Wie weit geht das Geflecht von Politik und Wirtschaft in Mainz. So wird über den sogenannten „Essenheimer Kreis“ von den Mitgliedern der Mantel des Schweigens gehüllt und penibel darauf geachtet, dass keinerlei Informationen nach Außen und geschweige denn an die Presse gelangen.

Nach Recherche des Mainzer Radiosenders Antenne Mainz treffen sich unter dem Vorsitz des amtierenden Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling in regelmäßigen Abständen rund 100 einflussreiche Mainzer Männer aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur an wechselnden Locations in Rheinhessen.

Unter den Mitgliedern des „Essenheimer Kreises“ sollen nicht nur Geschäfte untereinander ausgetauscht, sondern auch gezielte Wahlempfehlungen ausgesprochen werden.

Vertrauliches Schreiben zur Wahlkampfunterstützung

So liegt dem Sender ein vertrauliches Schreiben vor, welches die Antenne-Redaktion von einem Mitglied des „Kreises“ zugespielt bekommen hat.
In dem Brief werden die Mitglieder des „Essenheimer Kreises“ aufgefordert, dem amtierenden Oberbürgermeister Michael Ebling vor der anstehenden Wahl einen persönlichen Brief zu schreiben, um ihm ihre Unterstützung zuzusichern. So heißt es in dem Brief, der nicht an die Öffentlichkeit geraten sollte:

„Wir wollen gerne Michael Ebling zeigen, dass er Unterstützer hat (…). Wir brauchen eine starke Persönlichkeit an der Spitze der Stadt und der Verwaltung. Wir, die Unterzeichner stehen für jegliche Unterstützung zur Verfügung! Wenn wir gebraucht werden, sind wir da!“

Patzke und Höhne hüllen sich in Schweigen

Unterzeichnet wurde das Schreiben von den zwei ehemals einflussreichen Mainzern Richard Patzke (ehemaliger Hauptgeschäftsführer der IHK Rheinhessen und ehemaliger Wirtschaftsdezernent der Stadt Mainz) und Detlev Höhne  (ehemaliger Vorstandsvorsitzender Stadtwerke Mainz und amtierender Aufsichtsratsvorsitzender von Mainz 05)

Eine mehrmalige Nachfrage von Antenne Mainz bei den beiden Unterzeichnern, sowie bei anderen Mitgliedern des „Kreises“, brachte nur eine Reaktion, nämlich keine. Auch der versuchte Kontakt zum mutmaßlichen ehemaligen Schatzmeister des „Essenheimer Kreises“ lief ins Leere. Er wolle sich lieber nicht äußern.

Webseite nur mit Zugangsdaten erreichbar

Auch im Internet ist über den sogenannten „Essenheimer Kreis“ nicht viel zu erfahren. Unter www.essenheimer-kreis.com  erfährt man lediglich, dass dieser Kreis allen Anschein nach im Jahre 1982, zu Zeiten als Jockel Fuchs (SPD) Oberbürgermeister war, ins Leben gerufen wurde. Seitdem wurde die Landeshauptstadt ausschließlich, mit einer kurzen 4-monatigen kommissarischen Unterbrechung durch Günter Beck) von Sozialdemokraten geleitet. (Herman-Hartmut Weyel: 1987 – 1997, Jens Beutel: 1997 – 2011).

Screenshot der Webseite des Essenheimer Kreis

Auf die Seite selbst gelangt man nur mit entsprechenden Zugangsdaten. Registriert wurde die Internetseite nach unseren Recherchen am 28.8.2012 , also knapp fünf Monate, nachdem Michael Ebling zum Mainzer Oberbürgermeister gewählt wurde, bei einem Provider in Utah (USA).

Michael Ebling als „Vorsitzender“ der Vereinigung

Als Beleg dafür, dass dieser Posten aktuell von Michael Ebling besetzt wird, lässt sich laut Antenne Mainz, dem vorliegenden Schreiben entnehmen. Auch dass Eblings Vorgänger dieses „Amt“ inne hatte lässt sich durch die Traueranzeige zum Tode von Jens Beutel belegen:

„Er war viele Jahre lang Präsident unseres Kreises und nahm stets aktiv an unseren Begegnungen teil.“

Als Verantwortlicher für die Anzeige ist dort im Nachsatz der ehemalige IHK-Hauptgeschäftsführer Richard Patzke benannt: „Essenheimer Kreis, Richard Patzke, Vizepräsident“.

Stellungnahme durch Ebling erst nach der Wahl

Anfragen seitens des Radiosenders an den amtierenden Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling wurden von diesem bisweilen abgelehnt. Als Argument nannte Ebling derzeit mangelnde Zeit. So bat er die Redaktion, ihm Zeit bis nach dem Wahlsonntag, bzw. nach dem 11. November zu geben, um entsprechende Fragen zu beantworten.

Wochenlang recherchierte der Radiosender auch bei Mainzer Unternehmen, die sich jedoch bedeckt hielten und nur Andeutungen äußerten. So hätten sie keine Chance an städtische Aufträge zu gelangen, da sie nicht das Glück hätten „dazu zu gehören“.

Wie sehr manche Aufträge in gewissen Abhängigkeiten stehen, konnte unser BoostyourCity Marketingleiter in der Vergangenheit bei verschiedenen Gesprächen persönlich selbst erfahren.

Einfache Aufträge mit „Erwartungen“ verbunden

So gab es Gespräche auf Führungsebene zwischen einem Mainzer Online-Magazin, für welches er in der Zeit von 2016 bis 2017 tätig war, mit Verantwortlichen einer stadtnahen Gesellschaft, die sich auf die Fahne geschrieben hat, die Landeshauptstadt als Tourismus-, Kultur- und Tagungsdestination zu vermarkten.

In diesen Gesprächen wurde deutlich gemacht, dass man doch bitte in Zukunft nur noch positiv über städtische Angelegenheiten berichten solle. Selbstverständlich könne man dann auch bei Aufträgen das Onlinemagazin marketingmäßig mit berücksichtigen. Hier laufen derzeit noch unsere Recherchen, da es noch weitere Gespräche mit anderen stadtnahen Gesellschafen gab.

Sicherlich braucht man keinen Hehl draus zu machen, dass entsprechende Kontakte für entsprechende Aufträge sinnvoll sein könnten. Auch ein gut funktionierender Austausch von Informationen in entsprechenden Gremien kann sich positiv auf die Verwirklichung von Projekten auswirken.

Bitterer Beigeschmack bleibt

Doch wenn solch, nach Außen völlig undurchsichtige Gruppierungen, wie der „Essenheimer Kreis“, in der sich nur ausgewählte Verantwortliche aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport treffen, muss man sich die Frage stellen, welche Auswirkungen das auf die Entwicklung einer Landeshauptstadt hat.

Wenn dann auch noch ein amtierender Oberbürgermeister erst nach einer Wahl dazu Stellung nehmen will, hat das schon einen gewissen Beigeschmack.