Uniklinik Mainz

Forscher der Universitätsmedizin Mainz haben einen entscheidenden Durchbruch bei der Erforschung von Blutkrebs erzielt. Sie konnten erstmals den molekularen Wirkmechanismus einer neuen Medikamentengruppe – sogenannter Histon-Deacetylase-Hemmer (HDAC-Hemmer) – entschlüsseln. Die in der renommierten Fachzeitschrift Signal Transduction and Targeted Therapy veröffentlichten Ergebnisse könnten den Weg zu verbesserten Therapien bei Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) ebnen.

Was sind Myeloproliferative Neoplasien (MPN)?

MPN sind seltene Blutkrebserkrankungen, bei denen das Knochenmark krankhaft veränderte Blutzellen produziert. Sie zählen zu den chronischen Leukämien, die häufig langsam fortschreiten, in manchen Fällen jedoch in eine akute myeloische Leukämie übergehen können. Diese ist unbehandelt meist tödlich. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 4.700 Menschen, überwiegend ältere, an einer MPN.

Die Erkrankung wird durch Mutationen im Blutbildungssystem ausgelöst. Besonders relevant ist eine Veränderung im sogenannten Januskinase-2-Protein (JAK2). Diese Mutation führt zu einer dauerhaften Aktivierung von Signalwegen, die normalerweise die Zellentwicklung und Immunabwehr regulieren. Das Ergebnis: eine Überproduktion von Blutzellen und die Erschöpfung des Knochenmarks.

Neuer Ansatz durch HDAC-Hemmer

Derzeit werden in klinischen Studien Medikamente getestet, die gezielt Enzyme der HDAC-Familie blockieren. Diese HDAC-Hemmer bewirken ein Absterben der Krebszellen. Bisher war jedoch unklar, warum die Substanzen gerade bei MPN wirksam sind.

Das Forschungsteam der Universitätsmedizin Mainz konnte nun nachweisen, dass das Protein SIAH2 eine Schlüsselrolle spielt. SIAH2 ist an der Entsorgung defekter oder überflüssiger Proteine in der Zelle beteiligt. Die Mainzer Forscher stellten fest, dass die Histon-Deacetylasen HDAC1 und HDAC2 SIAH2 normalerweise unter Kontrolle halten. Wird ihre Funktion durch HDAC-Hemmer blockiert, steigt die Aktivität von SIAH2. Dies führt zum gezielten Abbau der überaktiven Januskinase-2 und löst den programmierten Zelltod der Krebszellen aus – während gesunde Stammzellen verschont bleiben.

Univ.-Prof. Dr. Oliver Krämer, Leiter der Abteilung Molekulare Toxikologie an der Universitätsmedizin Mainz und Letztautor der Studie, erklärt:
„Wir konnten zeigen, dass die Hemmung von HDAC1/HDAC2 mit einem potenziellen Medikament zum Absterben der Tumorzellen führt, während normale Stammzellen verschont bleiben. Unsere Forschungsergebnisse könnten damit zur Entwicklung und Anwendung schonenderer Therapien für MPN-Betroffene beitragen.“

Erkenntnisse bieten einen neuen therapeutischen Ansatz

Weiter betont Krämer: „Die Erkenntnisse bieten zudem einen neuen therapeutischen Ansatz, um das Fortschreiten dieser Blutkrebsform zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie der akuten myeloischen Leukämie oder des verwuchernden Knochenmarks zu verhindern. Gleichzeitig liefert die Arbeit ein Beispiel dafür, wie epigenetische Enzyme, die Veränderungen herbeiführen, ohne die DNA-Sequenz zu verändern, über unerwartete Mechanismen tumorfördernde Signalwege kontrollieren. Damit werden Impulse für die weitere Forschung gesetzt.“

Zusammenarbeit über Standorte hinweg

Für die Studie arbeitete das Team der Universitätsmedizin Mainz eng mit Wissenschaftlern der Medizinischen Hochschule Hannover sowie des Instituts für Molekulare Biologie in Mainz zusammen.

Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für die Behandlung von Blutkrebserkrankungen und könnten langfristig die Therapie von MPN grundlegend verändern.

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