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In Rheinland-Pfalz wird am 14. März gewählt. Das Corona-Virus erschwert den Wahlkämpfern die Arbeit. Wie sie damit umgehen und was die Bundespartei von der SPD Rheinland-Pfalz lernen könnte, berichtet deren Generalsekretär Daniel Stich im BYC-Interview.


Sie führen einen Landtags-Wahlkampf mitten in der Pandemie, Herr Stich. Wie gehen Sie in der Praxis damit um? Wirft das nicht alle Pläne über den Haufen?

Wir haben früh in Szenarien gedacht. Haben neben unserem Plan A nicht nur einen Plan B sondern auch C und D entwickelt. So waren wir ganz gut drauf vorbereitet, als es im November wieder in den Lockdown ging. Aber natürlich schränkt der Lockdown unsere Möglichkeiten im Wahlkampf ein.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Wir hatten uns eigentlich das Konzept der Town Hall ausgedacht. Ein Forum, über das wir Bürgerinnen und Bürger sowie Basismitglieder ebenso in die Aufstellung des Programms einbinden wollten wie Fachleute. Und das über einen öffentlichen Dialog. Einmal konnten wir dieses Format auch vor dem Lockdown durchführen und das hat uns wichtige Impulse im Prozess der Programmentwicklung gegeben. Aber mit dem Lockdown war das nicht mehr möglich.

Mit einer Rückkehr zur Normalität können wir vor der Wahl nicht mehr rechnen. Also bleibt es beim eingeschränkten Wahlkampf?

Wann es zu welchen Lockerungen kommen kann, weiß ich auch nicht. Wir rechnen eher damit, dass es bei den jetzigen Formen des Wahlkampfs bleibt. Aber käme es doch zu Lockerungen, wären wir vorbereitet. Wie gesagt: Wir haben Szenarien vorbereitet. Und im Fall der Fälle könnten wir innerhalb von 48 Stunden Veranstaltungen vor Ort auf die Beine stellen.

„Wir sind on fire“

Vor fünf Jahren war die rheinland-pfälzische SPD in einem Wahlkampf, in dem ihr auch außenstehende Beobachter angemerkt haben, dass die Partei on fire ist. Kommt dieses Gefühl mit all den Einschränkungen auf?

Wir sind on fire. Die Motivation ist unglaublich hoch, sich reinzuhängen. Und trotz aller Einschränkungen sind ja doch viele Formate möglich, nur halt anders: Ich denke da zum Beispiel an Martin Haller, der mit einem mobilen Wahlkampfstand unterwegs ist, mit dem er Abstand halten und trotzdem mit den Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt treten kann. Auch gibt es Haustür-Wahlkampf. Wir gehen dann halt nicht direkt an die Türen, sondern sprechen mit den Bürgern über die Türsprechanlage.

Fühlt sich das nicht komisch an?

Anfangs schon. Aber am Anfang fühlt sich Haustür-Wahlkampf immer komisch an. Wenn man dann im Schwung ist, läuft es von alleine und macht Spaß. Aber ich gestehe auch: Ich vermisse es sehr, in einer Halle zu stehen, mit über 500 Menschen, die von Malu emotional richtig mitgerissen werden.

Malus digitales Wohnzimmer. Studio der SPD Rheinland-Pfalz im Mainzer Proviantamt. Foto: Mario Thurnes

Welche Ersatzformen des Wahlkampfs haben Sie entwickelt?

Das Prinzip lautet: Wenn Malu wegen des Virus nicht in den Wahlkreis kann, dann holen wir den Wahlkreis zu Malu. In unserer Geschäftsstelle im Mainzer Proviantamt haben wir ein Online-Studio aufgebaut. Dort redet die Ministerpräsidentin mit entsprechenden Abstand mit den Kandidatinnen und Kandidaten der Wahlkreise. Zudem schalten wir Bürgerinnen und Bürger dazu. So erreichen wir die drei Elemente, die wir bei einem Besuch im Wahlkreis auch bewirken wollen: Persönlicher Austausch, Informationen aus dem Wahlkreis, aber auch das Senden unserer Botschaften. Mit diesem Format erreichen wir mitunter mehr Leute, als zu mancher Wahlveranstaltung kommen würden. Es zahlt sich jetzt aus, dass wir uns früh für digitale Formen des Wahlkampfs gerüstet haben.

Wahlkampf auf Wirksamkeit prüfen

Löst dieses Format dann vielleicht irgendwann die klassische Wahlkampf-Veranstaltung im Nebenzimmer einer Kneipe ab, die oft nur von zehn Menschen besucht wird, wovon neun für die Partei arbeiten?

