Die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben einen Vorgeschmack auf das Wahljahr 2021 gegeben. Sowohl in den äußeren Umständen als auch als Thema wird es von einem Virus beherrscht. Wobei die Analytiker ihn unterschiedlich interpretieren.

Die Regierenden sind wiedergewählt worden. Das zeige, dass die Bürger grundsätzlich zufrieden sind mit der Corona-Politik. Zumal der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wie er selbst Befürworter eines harten Kurses war. Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder ist die Lage am Tag danach eindeutig: Die Wahlen haben ihn bestätigt.

Söder folgt damit dem Ersten Gesetz der Wahlanalyse: Die Ergebnisse geben immer dem recht, der sie analysiert. Die zweite Regel lautet: Aspekte, die dem nicht entsprechen, lässt man weg. So wie Söder auslässt, dass Dreyer vorangeschritten ist mit Öffnungen – und auch eindrucksvoll im Amt bestätigt wurde.

Erschwerte Prognosen

Doch gerade diese Wahlanalyse nötigt zum genauen Hinsehen: So waren in Rheinland-Pfalz mit FDP, AfD und Freien Wähler in der Prognose die Parteien stärker als im Endergebnis, die in unterschiedlicher Weise für eine andere Corona-Politik stehen. Dazu muss man wissen, dass die Prognose durch Umfragen zustande kommen, die Demoskopen vor den Wahllokalen vornehmen.

Doch zwei Drittel der Stimmen wurden laut Landeswahlleiter Marcel Hürter dieses mal per Briefwahl abgegeben. Das erschwerte den Demoskopen die Prognose. Und es lässt darauf schließen: Von den Wochen vor der Wahl bis hin zum Wahltag änderte sich die Stimmung zugunsten der Parteien, die eine andere Corona-Politik als den Lockdown vertreten.

Dieses Wissen scheint schon längst in der CDU angekommen zu sein. In der Elefantenrunde versuchte Christian Baldauf noch mal das Blatt zu drehen und sagte, die Inzidenz, also die Fallzahlen, taugten nicht als einziger Maßstab in der Bekämpfung der Pandemie. Doch für diese Erkenntnis gilt nun das Dritte Gesetz der Wahlanalyse: Verlierer haben nie recht.

Inzidenz im Mittelpunkt

Die Zeichen stehen auf Rücknahme der Lockerungen. In der Stadt Mainz passiert das bereits. Auch die Nachrichtenlage lässt darauf schließen. Zwar ist die Todeszahl heute mit 47 Fällen eher niedrig und noch immer wird auch mit und nicht ausschließlich durch Corona gestorben – doch das sind Feinheiten, die überhört werden wie Baldauf. Die Inzidenz steht alleine im Mittelpunkt.

Geht also alles nach den Wahlen weiter wie vorher? Das nicht. Das sagt selbst Söder. Das Management müsse besser werden. Engpässe bei Impfstoff und Schnelltests, nicht oder falsch ausgezahlte Hilfen für die Wirtschaft, die App eines Rappers, der mehr vertraut wird als der staatlichen App – das alles müsse besser werden, fordert Söder.

Von allen Stimmen am Tag nach den Wahlen ist seine die spannendste. Er warnt vor den Folgen. Den unterschiedlichen. Den wirtschaftlichen und geopolitischen zum Beispiel: „Corona schwächt Europa im internationalen Kontext, mehr als wir denken.“ Und auch vor den Folgen für seine Partei: Wenn im Sommer Corona gemanagt sei, dürfe die sich nicht so erschöpft haben, dass sie nicht mehr in den Wahlkampf im September ziehen könne. Diese Bemerkung ist gleich in zweierlei Hinsicht spannend.

Zwischenzeile

Zum einen glaubt Söder, dass sich die Pandemie bis zum Sommer managen lässt. „Zero Covid“ scheint sich erledigt zu haben. Also die Idee, dass sich der Virus komplett auslöschen lasse. Eine Idee, der unter anderem Berater:innen der Kanzlerin anhängen.

Zum anderen weiß Söder: Die Wahlen haben seine Partei nach unten gezogen. Die Beschlüsse seien richtig, verteidigt er sich. Aber das Management müsse besser werden, greift er andere an. Etwa Wirtschaftsminister Peter Altmaier oder Gesundheitsminister Jens Spahn, der in Sachen Kanzlerkandidatur ein Duo mit Armin Laschet bildet.

Es sind parteipolitische Fragen, die jetzt im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen: Wer kandidiert? Welche Koalitionen sind wahrscheinlich? Wer profitiert? Das folgt den Gesetzen der Wahlanalyse. Doch seit es den Virus gibt, sind viele Gesetze außer Kraft gesetzt – und die Analysten täten daher besser, ihren Fokus auf einen anderen Punkt zu richten.

Rückläufige Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung ist zurückgegangen. In Rheinland-Pfalz von 70,4 auf 64,4 Prozent. In Zeiten, in denen Politik sich wie lange nicht auf den Alltag der Menschen auswirkt, bleiben die von der Wahl fern. Wieso?

Analytiker tun gut dran, sich nicht an die Gesetze der Wahlanalyse zu halten. Und nicht so zu tun, als ob sich diese entscheidende Frage sicher beantworten ließe. Denn es gibt mehrere mögliche Gründe für die rückläufige Beteiligung. Keiner davon ist gut:

Vertrauensverlust in die Parteien aber auch Ratlosigkeit gegenüber der Pandemie bieten sich als mögliche Antworten an. Dafür spräche, dass die CDU die meisten Stimmen an das Lager der Nichtwähler verloren hat. Wie es Söder sagt, hätten die Wähler also das Vertrauen in das Management verloren – wüssten aber auch nicht, wem sie es sonst schenken sollten.

Ende der Pandemie verschoben

Der Sommer als Ende der Pandemie? Nachdem schon der Lockdown nur ein „Wellenbrecher“ war für den November? Fragen. Alles nur Fragen. Real ist der Impfstopp für AstraZeneca. Und der hat das Ende der Pandemie wieder nach hinten verschoben.

Nur wenn er die Feinheiten außer acht lässt, hat Söder recht damit, dass es an der Corona-Strategie keinen Zweifel gebe. Sicher hingegen ist, dass weitere Konsequenzen drohen, wenn wir die Pandemie nicht besser in den Griff bekommen. Für Europa im internationalen Vergleich. Und für die Union im nationalen.