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Saarbrücken. Das Saarland hat eine Kooperation mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgeschlossen. Die drei Länder verpflichten sich, 2000 Gräber von jüdischen Mitbürgern zu pflegen, die 1940 nach Südfrankreich deportiert wurden. Die Kulturminister der Länder haben sich vorgenommen, die jüdische Friedhofskultur zu erhalten.

Der deutsche Völkermord an den Juden fand in verschiedenen Schritten statt. Erst mit der Wannseekonferenz im Januar 1942 beschloss das NS-Regime die „Endlösung“, also den systematischen Mord an den Juden in Deutschland und in den im Krieg eroberten Ländern. Davor fanden neben anderen Repressalien Deportationen statt, um das Reich „judenfrei“ zu machen, sprich die Betroffenen aus ihrer Heimat zu verbannen.

Eine solche Deportation fand am 22. und 23. Oktober 1940 statt. Rund 6700 Menschen aus Baden, dem Saarland und dem heutigen Rheinland-Pfalz wurden zwangsweise nach Südfrankreich umgesiedelt – 150 Menschen davon stammten aus dem Saarland, 5650 aus Baden und 900 aus Rheinland-Pfalz.

Die Betroffenen mussten innerhalb weniger Stunden ihre Häuser verlassen und wurden mit insgesamt neun Zügen nach Gurs gebracht, ein Dorf am Rande der Pyrenäen. Das Lager dort war ursprünglich für Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkriegs gedacht. Es bestand aus simplen Holzbaracken. Viele der dort Untergebrachten starben schon im ersten Winter.

Sie wurden auf dem Lagerfriedhof beerdigt. Andere Deportierte wurden in Außenlager, zum Teil weit von Gurs entfernt, weitergebracht und starben dort oder auf dem Weg dorthin. Überlebende wurden schließlich in die Vernichtungslager verschleppt und ermordet, nur wenige der Jüden aus Baden, Rheinland-Pfalz und dem Saarland kehrten in ihre Heimat zurück.

Zeichen gegen erstarkenden Antisemitismus

„Gerade in Zeiten eines erstarkenden Antisemitismus muss es uns ein besonderes Anliegen sein, die Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes, an die über 6.000 nach Gurs deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger, wachzuhalten“, sagt Baden-Württembergs Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann, deren Ministerium die Arbeiten auf den französischen Friedhöfen und die Gedenkstättenarbeit koordiniert.

Rund 2000 Gräber sind noch erhalten. Einige davon befinden sich in schlechtem Zustand. Die drei Länder wollen in der Pflege künftig eng zusammenarbeiten. Derzeit finden Arbeiten auf drei der über 30 Friedhöfe statt, auf denen noch Gräber von deportierten Juden vorhanden sind. „Unser Ziel ist, dass kein Grab aufgelassen wird und alle Gräber in einem würdigen, der jüdischen Begräbniskultur entsprechenden Zustand sind“, so Bildungsminister Ulrich Commerçon aus dem Saarland.

Auf dem kommunalen Friedhof von Portet-sur-Garonne beispielsweise, einer Gemeinde in der Nähe von Toulouse, werden derzeit 246 Gräber neu gestaltet und mit hochwertigen Granitplatten versehen. Die Arbeiten werden den Vorgaben jüdischer Sachverständiger entsprechend ausgeführt. „Nach und nach werden wir die Situation auf den anderen Friedhöfen erfassen. Dabei werden wir von den französischen Behörden, auch von der Zentralregierung in Paris, gut unterstützt“, berichtete der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Prof. Dr. Konrad Wolf in Karlsruhe. „Es ist uns eine Verpflichtung, den Opfern würdige Grabstätten zu erhalten. Diese Grabmale sind auch Mahn- und ‚Nachdenkmale‘, die uns erinnern, wohin Ausgrenzung und das Schüren von Hass geführt haben und auch heute noch führen können“, ergänzte Wolf.

Deutsche Botschaft vermittelt Kontakte

„Ich begrüße es sehr, dass sich die drei Bundesländer hier engagieren“, sagte der deutsche Botschafter in Frankreich, Dr. Nikolas Meyer-Landrut, bei der Unterzeichnung der Vereinbarung. Der Bund unterstütze dieses Engagement und stelle die notwendigen Kontakte zu den französischen Behörden her. „Als ich kürzlich in Gurs war, konnte ich mich überzeugen, wie viele öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure bemüht sind, die Erinnerung an die Deportierten wachzuhalten“, ergänzte Meyer-Landrut. Den geplanten Bau eines neuen Dokumentationszentrums am Rande des ehemaligen Lagers verfolge er aufmerksam.

Bei der Pflege des ehemaligen Lagerfriedhofs bringen sich die Städte, aus denen die Menschen 1940 nach Gurs deportiert worden waren, in besonderem Maße ein. „Uns ist es ein Anliegen, dass sich vor allem junge Menschen mit der Geschichte dieses Ortes auseinandersetzen können“, sagte Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup, dessen Stadtverwaltung die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs koordiniert, in der Städte und Kommunen zusammengeschlossen sind, aus denen 1940 Bürgerinnen und Bürger deportiert wurden. Die Initiative hierfür war im Jahr 1957 vom Karlsruher Oberbürgermeister Günther Klotz ausgegangen.