Luxemburg. Jochen Pützenbacher ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Bekannt und geliebt war der Solinger als gut gelaunter Radio-Moderator. Doch er gehörte auch zu einer Truppe, die Anfang der 80er Jahre das deutsche Fernsehen revolutionierte.

Die Revolution begann am 2. Januar 1984. Aus Luxemburg sendete „RTL plus“, wie der Sender damals hieß, Privatfernsehen – einen Tag zuvor war SAT1 an den Start gegangen. Dass daraus einmal die größte Erfolgsgeschichte im deutschen Fernsehen werden würde, war da noch nicht absehbar.

Denn RTL fehlte es anfangs an allem. Vor allem an Zuschauern. Das Kabelnetz war erst mangelhaft ausgebaut. Sodass vor allem die Nachbarn aus dem Saarland über Antenne zu den Zeugen der ersten Stunde wurden. Dem jungen Sender fehlte aber auch Geld – und vor allem Filme.

Aussichtslose Lage

Auf diesen saß der Film-Mogul Leo Kirch. Und der unterstützte das in Ludwigshafen beheimatete Kabelprojekt. Für die wenigen Fans von RTL hatte das Folgen: Das Fernsehheft brauchten sie nicht. Denn die angekündigten Filme konnten die Luxemburger oft nicht zeigen, mussten mehrfach am Tag Änderungen des Programmplans ankündigen. Die Lage schien aussichtslos.

Dass es dennoch klappen konnte, lag an Pionieren wie Jochen Pützenbacher. RTL setzte auf die Leute, die bisher für den Sender Radio machten. Und die wiederum bauten auf ihre Stärken. So kopierten die Kabelpioniere das Schema, das sie kannten: Ein DJ führt durchs Programm, plaudert, kündigt den nächsten Beitrag an, plaudert und so weiter. So ging es werktags von 17.30 bis 22.30 Uhr.

Die erste Erfolgssendung von RTL war denn auch das Testbild. Als Fernsehsender waren die Luxemburger noch vielen suspekt – als Radiosender aber eine Marke. Da der Ton des Radiosenders dem Testbild hinterlegt war, hatten Kabelempfänger in Hannover erstmals die Chance, den Sender zu empfangen, der deutlich innovativer als die öffentlich-rechtlichen Radioformate jener Tage war. Das reichte schon für die beste Quote. Denn die privaten Moderatoren waren besser.

Steife öffentlich-rechtliche Moderatoren

Die Moderatoren der öffentlich-rechtlichen Sender moderierten damals mit einem Stock, der sich längs durch den Rücken zog – und mit drei Querstöcken, die den anderen stabilisierten. RTL-Moderatoren waren cool. Jochen Pützenbacher war cool. Er plauderte, scherzte, aber er konnte auch umschalten: Als ein Kind anrief, das sich sorgte, weil es zu einer schwierigen Operation ins Krankenhaus musste, tröstete es Pützenbacher auf eine Weise, die den Zuschauern das Wasser in die Augen trieb.

RTL machte den Nach- zum Vorteil, das Chaos zum Programm. Die Moderatoren waren so kreativ, wie der Sender später nie wieder sein durfte. Im Radio hatte Pützenbacher das Reisequiz „Ein Tag wie kein anderer entwickelt“. Das übertrug er nun aufs Fernsehen – und es wurde die erste abendtragende Show des jungen Senders.

Pützenbacher wurde in Solingen geboren. Nach Stationen als Friseur, Maskenbildner und Berufsschullehrer begann er 1970 bei RTL-Radio. Drei Jahre später machte der damalige Programmdirektor Frank Elstner ihn zum Chefsprecher. Später wurde Pützenbacher Unterhaltungschef.

RTL wandelte sich später zu dem, was es heute ist: Effektiv und professionell, aber auch kalt und risikoscheu: Eher auf die xte Staffel eines Erfolgsformats setzen, als etwas Neues zu riskieren. Pützenbacher passte da schnell nicht mehr dazu. Immerhin wurde er mit einem „Ehrenlöwen“ verabschiedet. Was aber viel wichtiger ist: Die Fans der ersten Stunde werden ihn nicht vergessen.