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Nachrichten Mainz | Die Corona-Pandemie ist für die Gastronomie eine große Herausforderung. Gastronomen dürfen zwar zum Teil wieder öffnen, doch sie stehen vor zahlreichen Problemen. Die Hygiene- und Abstandsregelungen sind nur einige davon. Boost your City hat an diesem Montag ausgiebig mit Michael Vogt telefoniert. Er ist vielen Mainzerinnen und Mainzern als „Sweaty“ und als Besitzer des Rockclubs Alexander the Great und der Kneipe Good Time bekannt.


Mainzer Kneipenwirt seit 20 Jahren

Michael Vogt engagiert sich für obdachlose Menschen in Mainz, kennt viele von ihnen gut und ist wann er nur kann zur Stelle, um zu helfen. Gemeinsam mit seinen Angestellten bietet er im Good Time während der Corona-Pandemie einen Einkaufservice an für Menschen, die zur Risikogruppe gehören. Zudem ist er Vorstandsmitglied der Mainzer SPD. Auch in der Partei setzt er sich für faire Verhältnisse in Mainz ein und besonders für die Menschen, die von den meisten vergessen werden.

Michael Vogt ist bereits seit 20 Jahren Gastronom in Mainz und und lebt für seine Kneipe und den Rockkeller, die sich beide in der Hinteren Bleiche in der Mainzer Altstadt befinden. Er beschäftigt fünf Festangestellte und weitere Aushilfen und schafft damit wichtige Arbeitsplätze in Mainz. Seinen Mitarbeitern zahlt er mehr als den gesetzlichen Mindestlohn und unterstützt sie finanziell auch in der aktuellen Situation. Er ist ein fester Bestandteil der Stadt Mainz, von der er allerdings zur Zeit keine Untersützung erhält.

Von der Stadt kommt keine Unterstützung

Von der Stadt Mainz kommt keinerlei Unterstützung, berichtet Vogt. Die Gastronomen werden fallen gelassen. „Letztendlich scheint es der Stadt egal zu sein. Es scheint so als wäre man sich sicher, dass sich schon ein Nachmieter für die Kneipe finden wird, wenn der Vorgänger insolvent ist und schließen muss. Auch wer hinter der Theke steht, scheint unwichtig zu sein“, kritisiert Michael Vogt, obwohl er selbst zum Vorstand der Mainzer SPD gehört. „Fast alle anderen Bundesländer und auch zahlreiche Städte wie beispielsweise Ingelheim zahlen weitere Gelder, um die Unternehmen zu unterstützen. Das macht Rheinland-Pfalz nicht und Mainz auch nicht.“ Stattdessen räumt Mainz die Parkplätze, um langfristig mehr Platz für die Außengastronomie zu schaffen (wir berichteten). Doch das hilft nur wenigen und verschärft ganz nebenbei die sowieso schon angespannte Parkplatzsituation noch zusätzlich.



Brief an den Oberbürgermeister Michael Ebling

Bereits am 6. Mai wandte sich Michael Vogt in einem Brief an den Mainzer Oberbürgermeister, um auf die derzeitige Situation aufmerksam zu machen: „Hallo Michael, mit der heutigen Vorstellung der Lockerung in der Gastronomie wurde bei vielen der letzte Sargnagel eingeschlagen. Das betrifft auch sehr viele Gastronomen in der Altstadt. Gastronomen mit einer Aussengastronomie werden mehr Plätze zugeteilt. Wer dies nicht hat, bekommt Minuspunkte. Wer es sich erlauben kann, auf fast 75 Prozent seiner Gäste in der Innengastronomie zu verzichten, der sei wohl gesonnen, wer nicht, der hat halt Pech. Dieses auch noch als revolutionären Alleingang zu verkaufen ist ein Arschtritt für die Hälfte der Gastronomen in Mainz, prozentual weit über 50 Prozent in der Altstadt. Hier wurde heute eine Dreiklassengesellschaft geschaffen.“, beginnt er den Brief. Weiter schreibt er: „Man hat nichts gelernt. Außer es als eine super Sache zu verkaufen.“, kritisiert Michael Vogt.

Bislang hat der Kneipenwirt allerdings noch keine Rückmeldung von Michael Ebling auf seinen Brief erhalten.

