Nachrichten Wiesbaden | Arbeiter stießen bei Bauarbeiten an der neuen Gashochdruckleitung der ESWE Versorgung am „Unteren Zwerchweg“ in Wiesbaden auf mehrere fossile Tierknochen. In neun Metern Tiefe hatten sie die Knochen freigeschaufelt. Die Funde wurden gesichert und in die zuständige Abteilung hessenARCHÄOLOGIE des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen verbracht. Dort wurden sie durch die Paläontologische Denkmalpflege begutachtet.


2 Tonnen schwer und 3,5 Meter lang

In der Zwischenzeit wurde festgestellt, dass es sich unter anderem um die Knochen eines Urzeit-Rindes sowie eines hirschartigen Tieres handelt. Es wurde allerdings noch ein größerer Fund gemacht. Dabei handelte es sich um einen Oberarmknochen eines ausgestorbenen Nashorns (vermutlich eines Wollnashorns). Das Nashorn war rund 2 Tonnen schwer und 3,5 Meter lang. Es besaß ein dichtes Fell.

„Vor 22 Millionen Jahren existierte dort ein Meer“

„An der Fundstelle treffen zwei geologische Schichten aufeinander“, erklärt Archäologe Lorscheider. „Eine mit Kalken aus dem Mainzer Becken; vor 22 Millionen Jahren existierte dort ein Meer, in dem Robben und Haie schwammen. Über dieser Kalkschicht lagern die sogenannten Moosbach-Sande, die ungefähr 600.000 Jahre alt sind. Sie sind weltweit bekannt als Fundort für Großsäuger. Darin eingebettet lag auch der Wollnashorn-Knochen.“

Der Boden am Fundort ist so mit Calciumcarbonat gesättigt, dass er keinen weiteren Kalk abbauen kann. Deshalb ist das Oberarm-Fragment noch gut erhalten und wurden zeitnah mit Kunstharz stabilisiert.



Dr. Jan Bohatý, Leiter der Paläontologischen Denkmalpflege in Hessen dazu

„Für uns ist es wichtig, dass wir bei solchen Entdeckungen sofort informiert werden. Nur so können entsprechende Bodenfunde sachgerecht behandelt werden“, erklärt Dr. Jan Bohatý, Leiter der Paläontologischen Denkmalpflege in Hessen. „Es gibt Bauleiter, die Angst haben, dass ein paläontologischer oder archäologischer Fund ihr Projekt auf unabsehbare Zeit verzögert. Aber wir arbeiten gut und eng mit der Stadt und unterschiedlichen Unternehmen zusammen. Wir sind schnell, und uns geht es vor allem darum, die Funde zu dokumentieren. Sonst gehen möglicherweise wichtige Erkenntnisse für immer verloren.“

Knochen, wie das Fragment des Wollnashorns, gelten als bewegliche Bodendenkmäler. „Ein Blick in unsere Zukunft funktioniert nicht ohne den Blick in die Vergangenheit und auf die fossilen Hinterlassenschaften vergangener Epochen. Geologische Ablagerungen, wie sie zum Beispiel durch Bauvorhaben aufgeschlossen werden, sind wie ein Buch, in dem wir lesen können“, sagt Dr. Bohatý. „In einer Großstadt können wir selten so tief in die Erde schauen, wie es hier der Fall war. Ein solcher Fund kann als weiteres Puzzle-Teil viele Fragen beantworten – zum Beispiel auch, wenn es um ehemalige Klimaveränderungen und die entsprechende Reaktion der prähistorischen Lebewelt geht; nur so werden entsprechende Zukunftsszenarien deutbar.“

Knochenfunde sind Eigentum des Landes Hessen

Die Knochenfunde sind Eigentum des Landes Hessen und als solches mit Inventarnummern erfasst. Der ESWE Versorgung wurden sie nun als Dauerleihgabe überlassen. „Die Stücke werden bei uns in eigens dafür angeschafften Vitrinen ausgestellt“, erzählt Jörg Höhler, Vorstandsmitglied der ESWE Versorgungs AG. „Informationen über die Grabung, den Fundort und das Wollnashorn haben wir auf Tafeln zusammengestellt. So können wir die Knochen der Öffentlichkeit präsentieren, etwa in unserem ESWE Energie CENTER, im Atrium unseres Verwaltungsgebäudes oder auf Messen. Schließlich zeigt der Fund auch, wie spannend unsere Arbeit sein kann.“