.

An welchen Stellen wurden die Veränderungen ganz besonders deutlich? 

Das habe ich persönlich genauso gemerkt wie alle anderen auch, wenn man plötzlich in seiner eigenen Lebensführung eingeschränkt ist, weil ein Kontaktverbot das Gebot der Stunde ist. Das ist mit dem privaten Leben schon kaum vereinbar, aber für viele Unternehmen ist das eine Existenzfrage, weil sie darauf angewiesen sind, dass Menschen in Kontakt kommen. Beispielsweise in der Gastronomie oder auch bei vielen Dienstleistungen kann man das Geschäft kaum bis gar nicht virtuell abwickeln. Das war eine Herausforderung, vor der viele Unternehmerinnen und Unternehmer sehr schnell standen. Je nachdem in welcher Branche man tätig ist, waren da einige besser und einige schlechter vorbereitet, aber alles in allem war das wirklich eine dramatische Herausforderung.

Gleichzeitig erlebe ich, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer mit der gleichen Motivation, mit der sie ihr Unternehmen bislang geführt haben, auch diese Herausforderung angenommen haben. Viele haben improvisiert, organisiert, die Kompetenzen ihrer Beschäftigten genutzt und diese Herausforderung gemeistert. Das Spannende ist, dass auch viele Unternehmen einmal mehr gemerkt haben, wie stark sie sind und wie viel Potential in ihnen steckt. Dadurch sind zum Teil neue Geschäftsfelder entstanden und man hat neue Wege gefunden, die Kundschaft an sich zu binden.

Welche Entwicklungen sehen Sie kurzfristig in den kommenden Monaten? 

In die Zukunft zu blicken, ist immer schwer, aber ich nehme schon jetzt wahr, dass wir eine Veränderung in Unternehmensstrukturen haben. Viele Unternehmen haben es nicht geschafft, sich am Markt zu behaupten. Viele andere haben aber neue Kraft geschöpft und Ideen sowie Perspektiven entwickelt. Die klassischen Kompetenzen von Gründerinnen und Gründern, nämlich Einsatz, Kreativität und Kundennähe, setzen sich weiterhin durch. Ebenfalls positiv sehe ich, dass es in der Politik eine stärkere Wahrnehmung für die Bedürfnisse von Unternehmenden gibt. Ich würde mir wünschen, dass das noch verstärkt wird, denn die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer sind in einer täglichen Balance zwischen Existenzkampf und Engagement. Ich hoffe, dass Unternehmen und Politik diese Nähe, die sie zueinander entwickelt haben, nach der Pandemie nicht verlieren.

Auf der technologischen Seite denke ich, dass wir durch die Pandemie in eine neue, sehr dynamische Lernerfahrung geworfen wurden, was die Digitalisierung angeht. Und als Digitalisierungsminister kann ich natürlich nicht unglücklich darüber sein, dass die Unternehmenden festgestellt haben, dass die Digitalisierung vieles erleichtert, wie beispielsweise die Kommunikation. Viele möchten diese Entwicklung auch nicht mehr missen.

Die Unternehmen erleben in den letzten zwei Jahren auch eine starke Transformation. Viele haben sich neu aufgestellt und verändert und haben damit eine unfreiwillige Transformation erlebt, in der sie sich aber oftmals bewährt haben. Wir haben als Transformationsministerium ein großes Interesse daran, dass die Menschen, sowohl Angestellte als auch Unternehmer, diesen Wandel für sich so erleben, dass sie immer wieder neue persönliche Chancen zur Entfaltung am Arbeitsmarkt wahrnehmen. Wir wollen die Menschen mit Hilfe von Qualifizierungen ertüchtigen, sich selbst zu organisieren. Unternehmenden geben wir die Möglichkeit, sich durch ReStart und durch andere Programme in dieser neuen Welt zu behaupten. Denn am Ende wollen wir, dass in Rheinland-Pfalz alle Gewinner der Transformation werden. Für mich ist die Transformation ein weiteres Kapitel, in dem wir am Ende zeigen werden, dass wir aus einer Herausforderung stärker herausgehen, als wir hineingegangen sind.