Probleme, die die meisten nicht sehen

Das beantragte Kurzarbeitergeld für seine Mitarbeiter hat lange Zeit auf sich warten lassen. Nach rund drei Monaten kam das Geld erst an diesem Montag an. „Bisher habe ich die Beträge aus eigener Tasche bezahlt. Einer Tasche die langsam leer ist.“, so Sweaty. „Ein Gastronom, entgegen allem Irrglauben dass er reich ist, streicht über das Jahr vielleicht 7-13 Prozent Gewinn ein. Vor der Steuer.“, erklärt er. „Ich kann aber meine Mitarbeiter nicht einfach hängen lassen. Sie bekommen sowieso schon weniger durch das Kurzarbeitergeld und ihnen fällt ja dann auch das Trinkgeld weg, was auch rund 1/3 des Lohnes ausmacht.“

Allein für den Strom im Rockkeller und der Kneipe zahlt Vogt monatlich insgesamt 700 Euro. Hinzu kommen GEMA-Gebühren von rund 600 Euro monatlich. Für die Krankenversicherung werden weitere 800 Euro im Monat fällig. Das sind nur eine der vielen Ausgaben, die jeden Monat auf ihn zukommen. Alleine im Alexander the Great belaufen sich die Kosten, die an einem einzigen Abend anfallen auf rund 800 Euro.

Er berichtet, dass Strom, Wasser, Gas und Sozialabgaben bis Ende Mai gestundet wurden. Die Pacht für das Alexander the Great ist zur Zeit vollständig gestundet, für das Good Time zur Hälfte. Doch schlussendlich wird er alles irgendwann zurückzahlen müssen. Je länger die Situation andauert, umso mehr wird das dann sein. Wenn er dann den Betrag nicht zurückzahlen kann, steht er als nächstes ohne Strom da. „Diese Stundungen sind nur Aufputschmittel, aber keine Hilfen. Sie zögern nur ein Sterben etwas nach hinten raus.“, so Vogt. „In dem Moment wo ich wieder öffne, stehen alle mit ausgestreckten Händen vor mir. Jeder will, was auch berechtigt ist, sein Geld das aussteht und fällig ist.“, berichtet Vogt. Hier liegt eines der größten Probleme. Das Alexanter the Great muss noch geschlossen bleiben, denn es gilt als Diskothek. Das Good Time dürfte er eigentlich öffnen, doch dann würden wie von ihm beschrieben alle Kosten schlagartig anfallen.



Das Problem dabei

Das Problem: Er könnte das Good Time zwar öffnen, doch er müsste den Mindestabstand in dem Lokal gewährleisten und an die Theke darf aufgrund der aktuellen Auflagen auch kein Gast. Das bedeutet, dass er nur rund 5 Gäste gleichzeitig in die Kneipe lassen könnte. Eine Rechnung, die nicht aufgeht, denn er müsste Personal für die Einlasskontrollen und die Theke abstellen. Mit diesen fünf Gästen wäre es nicht möglich, alle dann wieder anfallenden Kosten zu stemmen. So ist es für ihn derzeit wirtschaftlicher, die Kneipe vorerst noch geschlossen zu lassen, bis es weitere Lockerungen gibt und er dann auch wieder mehr Gäste gleichzeitig bewirten kann. „In dem Moment wo ich auf mache, mache ich zur Zeit mehr Minus, als wenn ich zu lasse. Wenn ich den Laden geschlossen lasse, reichen die finanziellen Mittel noch rund zwei Monate. Öffne ich jetzt, ist das Geld in wenigen Wochen weg“, erklärt Sweaty. „Warum soll ich also die Gesundheit meiner Gäste und meiner Mitarbeiter aufs Spiel setzen dafür, dass ich im Monat tausende Euro verliere?“

Good Time | Quelle: Michael Vogt

Der Gutscheinkauf ist nur eine kurzfristige Lösung

Von der aktuell beliebten Unterstützungsmöglichkeit in Form von Gutscheinkäufen hält Michael Vogt nicht viel. Er begründet: „Gutscheinkäufe würden mir jetzt natürlich zunächst helfen. Doch in dem Moment wo ich wieder öffne, und jeder nur mit Gutscheinen zahlt, fehlt mir dann wieder das Geld, um im Anschluss neue Getränke zu kaufen und meine Mieten zu zahlen.“