Ein Effekt dieses Wahlkampfes ist es sicher, dass alle Elemente nochmal neu auf ihre Wirksamkeit hin geprüft werden. Wobei Wahlkampf halt auch Gefühl ist. Als ich früher Fußball gespielt habe, habe ich den Platz immer mit dem gleichen Fuß zuerst betreten. Das hat sich natürlich nicht tatsächlich aufs Ergebnis ausgewirkt, aber mir ein besseres Gefühl gegeben. Und so ist es mit manchen Formen des Wahlkampfs auch: Selbst wenn diese Formen nicht wirklich entscheidend sind, verbessern sie das Gefühl der Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer – und das ist auch hilfreich.

Nun beeinflusst Corona nicht nur die äußeren Umstände des Wahlkampfs. Es ist auch ein Thema. Inwiefern macht es angesichts dieser Dominanz noch Sinn, über andere Themen zu reden wie etwa den Klimaschutz?

Es ist in der Tat zu einer Themenverschiebung gekommen. Corona wirkt sich ja wirklich auf jeden auch alltäglichen Bereich des Lebens aus. Als wir den Wahlkampf konzipiert haben, war der Klimawandel noch das zentrale Thema. Es ist immer noch ein wichtiges Thema. Weil es die Menschen trotz Corona bewegt, vor allem aber wegen seiner Bedeutung für die Zukunft des Lebens auf diesem Planeten. Trotzdem ist er in den Umfragen abgerutscht. Es geben nicht mehr so viele Menschen den Klimawandel als das zentrale Thema an wie noch vor zwölf Monaten.

Also geht es bei dieser Wahl nur um Corona?

Nein. Zwar ist es wichtig, dass die Menschen der Landesregierung zutrauen, dass sie die Probleme, die sich durch die Pandemie ergeben, gut bewältigt. Etwa, dass wir schneller als andere Bundesländer geimpft haben. Aber genauso wichtig ist es, weiter über andere zentrale Themen zu reden: Mobilität, Wohnen, Bildung oder eben Klimaschutz. Dann bleiben andere Themen, die vorher schon wichtig waren, aber jetzt durch Corona anders gesehen werden: etwa die Gesundheit.

Wir sind eine Volkspartei geblieben

Nach den Umfragen sind Sie nicht so erfolgreich, wie Sie sich das vermutlich wünschen. Aber eigentlich stehen Sie recht gut da: Es gibt eine klare Mehrheit für die Ampel. Falls die FDP aus dem Landtag fliegt, reicht es für Rot-Grün. Und die SPD kommt in einem ursprünglich konservativen Land auf ein doppelt so gutes Ergebnis, wie es die Partei im Bundesschnitt schafft. Auf die Gefahr hin, dass manche diese Frage als unjournalistisch empfinden werden: Wie erklären Sie sich den Erfolg der SPD in Rheinland-Pfalz?

Es sind mehrere Elemente, die zu diesem Erfolg führen. Zum einen Kontinuität. In 30 Jahren hat die SPD in Rheinland-Pfalz je drei Vorsitzende gehabt und drei Ministerpräsidenten gestellt. Und alle hatten hohe Kompetenz- und Sympathiewerte. Zum anderen haben wir uns thematisch auch in Regierungsverantwortung immer neu und zukunftsorientiert aufgestellt. Es hat 2014 viele verwundert, als Malu Dreyer scheinbar abwegige Themen wie Demografie oder Digitalisierung in den Mittelpunkt gestellt hat. Aber es war genau richtig, sich auf diese Zukunftsthemen zu konzentrieren. Und dann ist es uns geglückt, eine Volkspartei zu bleiben.

Was heißt das?

In der Partei wird oft gestritten, ob sich die SPD mit identitätspolitischen Themen oder mit sozialen Themen beschäftigen soll. Ich habe nie verstanden, warum das ein Widerspruch sein soll. Die SPD kann sich für die Gleichberechtigung von Frauen, eine diverse und offene Gesellschaft einsetzen und gleichzeitig für faire Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine moderne und nachhaltige Industrie. In Rheinland-Pfalz hat die SPD das verstanden und setzt es auch um. Hinzu kommt, dass wir gut vernetzt sind. Wir haben die Gewerkschaften nicht nur nicht verprellt, wir pflegen ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen. Aber wir haben auch sehr gute Kontakte zu den Kirchen oder zu den Arbeitgeber-Verbänden.

Warum gelingt das im Bund nicht?

Ich kann nur für uns sprechen. Wir packen die Zukunftsthemen an und sorgen für eine Versöhnung der Gesellschaft. Und das wird von den Menschen offensichtlich anerkannt.