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Noch immer werden homo- und bisexuelle Männer sowie Trans-Personen beim Thema Blutspenden diskriminiert. Denn sie dürfen nicht oder nicht ohne Weiteres ihr Blut spenden. BYC-News sprach am Zollhafen in Mainz mit Markus Alvarez Gonzalez darüber.

Blutspenden war lange Zeit generell verboten

Der 25-jährige Markus Alvarez Gonzalez lebt in Mainz und hat sich im Alter von 16 Jahren als bisexuell geoutet. „Ich würde wirklich gerne Blut spenden und damit anderen Menschen helfen, leider ist mir das aber nicht möglich. Vor rund 40 Jahren, während der Aids-Krise wurde nämlich ein Verbot eingeführt, das schwule, bisexuelle Männer und Trans-Personen  fortan von der Blutspende ausschloss. Damals waren durch mit HIV-kontaminierte Blutspenden hunderte Hämophilie-Patienten mit dem Virus infiziert worden. Seitdem hat sich eine Menge verändert und heute wird natürlich jede Blutprobe vor der Verwendung getestet und diese Tests sind wesentlich genauer als noch vor 40 Jahren“, erklärt Alvarez Gonzalez.

Erst im Jahr 2017 wurde das Verbot etwas gelockert. Statt eines generellen Verbots, durften nun homo- und bisexuelle Männer, die im vergangenen Jahr keinen Geschlechtsverkehr mit einem Mann gehabt haben, auch Blut spenden. Diese Regelung wurde von der Community immer wieder scharf kritisiert und auch Verbände, wie die Deutsche Aidshilfe und der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) forderten immer wieder eine Beendigung dieser diskriminierenden Ausschlüsse. Auf diesen wachsenden Druck reagierten dann die beiden Bundestagsfraktionen der Grünen und der FDP und forderten in Anträgen ebenfalls die Beendigung des Ausschlusses.

Leider ohne richtigen Erfolg. Es gibt nun wieder eine Änderung, und auf den ersten Blick klingt das auch zumindest wie eine Lockerung der Regelungen, die Gründe sind aber noch immer nicht wissenschaftlich fundiert. Der Arbeitskreis Blut will nun schwule und bisexuelle Männer sowie Trans-Personen zur Spende zulassen, wenn sie in einer langfristigen (mindestens vier Monate andauernden) monogamen Beziehung leben und keiner der Partner HIV-positiv ist oder die PrEP nutzt. Alle anderen werden nur dann zugelassen, wenn sie vier Monate gar keinen Sex hatten. Diese Änderung soll Ende September 2021 Inkrafttreten.

Der Arbeitskreis Blut, der für die Richtlinien verantwortlich ist, schreibt zu der Änderung in einer Stellungnahme: „Der Arbeitskreis stimmt mit der grundsätzlichen Aussage überein, dass unter aktuellen wissenschaftlichen Gesichtspunkten eine befristete Rückstellung von der Spende für vier Monate nach Beendigung eines sexuellen Risikoverhaltens ausreicht, um weiterhin die hohe Sicherheit der Blutprodukte zu erzielen. Innerhalb einer wechselseitig monogamen/sexuell exklusiven Partnerschaft ist nicht von einem sexuellen Risikoverhalten auszugehen, unabhängig vom Geschlecht der beteiligten Personen.

Der Arbeitskreis Blut hält ein engmaschiges Monitoring des Sicherheitsprofils sowie begleitende wissenschaftliche Studien zu möglichen Änderungen des Spendeverhaltens nach einer entsprechenden Anpassung der Auswahlkriterien für Blutspendewillige in den Hämotherapie-Richtlinien für wichtig. Eine abgestimmte Kommunikation der gemeinsamen Arbeitsgruppe, die alle Betroffenen (z.B. Patienten- bzw. Patientinnengruppen, Spendewillige, Blut- und Plasmaspendedienste) einschließt, sollte begleitend zu einer Änderung der Hämotherapie-Richtlinien erfolgen.“



Verbot für Trans-Personen gilt weiterhin

Trans-Personen werden also weiterhin ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage diskriminiert. „Als Begründung hierfür werden Studien aus China und Amerika herangezogen. Diese sagen aus, dass Trans-Personen sich häufiger prostituieren würden, etwa um die geschlechtsangleichenden Operationen bezahlen zu können und so ein erhöhtes Risiko bestünde sich mit dem HIV-Virus zu infizieren. Diese Studien sind teilweise veraltet und können keinesfalls auf die Situation hier in Deutschland übertragen werden. Die Operationen werden hier von den Krankenkassen übernommen und es gibt auch keinen Daten, dass Trans-Personen häufiger Sexarbeiter sind. Das erklärt der Arbeitskreis Blut auch in seiner Stellungnahme, bleibt aber dennoch bei dieser diskriminierenden Regelung“, erklärt der 25-Jährige. 

