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Die Rheinland-Pfälzer wählen in weniger als vier Wochen ihren neuen Landtag. Zwar kommt der Wahlkampf nicht so recht in Fahrt. Doch er könnte spektakulär enden: Denn dank der Konstellation lässt das Ergebnis Rückschlüsse auf das tatsächliche Standing der Bundeskanzlerin zu.


Was war das große Thema der rheinland-pfälzischen Landtagswahl 2021? Diese Frage hat das Zeug, bei Günther Jauch zur Eine-Million-Euro-Frage aufzusteigen – und das nicht erst in einem oder fünf Jahren. Sondern schon jetzt, noch während der Wahlkampf läuft. Selten zuvor hat es die Politik schlechter verstanden, den Menschen klar zu machen, worum es beim Gang zur Urne geht.

Und das in einer Zeit, in der die Menschen so politisiert sind, wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Für viele Unternehmer und Solo-Selbstständige geht es um die wirtschaftliche Existenz. Sogar die leibliche Existenz, wenn die Spekulation stimmt, die Bundestagsvize Wolfgang Kubicki (FDP) in der Bild über Selbstmorde gemacht hat. Auch die psychische Belastung von Kindern ist ein Thema.

Doch die CDU vermag es nicht, diese Politisierung in Rheinland-Pfalz in Wechselstimmung umzumünzen. Dabei hat die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) bundesweit eines der schlechtesten Bilder gemacht, das es in der gesamten Pandemie zu bestaunen gab. Moderatorin Marietta Slomka quälte die Vorsitzende der Bildungsministerkonferenz minutenlang mit Fragen zu Luftfiltern, Wechselunterricht oder digitaler Ausstattung. Worauf Hubig nur mit der Antwort, die Lehrer könnten ja lüften parieren konnte. Das Fenster aufzumachen als Universalergebnis eines sechs Monate dauernden Arbeitsprozesses.

CDU und SPD gleichauf

Bildung gehört zu den Kompetenzen der Länder. Die CDU versuchte denn auch die Expertin fürs Fensteröffnen zu stellen. Auch weil ihre Chefin Malu Dreyer (SPD) in Sachen Corona und Schulöffnung beziehungsweise -schließung immer wieder mal von der Linie abwich, die sie zuvor in der Ministerpräsidentenkonferenz selbst mit beschlossen hatte. Doch so richtig gewirkt hat das nicht.

CDU und SPD sind in den Umfragen gleichauf. Während der SPD die Koalitionspartner FDP und Grüne schon die Treue geschworen haben, steht die CDU nur mit der AfD da. Mit der will und wird sie nicht koalieren. Allerdings hätte dieses Bündnis nicht mal eine theoretische Mehrheit. Die bräuchte es aber wegen der Nibelungentreue in der Ampel, um die CDU in die Staatskanzlei zu bringen.

Das größte Problem der CDU: Malu Dreyer. In allen persönlichen Werten schneidet sie in Umfragen deutlich besser ab als ihr Herausforderer Christian Baldauf. Deswegen hat sich die Union entschieden – anders als vor fünf Jahren – direkte Angriffe auf die Ministerpräsidentin zu unterlassen. Wenn es sie doch gibt, dann sind es untergeordnete Einheiten, etwa Kreisverbände des Partei-Nachwuchses Junge Union, die Dreyer mal direkt angreifen.

Direkter Angriff nicht zu gewinnen

Bis zum Herbst war das nicht einmal eine schlechte Taktik. Da Baldauf einen direkten Angriff auf Dreyer ohnehin nicht gewonnen hätte, unterließ er ihn. Stattdessen setzte er auf einen Effekt, der 2017 den ebenfalls eher blassen Kandidaten Daniel Günther und Armin Laschet den Weg in die Staatskanzleien von Kiel und Düsseldorf ebnete. Den Merkel-Effekt. Im Jahr der Bundestagswahl konnten die beiden von der Prominenz und Beliebtheit ihrer Bundeskanzlerin profitieren und Siege holen, die so nicht vorausgesagt worden waren. Jetzt fallen in Rheinland-Pfalz Landes- und Bundestagswahl ebenfalls ins selbe Jahr.

Die Kanzlerin war vor und nach dem ersten Lockdown auf dem Höhepunkt ihrer Beliebtheit. Sie hatte, so lautete ein weit verbreitetes Urteil, durch ihren naturwissenschaftlichen Verstand und ihre stoische Ruhe das Land gut durch die Pandemie gebracht. Mit Merkel im Rücken hätte Baldauf eine Chance gehabt. Bis zum „Lockdown light“ lag die rheinland-pfälzische CDU denn auch noch in den Umfragen um die fünf Prozentpunkte vor der SPD.

Doch das Denkmal Merkel wackelt: Impfstoff-Desaster, im Februar noch nicht ausgezahlte Novemberhilfen, hinterwäldlerisch ausgestattete Gesundheitsämter, Krankenhausschließungen während der Pandemie, keine Schnelltests, keine Konzepte für Seniorenheime, keine Öffnungsperspektive… Die Zahl der Angriffspunkte nimmt zu.

Wenig emotionale Landesthemen

Es gäbe Punkte, an denen die rheinland-pfälzische Landesregierung anzugreifen wäre: Rheinland-Pfälzische Ministerien haben gegen geltendes Recht befördert und eingestellt. Der Landeshaushalt wird schön gerechnet. Bluten müssen dafür die schlecht ausgestatteten Kommunen oder die Krankenhäuser, die einen der bundesweit größten Investitionsstaus vor sich herschieben. Und das obwohl ihnen die Landesregierung zugesteht, einen höheren Fallwert zu nehmen als in anderen Ländern, sodass die Schweriner, Magdeburger oder Brandenburger Versicherten bundesweiter Kassen wie DAK oder Barmer den rheinland-pfälzischen Haushalt querfinanzieren.

Doch diese Themen hängen alle am gleichen Haken: Sie sind nur schwer zu vermitteln. Emotionen im Wahlkampf damit aufzubauen, ist nahezu unmöglich. Folglich hat sich Baldaufs Team dagegen entschieden. Sodass die Wahl in vier Wochen auf zwei Entscheidungen hinausläuft. Die erste, Dreyer gegen Baldauf, hat der CDU-Kandidat schon vor dem Wahlkampf abgeschenkt.

Steht die Mehrheit hinter Merkel?

Die zweite Entscheidung lautet: Stimmt es und steht eine Mehrheit immer noch hinter Merkel? Oder gilt für solche Umfragen nur die alte Weisheit von Winston Churchill, man solle ihnen nur glauben, wenn man sie selbst gefälscht habe?

Rheinland-Pfalz hat Städte wie Mainz, Bad Kreuznach, Ludwigshafen oder Trier, die zu prosperierenden Metropolräumen gehören. Gleichzeitig gibt es im Land noch viel dörfliche Fläche. Und um zu unterstreichen, wie repräsentativ Rheinland-Pfalz ist, liegt hier auch noch Haßloch. Der demoskopische Durchschnittsort in Deutschland schlechthin.

Laschet wurde vor der Wahl 2017 sogar in der CDU ausgelacht. Baldauf ist da deutlich beliebter. Hilft ihm Merkel nicht in die Staatskanzlei, wäre das eine Aussage von bundesweiter Bedeutung. Zumal zeitgleich in einer weiteren ehemaligen Hochburg, nämlich in Baden-Württemberg, das Ergebnis für ihre Partei noch schlechter ausfallen wird. Scheitert Baldauf, scheitert Merkel. Das würde die Zustimmung zur Corona-Politik in den Umfragen relativieren.