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Nachrichten Wirtschaft | Die Bundesregierung will mit einem insgesamt 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket die Folgen der Corona-Krise bekämpfen. Davon werden 25 Milliarden Euro bereitgestellt, um kleine und mittelständische Unternehmen zu retten die durch die Krise in eine Notlage gerieten. Das Geld soll als Überbrückungshilfe für Einnahmeausfälle in den Monaten Juni bis August dienen. Doch vielen Reisebüros ist damit nicht geholfen. Boost your City hat darüber mit Anke Budde gesprochen, die selbst ein Inhabergeführtes Reisebüro besitzt und Verbandsvertreterin der Allianz Selbstständiger Reiseunternehmen – Bundesverband e.V. ist.


Viele Veranstalter zahlen erst bei Reiseantritt die Provision

„In der Touristik ist das so, wir als Reisebüros bekommen ja Provisionen für Reisen, die wir vermittelt haben. Und wir mussten jetzt aufgrund von Corona alle Reisen seit Mitte März und – je nach Zielgebiet – bis Mitte August stornieren. Dafür bekommen wir dann auch keine Provision vom Veranstalter. Denn dieser ist laut dem Gesetz Paragraph 651 HBGB gezwungen, dass er 100 Prozent des Reisepreises an den Kunden erstatten muss, da der Kunde nicht reisen kann. Jetzt haben die Reisebüros keinen Anspruch mehr auf die Provision, denn in den meisten Fällen ist es so, dass man die Provision erst erhält, wenn der Kunde die Reise angetreten hat.“, erklärt Anke Budde. „Das heißt, es gibt eine gesamte Branche, die rückwirkend alle Zahlungen rückabwickeln musste. Da man Reisen ja auch einige Zeit vorher bucht, arbeiten wir quasi alle seit etwa November schon umsonst. Das betrifft Reisebüros und Veranstalter.“

Reisebüros können in Zukunft die Provisionen, welche sie Kunden wegen Corona bedingter Stornierungen zurück zahlen mussten, als Fixkosten geltend machen und bekommen sie anteilig erstattet. Dabei wurden aber einige Dinge nicht bedacht, weshalb die Hilfen völlig am Bedarf der Branche vorbei gehen, kritisiert Anke Budde.

Viele Reisebüros erfüllen die Anforderungen nicht

„Da geht es schon bei Punkt eins los: Man darf sich zuvor nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden haben. Das ist eine Grundvoraussetzung, dass man diese Überbrückungshilfen überhaupt beantragen darf. Da haben wir schon das erste große Problem. Denn es gibt quasi kein Reisebüro, dass sich nach der Thomas Cook-Pleite im letzten Jahr nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat. Je nachdem wie hoch der Thomas Cook Anteil war, kann das sehr deutlich zu Buche schlagen. Ich habe hier Kollegen, die Verluste im mittleren fünfstelligen Bereich gemacht haben. Das heißt die meisten erfüllen schon mal diese einfache Voraussetzung nicht.“

Die meisten Provisionen sind gar nicht im Papier erfasst

„Außerdem steht in dem Papier, dass man nur die im Voraus gezahlten Provisionen als Betriebsausgaben geltend machen kann. Das ist total schön aber wie ich eben schon erwähnt hatte, zahlen die meisten Veranstalter erst bei Reiseantritt des Kunden. Es gibt wenige Ausnahmen, aber rund 70 Prozent und gerade die kleinen und inhabergeführten Reisebüros bekommen die Provision erst bei Reiseantritt. Das Geld fällt dann auch komplett raus. Da gibt es aber mittlerweile einen Antrag von der CDU ans Wirtschaftsministerium, dass man das ändert, damit alle verloren gegangenen Provisionen auch erfasst werden.“, so die Reisebüro-Inhaberin.

Mehraufwand an Personal durch längere Beratungszeiten

„Man kann beispielsweise laut dem Papier auch Personalkosten mit 10 Prozent geltend machen. Nun haben wir ja aber die undifferenzierten Meinungsäußerungen von Herr Maas, der durch die Gegend rennt und sagt, dass es keine Rückholaktionen mehr gibt und teilweise auch für Länder mit niedrigen Infektionszahlen noch Reisewarnungen ausgesprochen werden. Dadurch haben wir natürlich jetzt einen enorm erhöhten Beratungsaufwand. Im Schnitt braucht man aktuell pro Kunde anderthalb Stunden länger für eine Beratung als gewöhnlich. Diese Kosten müssen wir bestreiten, haben dann aber erstmal noch immer keine Einnahmen. Von daher sind die 10 Prozent völlig an der Realität vorbei, genauso wie das ganz Papier.“, erklärt Anke Budde abschließend.