Warum sind schwule und bisexuelle Männer überdurchschnittlich von HIV betroffen?

Grundsätzlich ist die Chance sich mit HIV zu infizieren, beim Analverkehr aufgrund der menschlichen Anatomie wesentlich höher als beim vaginalen Geschlechtsverkehr. Das hängt mit Immunzellen im Darm zusammen, die HIV direkt befallen und so in den Körper eindringen kann. Aus diesem Grund sind homosexuelle- und bisexuelle Männer laut Studien  stärker gefährdet.“

Allerdings können auch heterosexuelle Frauen Analverkehr mit Männern haben, die entsprechend genauso gefährdet sind. In dem Fragebogen, den man vor dem Blutspenden ausfüllen muss, wird aber nur nach der sexuellen Orientierung und nicht nach den Praktiken gefragt, die man ausübt“, sagt Alvarez Gonzalez. „Damit bleibt das Gesetz auch nach der Lockerung der Frist auf vier Monate noch diskriminierend. Denn letztendlich ist es völlig irrelevant welcher sexuellen oder geschlechtlichen Identität man angehört. Diese sagt nichts über das Sexualverhalten der entsprechenden Personen aus. Und letztendlich kann es einfach nicht sein, dass jemand ausgeschlossen wird, nur weil er mit einem Mann Sex hat.“

„Hinzu kommt, dass sich homo- und bisexuelle Männer häufiger auf HIV testen lassen als heterosexuelle Männer. Die intensive Präventionsarbeit insbesondere der Aidshilfen hat einen sehr hohen Wissenstand der Community bewirkt. Man kennt die Risiken und weiß, wie man sich schützt. Die meisten schwulen und bisexuellen Männer praktizieren Safer Sex, das zeigen die Studien der letzten Jahre deutlich. Und die Erfolge sind nicht zu übersehen: die HIV-Neuinfektionen sind in den vergangenen Jahren bei homo- und bisexuellen Männern um rund 30 Prozent gesunken – und die Schutzwirkung der PrEP kam da bisher noch nicht zum Tragen„, argumentiert Markus Alvarez Gonzalez. „Hingegen ist bei Heterosexuellen seit Jahren ein langsamer Anstieg der Neuinfektionen zu verzeichnen. Es gibt also keinen Grund immer noch mit dem Finger auf Männer, die Sex mit Männern haben, zu zeigen!“

Eine Infektion kann nach  wenigen Tagen nachgewiesen werden

Gesetzlich  ist verankert, dass man zum Testen der Blutspenden, die nach aktuellem Stand besten Tests zu verwenden hat. Diese können das HIV-Virus in der Zwischenzeit schon  nach wenigen Tagen nach der Infektion nachweisen.

„Selbst die Vier-Monats-Frist, die nun für homo- und bisexuelle Männer angedacht ist, ist deshalb noch viel zu hoch und hat keine wissenschaftliche Grundlage.  Technisch ist es heute mit den PCR-Tests, die wir jetzt alle durch Corona kennen, schon wenige Tage nach einer Infektion den Virus im Blut nachzuweisen. Wenn jede Probe tatsächlich einzeln und nicht viele gemeinsam getestet werden, kann man die Rückstellung von Spender ohne Risiko auf vier oder sogar zwei Wochen seit dem letzten Sexualkontakt verkürzen. Denn schließlich werden so viele Spenden wie möglich benötigt, da sollte man keine Personengruppe per se ausschließen, sondern einfach die Spenden vernünftig testen“, sagt Gonzalez.



Wer entscheidet die Richtlinien für das Blutspenden?

Grundsätzlich ist der Arbeitskreis Gesundheit für die Regelungen zum Blutspenden verantwortlich. Der Arbeitskreis Blut ist ein Expertengremium nach § 24 Transfusionsgesetz, das die zuständigen Behörden des Bundes und der Länder in Fragen der Sicherheit bei der Gewinnung und Anwendung von Blut und Blutprodukten berät. Seine Geschäftsstelle ist am Robert Koch-Institut angesiedelt.

