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Gerichte haben europaweit Corona-Maßnahmen wieder aufgehoben: In Bayern dürfen nun Schuhgeschäfte wieder öffnen, in Wien können Demonstrationen nicht einfach untersagt werden und in Belgien hat ein „kort geding“-Richter nun die geltenden Corona-Einschränkungen als unrechtmäßig erklärt – die Regierung hat dort vier Wochen Zeit, sie aufzuheben oder rechtssicher zu machen. Grundsätzlich bemängeln die Gerichte die rechtlichen Grundlagen für die Corona-Maßnahmen.


Im belgischen Recht sind „kort geding“-Verfahren vorgesehen. Es ist eine Variante dessen, was in Deutschland als Eilverfahren gilt. In einem kort geding hat in Brüssel nun ein Richter die in Belgien geltenden Corona-Maßnahmen für unrechtmäßig erklärt. Für Maskenpflicht, Ausgangssperren oder Kontaktbeschränkungen fehle demnach die Rechtsgrundlage. Die belgische „Liga für Menschenrechte“ hatte im Februar geklagt. Ein Ziel war es nach eigenen Angaben der Organisation, die parlamentarische Debatte wieder in den Mittelpunkt zu stellen.

Wie die flämische Zeitung De Standaard berichtet, hat Innenministerin Annelies Verlinden nun einen Einspruch gegen das Urteil angekündigt. Sie gehört den flämischen Chrisdemokraten der CD&V an.

Bayerische Schuhgeschäfte wieder offen

Der Verwaltungsgerichtshof des Landes Bayern hat entschieden, dass ab diesem Donnerstag Schuhgeschäfte wieder öffnen dürfen. Ein Händler aus Schweinfurt hatte darauf geklagt, wie unter anderem der Spiegel berichtete. In Bayern sind Geschäfte des Einzelhandels geschlossen, die nicht zur Grundversorgung gehören.

Diese Regelung respektierte das Gericht grundsätzlich, befand aber: Wenn Buchhandlungen, Bau- und Gartenmärkte oder Versicherungsbüros als Grundversorgung behandelt würden, dann sei das auch auf Schuhgeschäfte anzuwenden – schließlich seien Schuhe fürs Berufsleben, den Alltag und den Sport notwendig.

Vorerst gilt diese Regelung nur für Bayern. Der Kläger hofft allerdings auf eine Vorbildwirkung. Zumal jetzt eine Rechtsmeinung zu diesem Thema vorliege.

Demo-Verbote in Wien unrechtmäßig

Das Wiener Verwaltungsgericht hat das Verbot mehrerer für den Januar angemeldeten politischen Versammlungen als unrechtmäßig verurteilt, wie unter anderem Der Standard berichtete. Die Landespolizeidirektion hatte diese auch mit der Begründung untersagt, dass viele der rund 2000 erwarteten Teilnehmer sich nicht an die Hygieneauflagen halten würden – und stützte sich damit auf Erfahrungen aus Medienberichten.

Das Gericht bewertete diese Begründung als nicht ausreichend. Auch dass in den staatlichen Stellungnahmen Begriffe wie „Fallzahlen“, „Testergebnisse“ oder „Fallgeschehen“ zu sehr „durcheinandergeworfen“ worden seien. Das werde, so das Gericht, einer wissenschaftlichen Beurteilung der Seuchenlage nicht gerecht. Auch zweifelte das Gericht die Aussagekraft von PCR-Tests grundsätzlich an.

Harsche Kritik an Verordnung

Schon vor drei Wochen hat das Ludwigsburger Amtsgericht die Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg als verfassungswidrig erklärt, wie die Ludwigsburger Kreiszeitung berichtete. Es ging um ein Verfahren, in dem einem Angeklagten vorgeworfen worden war, gegen die Abstandsregeln verstoßen zu haben. Das Gericht sprach ihn frei.

Wobei die Ludwigsburger Kreiszeitung die Begründung des Urteil als „Generalabrechnung mit der Corona-Verordnung“ bezeichnete. Die zuständige Richterin kritisierte, dass kein Parlament darüber entschieden habe. Auch sei vieles nicht ausreichend definiert – etwa wo welche Regelung nun genau gilt. Obendrein bemängelte die vielen Änderungen der Verordnung. Es sei von Bürgern nicht mehr erwartbar, alle Regeln des jeweiligen Tages zu kennen. „Mit den Grundsätzen der Gefahrenabwehr hat dies nichts mehr gemein“, heißt es im Urteil. Auch sei es ein zu starker Eingriff in Grundrechte.

Wie sich das Ludwigsburger Urteil auf die weitere Rechtsprechung auswirkt, ist unklar. Gerichte in anderen Ländern oder in höheren Instanzen können anders urteilen. Es handelt sich somit nur um eine Rechtsmeinung. Die ist allerdings in dem betreffenden Fall rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat das Urteil akzeptiert.