Würden Sie sagen, dass die Flüchtlinge, die aktuell aus der Ukraine kommen auch eine Chance sind, den aktuellen Fachkräftemangel in Deutschland in den Griff zu bekommen?

Ich glaube nicht, dass die Menschen, die hier mit einer Decke um die Schultern und Kindern an der Hand ankommen dazu da sind, unsere Fachkräfteengpässe der letzten Jahre zu beseitigen. Das ist mir immer wichtig zu sagen, denn die Menschen, die kommen, mussten aus ihrer Heimat fliehen – vor Bomben, aus Angst um ihre Kinder und ihre eigene Existenz.

Gleichwohl fürchte ich, dass viele Menschen länger bleiben müssen, als sie sich das selbst vorstellen können. Und dann sollten sie auch Chancen auf unserem Arbeitsmarkt haben. Das hat Auswirkungen, auf die wir uns gut vorbereiten müssen. Ich habe deshalb als Arbeitsminister früh zu einem „Arbeitsmarktgipfel Ukraine“ eingeladen. Dabei waren unter anderem Vertreterinnen und Vertreter der Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen und Weiterbildungsträger und natürlich von der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter. Gemeinsam haben wir eine „Chancengarantie“ vereinbart. Dahinter steht das Bekenntnis der Partnerinnen und Partner, die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle Geflüchteten, die bereit sind den Schritt in die Arbeitsmarktintegration zu tun, auch jede Chance und Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Das geht beispielsweise über eine Qualifikation, berufliche Anerkennung, eine Sprachzertifizierung, qualifizierte Praktika oder eine Ausbildung. Der Arbeitsmarkt in Rheinland-Pfalz ist extrem stark, sodass wir die Menschen aufnehmen und ihnen eine Chance geben können, sich selbst zu entwickeln.

Mir ist aber auch wichtig, dass die Menschen hier erstmal gut ankommen und Unterstützung erhalten. Wenn es dann so weit ist, müssen wir Jobperspektiven für die Menschen entwickeln. Denn niemand braucht einen Job, wo es vorne und hinten nicht passt, sowohl für das Unternehmen, als auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wenn jemand beispielsweise in seinem Land Chirurg war und dann hier in Deutschland Taxi fährt, dann passt das nicht. Taxifahrer ist ohne Frage ein ehrbarer Beruf, aber Ärzte können wir in Deutschland auch gut gebrauchen. Deshalb ist mir wichtig, dass das gut organisiert wird und am Ende die Jobs zu den Menschen und die Menschen zu den Jobs passen.


Kommentar von Anke Schiffer-Chollet

Anke Schiffer-Chollet, Coach bei Restart

„Arbeitsminister Alexander Schweitzer attestiert Unternehmerinnen und Unternehmern nicht nur Einsatzbereitschaft, Kreativität und Kundennähe, sondern auch die Stärke, Veränderungen tatkräftig anzugehen, gerade auch wenn es schwierig wird. Dieser Einschätzung können wir uns nur anschließen!

Wir danken allen Interviewpartnern und -Partnerinnen für die vielseitigen Einblicke und Ausblicke in unsere gemeinsame Zukunft.“

 


Über Restart

Sie sind selbständig oder haben ein kleines Unternehmen und stecken gerade auch mitten in Veränderungen oder Schwierigkeiten? Gerne sortieren wir mit Ihnen gemeinsam Ihre Fragen, Ideen und Themen und erarbeiten Wege, damit Sie (wieder) zukunftsfähig durchstarten können. Möchten Sie mitmachen? Sie erreichen das Team unter www.restart.vision, per Mail an restart@mki-ev.de oder telefonisch unter 06131 217 11 92.

Die Teilnahme an „Restart – zukunftsfähig durchstarten“ ist für Selbständige, Freiberufler/-innen und Kleinstunternehmen in Rheinland-Pfalz kostenfrei. Dies wird ermöglicht durch die Förderung im Rahmen der Arbeitsmarkt­initiative #rechargeRLP. Sie wird durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz aus Mitteln des EU-Hilfsprogramms REACT-EU über den Europäischen Sozialfonds (ESF) umgesetzt.