Dem Arbeitskreis Blut gehören Vertreter der Bundesärztekammer an, des Deutschen Roten Kreuzes, der Arbeitsgemeinschaft der Ärzte staatlicher und kommunaler Bluttransfusionsdienste, des Bundesministeriums der Verteidigung, der einschlägigen Fachgesellschaften, der pharmazeutischen Industrie, der Aufsichtsbehörden der Länder sowie der Verbände, in denen sich Hämophilie-Patienten zusammengeschlossen haben. Zusätzlich sind das zuständige Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das Paul-Ehrlich-Institut sowie Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen und des Europäisches Direktorats für die Qualität von Arzneimitteln als ständige Gäste im Arbeitskreis Blut vertreten.

„Allerdings frage ich mich auch hier, warum die Deutsche Aidshilfe als großer Fachverband nicht in diesem Arbeitskreis vertreten ist und nicht mitreden darf.  Verbände, die mit dem Sammeln und Verkauf von Blutspenden unter anderem an Pharmakonzerne immense Einnahmen erwirtschaften, sind aber vertreten. Skurril dabei ist, dass der Arbeitskreis sich auch noch auf Studien und Stellungnahmen der Aidshilfe beruft“, sagt Alvarez Gonzalez.

Was geschieht mit dem gespendeten Blut?

Ein weiterer Punkt, den Markus Alvarez Gonzalez kritisiert, ist die Tatsache, dass der Spender nicht erfährt, was mit dem eigenen Blut passiert: „Wird das Blut weggeworfen? Wird es hier in Deutschland für lebensrettende Maßnahmen verwendet? Wird es ins Ausland verkauft? Das erfährt man nicht. Ich denke, die Spender haben das Recht, dies zu erfahren“, so der 25-Jährige.

„Hinzu kommt, dass man bei manchen Spendenstellen nirgends Informationen darüber erhält, mit welcher Methode das Blut getestet wird. Die Uniklinik Mainz  testet jede Probe einzeln  und gewährleistet so ein Maximum an Sicherheit. Andere wiederum verwenden das sogenannte Poolen, bei dem Proben aus 96 Spenden zusammen gemischt und getestet werden. Das bedeutet auch bei den sensitivsten Tests eine Verdünnung von 1 zu 96 und damit auch eine verringerte Sensitivität. Erst, wenn das Ergebnis aus einem solchen Pool positiv ist, werden die Spenden nach und nach einzeln getestet.

So spart man Zeit, aber vor allem Geld. Erst wenn im Pool Erreger nachgewiesen werden, werden immer kleinere Pools gebildet und getestet, bis man die infizierte Probe gefunden hat. Bislang gibt es keine strengen Vorgaben, wie Blutproben getestet werden sollen. Beispielsweise wurde die Nachweisbarkeitsgrenze bislang selbst beim Testen im 96er-Pool viel höher angesetzt als technisch möglich ist. Anstatt hier transparente Standards zu setzen, lässt der Arbeitskreis Blut hier einen Spielraum, der zulasten von trans*-Personen, schwulen und bisexuellen Männern zur Gewinnmaximierung einiger Blutspendedienste genutzt wird.

Hier bin ich der Meinung, dass eine Offenlegung der Testverfahren und verbindlich vorgeschriebene Mindeststandards dringend notwendig sind. Wir können und dürfen es uns in Deutschland nicht leisten, auf Blutspender*innen zu verzichten und ganze Personengruppen auszuschließen, weil wir zu geizig sind unsere technischen Möglichkeiten auszunutzen. Nicht zuletzt hat der Europäische Gerichtshof genau dies klar entschieden und so steht es auch im Transfusionsgesetz: Die technischen Möglichkeiten müssen ausgenutzt werden, weil Ausschlüsse nur dann zulässig sind, wenn sie unumgänglich sind“, sagt Markus Alvarez Gonzalez.

Hinweis: Markus Alvarez Gonzalez hat beim Interview gendergerechte Sprache verwendet. Da wir gerne allen die Möglichkeit geben möchten, den Inhalt zu verstehen haben wir den Text jedoch vereinfacht. Einige unserer Leser nutzen aus gesundheitlichen Gründen die Vorlesefunktion, deshalb ist die gendergerechte Schreibweise in diesem Fall nicht möglich, weshalb wir diesen Hinweis hier anbringen und um Verständnis bitten.