Zudem sieht Vogt ein Problem darin, Gutscheine zu verkaufen, welche die Gäste vielleicht nie einlösen können. „Die Frage ist doch, wie das rechtlich ist. Wenn ich den Laden zu machen muss und die Leute dann auf ihren Gutscheinen sitzen bleiben, muss dann das Geld zurück erstattet werden? Wer macht das dann? Wenn ich pleite bin, kann ich es nicht mehr.“

Spenden möchte Sweaty eigentlich nicht annehmen

Von zahlreichen Gästen bekam er Hilfe in Form von Spenden angeboten „Das ehrt mich natürlich und zeigt, was für tolle Gäste ich habe und auch, dass ich scheinbar einiges richtig mache. Doch für mich ist das nicht die Lösung, ich bekomme das nicht über’s Herz.“

Er möchte im Nachgang auch unangenehme Situationen vermeiden: „Ich möchte nicht, dass hier irgendwann die Situation entsteht, dass Gäste in zwei Klassen eingeteilt werden oder anders behandelt werden wollen, nur weil sie einem durch die Krise geholfen haben. Es soll sich auch keiner, der über die Stränge schlägt, darauf berufen können oder denken er hätte nun Sonderrechte hier. Da möchte ich meine Gäste nicht differenziert behandeln.“

Quelle: Michael Vogt

Soforthilfen nur bedingt hilfreich

Die Soforthilfen sind nicht allen eine Hilfe, denn man darf sie nur für Ausgaben nutzen, die das Geschäft betreffen. Das bringt Unternehmern aber nichts, die nicht wissen, von was sie die Miete ihrer Privatwohnung zahlen sollen. „Die 9.000 oder 15.000 Euro Soforthilfe, die ja abhängig von der Mitarbeiteranzahl ist, ist oft viel zu schnell aufgebraucht. Beispielsweise wären in meinem Fall die 15.000 Euro nur für die Fixkosten der beiden Läden innerhalb von einem Monat weg. Andere Gastronomen mit kleinen Kneipen können von den Soforthilfen sicherlich länger zehren. Diese Pauschalisierung war nicht gut, denn es gibt Unternehmen, die brauchen mehr und es gibt welche, die brauchen weniger.“, erklärt Vogt.



Das wäre eine mögliche Lösung

Eine mögliche und gute Lösung wäre laut Michael Vogt, dass Unternehmer anhand einer Liste monatlich die Summe beantragen können, die sie wirklich unbedingt brauchen, um die Existenz des Unternehmens zu sichern. Er erklärt, man könne beispielsweise darlegen, wie viel Kosten man für Pacht, Strom, GEMA und andere Fixkosten hat. Dann solle es entsprechend dieser Liste möglich sein, beispielsweise ein zinsloses Darlehen zu erhalten. Möglich sei dann natürlich auch vorab zu prüfen, ob bereits vor der Krise eine Verschuldung vorlag. So sei die Verteilung für jeden gerecht und jeder hätte genug, um die Krise wirtschaftlich zu überleben. Das würde den Staat vermutlich auch nicht so viel kosten wie die zahlreichen Arbeitslosen, die ansonsten auf Arbeitslosengeld angewiesen sind.

„Diese monatliche Hilfe sollte auch noch nach den Öffnungen weiter aufrecht erhalten werden. Denn wenn weniger Gäste da sind, macht der Unternehmer weniger Umsatz, die Kosten bleiben allerdings zum Großteil gleich. Ich brauche eine Thekenkraft und den gleichen Strom, egal ob ich fünf Leute im Laden habe oder 20.“

Alles ohne Hirn und Verstand

Die Pandemie einfach so verschwinden zu lassen ist nicht möglich, das ist ihm klar. „Allerdings wäre es Sinnvoll, wenn diejenigen, die die Lockerungen beschließen, diese auch etwas mehr hinterfragen. Mal recherchieren und nachdenken, was das überhaupt bringt oder ob es das für den einzelnen nur schlimmer macht. Dass sich die Verantwortlichen die Zeit nehmen und sich mit Betroffenen unterhalten. Es gibt genug renommierte Leute zu dem Thema. Damit meine ich nicht mich.“, erklärt er und übt weitere Kritik: „Der letzte Akt für die Lockerungen war doch nichts weiter als ein Buhlen um Stimmen der einzelnen Länder. Jeder wollte mehr erlauben als der andere. Alles ohne Hirn und Verstand. Wie einer der bei einer Quizshow zu früh auf den Button haut und als erster die Antwort sagen darf. Nur in diesem Fall war sie falsch, quer durch die Reihe.“

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