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Zu einer spannenden TV-Diskussionen über Corona wurde „Die Spitzenrunde“ im SWR. Im Kandidatenduell zur Landtagswahl zeigte sich vor allem CDU-Herausforderer Christian Baldauf deutlich stärker als im direkten Duell mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).

Vor fünf Jahren weigerte sich Malu Dreyer, in die Spitzenrunde zu gehen. Sie wolle nicht mit einem Vertreter der AfD diskutieren, argumentierte sie seinerzeit. Jetzt ist die Ministerpräsidentin da – und bereut es vielleicht. Denn AfD-Spitzenkandidat Michael Frisch gibt ihr eine Schuld für Tote in Altersheimen, weil Dreyer als Landeschefin deren Schutz zu Beginn der zweiten Welle nicht ernst genommen habe.

Dann passiert Beeindruckendes: Christian Baldauf grätscht die Attacke auf Dreyer ab. Und wie: Er erzählt von seinem Vater, der in der Pandemie gestorben sei. Aber er käme nie die Idee, die Schuld bei jemandem zu suchen. Die Politik habe in einer Situation, für die es keine Blaupause gegeben habe, reagieren müssen. Frischs Attacke sei daher unangemessen.

Starker Christian Baldauf

Ohnehin zeigt sich Baldauf stark. Vor allem stark verbessert: Anders als im direkten Duell mit Dreyer schafft er es, Dinge auf den Punkt zu bringen und verständlich zu formulieren. „Wer, wenn nicht das Finanzamt, weiß, was wir verdienen“, sagt er etwa zu der Entscheidung, auf die Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gedrängt habe, die Corona-Wirtschaftshilfen nicht über die Finanzämter auszuzahlen. Dafür sei er, Baldauf, gewesen und das hätte auch besser funktioniert.

Oder wenn er Dreyer auffordert: „Lassen Sie das!“ Die Ministerpräsidentin verlange von der CDU klare Worte im Skandal, um Bundestagsabgeordnete, die sich am Maskenverkauf bereichert haben. Doch Dreyer selbst, so Baldaufs Vorwurf, schweige sich über die Affäre des SPD-Bundestagsabgeordneten Marcus Held aus. Damit zwingt Baldauf Dreyer zum Ausweichen. Zumal er selbst sich im Vorfeld klar zum Maskenskandal geäußert hat – eine Position, die er in der Spitzenrunde wiederholt.

Schwerpunkt Corona

Die erste Hälfte der Sendung dreht sich alleine um die Corona-Krise. Das tun in diesen Tagen unzählig viele Talkshows. Doch von diesen unterscheidet sich die Spitzenrunde deutlich. Denn am Tisch sitzt keiner, der sich für (noch) härtere Maßnahmen ausspricht oder Verlängerungen des Lockdowns nicht in Frage stellt.

Baldauf attackiert Dreyer nicht, weil sie in dieser Woche die Öffnung der Geschäfte zuließ. Obwohl er mit den steigenden Infektionen ein Argument in der Hand hätte. Stattdessen weicht Baldauf von der Linie der Bundeskanzlerin ab. Die Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen, dürfe nicht der einzige Maßstab sein. Impfen und Schnelltests gäben der Politik mehr Werkzeuge in die Hand, die diese auch nutzen müsse.

Der CDU-Herausforderer selbst macht sich dafür stark, dass Chören mit diesen Hilfsmitteln das Proben schneller erlaubt werden müsste als vorgesehen. Hier läuft er dann in einen Konter Dreyers: Sie erinnert ihn dran, dass Baldauf ihr immer vorgeworfen habe, von der Bundeslinie abzuweichen – und genau das verlange er jetzt von ihr.

Hätte, Hätte, Fahrradkette

Im TV-Duell 2013 hat Merkel den Spruch geprägt, „Hätte, Hätte, Fahrradkette“ bringe nichts. Man müsse im Jetzt leben. Entsprechend ist es müßig zu fragen, wie der Wahlkampf hätte aussehen können, wenn Baldauf früher so agiert hätte wie in der Spitzenrunde. Dieser Auftritt ist stark.

Doch die Spitzenrunde kommt spät. Laut dem Landeswahlleiter haben schon fast die Hälfte der Stimmberechtigten die Unterlagen zur Briefwahl angefordert. Angesichts der Pandemie stellt sich die Frage, ob der SWR flexibler hätte reagieren und vorziehen müssen. Aber: Hätte, Hätte, Fahrradkette.

Schwächen im Format

Für die redaktionellen Schwächen des Formats ist der Sender allerdings dann doch verantwortlich. Statt spannende Dialoge laufen zu lassen, geht das Moderatorenteam Daniela Schick und Sascha Becker dazwischen, um das vorgesehene Programm abzuspulen.

Das Programm ist mit sieben Kandidat:innen ohnehin vollgestopft. Deswegen gibt es eine Schnellsprechrunde, was eine originelle Idee war. In den 90ern. Doch während bei den Aussagen der Kandidat:innen die Uhr effekthascherisch laut tickt, erklärt das Moderatorenteam das Format umständlich und stellt endlos lange Fragen. So konterkariert man sich selbst.

Die Kandidat:innen sind mit wenigen Ausbrüchen wie dem Einwurf Frischs erfreulich sachlich. Der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Joachim Streit, hätte zum Beispiel als Landrat wichtige Punkte aus der Praxis anführen können. Doch jedes mal, wenn es spannend wurde, wechselte das Moderatorenteam das Thema. Da in fünf Jahren wieder eine Wahl stattfindet, lässt sich das ganz ohne Hätte, Hätte, Fahrradkette sagen: Ein wenig mehr Zeit, ein wenig mehr Konzentration und viel weniger Mätzchen verbessern das Format.