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Corona, Maskenaffäre, Rückenwind – die Suche nach den Gründen für die Niederlage der CDU bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz hat begonnen. Doch diese Suche lässt sich zu Fuß unternehmen – denn die Gründe für die Niederlage in Mainz liegen in Mainz.

Es war der Trierer Landtags-Abgeordnete Sven Teuber (SPD), der die Luft aus den Sprachregelungen der rheinland-pfälzischen CDU ließ: „Wenn die CDURLP keinen Rückenwind aus Berlin spürte, was sind denn die 16 Prozent der Umfragen der SPD im Bund für die SPDRLP“, fragte er über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Und so stehen an dem ersten Wahlabend 2021 zwei Trends nebeneinander: Ja, die CDU hat bundesweit ein Problem. Das zeigt auch das Ergebnis in Baden-Württemberg, wo die CDU am gleichen Abend ebenfalls ihr historisch schlechtestes Ergebnis erreichte. Nein, die rheinland-pfälzischen Christdemokraten hatten mehr als einfach nur Pech – sie hatten Probleme an Bord, die jetzt seit 30 Jahren nicht gelöst sind.

Kandidat von Klöckners Gnaden

Die CDU hat schon einen Generationenwechsel hinter sich. Daran erinnert Julia Klöckner am Wahlabend, dass die Partei mit einer der jüngsten Liste angetreten sei. Eine „verlorene Generation“ an potentiellen Ministern und Staatssekretären ist schon abgetreten, ohne zum Zug gekommen zu sein. Die Bundesministerin für Landwirtschaft ist übrigens Landesvorsitzende der CDU.

Warum ist das so? Die Frage führt ins Herz des Desasters der Landes-CDU: 2006 folgte Christian Baldauf als Landesvorsitzender auf den zwei mal krachend gescheiterten Christoph Böhr – er galt als Hoffnungsträger. Doch die Kanzlerin kürte Klöckner zum großen Talent. Baldauf machte Platz, worauf Klöckner zwei mal bei Wahlen scheiterte.

Klöckner ging nach Berlin. Der ehemalige Hoffnungsträger war wieder der künftige Hoffnungsträger. Doch obwohl allen Beobachtern klar war, dass es auf Baldauf als Spitzenkandidat zuläuft, ließ Klöckner ihn zappeln. Jedem sollte klar sein, dass er ein Kandidat von ihren Gnaden sein würde. Und wer das jetzt alles nicht verstanden hat, ist bei den knapp 75 Prozent der Wähler, die das alles ganz offensichtlich auch nicht verstanden haben.

Böhrs alte Texte aufgetragen

Am Wahlabend vermeiden die Christdemokraten konkret zu werden. Stattdessen lassen sie das Phrasenschwein klingeln: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, sagt Baldauf. Klöckner spricht von „nicht gewinnen“, um das Wort „verlieren“ zu vermeiden. Lustig: Nach 2001 sprach Böhr davon, dass der erste Tag nach der Wahl der erste Tag vor der Wahl sei und die Partei leider nicht gewonnen habe.

20 Jahre danach ist die CDU Rheinland-Pfalz über die Rhetorik des Doppelverlierers Böhr nicht hinaus. Außer Gerd Schreiner. Der Generalsekretär ist im Wahlkampfmodus. Nach der Wahl. Im Wortduell mit SPD-Landeschef Roger Lewentz spricht er von Beförderungen nach Gutsherrenart.

Aggressiv. Deutlich. Einprägsam. All das jetzt. Doch warum nicht während des Wahlkampfs? Die CDU hat in Rheinland-Pfalz die gleichen Fehler gemacht, die sie in den letzten 30 Jahren schon gemacht hat. Dass ihre Verantwortlichen sich am Wahlabend der Böhr-Rhetorik bedienen, ist die Kirsche auf der Torte.

SPD mit höherer Kompetenz

Der SWR präsentiert eine Umfrage, die mit einem Blick offenlegt, warum die CDU 2021 verloren hat: In allen wichtigen Politikfeldern außer der Kriminalitätsbekämpfung missen die Wähler der CDU niedrigere Kompetenzwerte bei als der SPD. In den Bereichen Wirtschaft und Arbeitsplätze hat die CDU bei den Kompetenzwerten zweistellig verloren.

Die Wahl 2021 ist eben mehr als nur Bundestrend. Sie ist sogar mehr als ein flügellahmer Wahlkampf. Vor allem ist sie das Ergebnis der Arbeit der letzten fünf Jahren: Der CDU ist es in dieser Zeit nicht gelungen, inhaltliches Profil zu entwickeln. Sie verfolgte die Strategie des Bauchladens.

Jenseits von hochtrabender PR-Sprache bedeutet Bauchladen: Das wichtigste Thema der CDU war immer das aktuelle. Mal war Baldauf Vorreiter in Sachen Umweltschutz, dann Kümmerer in der Bildungspolitik und zuletzt Kritiker der Merkelschen Corona-Politik. So konnte er kein inhaltliches Profil gewinnen. Schlechtere Werte in der Bekanntheit und Beliebtheit sind für einen Herausforderer bei einer Landtagswahl zudem normal. Zumal wenn die Amtsinhaberin so beliebt ist wie Dreyer.

Wer soll’s denn machen?

Die CDU hat schon einen Generationenwechsel hinter sich. Der Ruf nach neuen Gesichtern verhallt daher im „Wer soll’s denn machen“-Nirwana. Es wäre auch egal, wer die alten Böhr-Sprüche aufträgt. Die Inhalte müssen sich ändern.

Im BYC-Interview hat Gerd Schreiner gesagt, dass es auf die Kompetenzwerte ankommt. Damit hat er recht behalten. Doch die sind nach den SWR-Daten nun bei der SPD.

Bleibt Baldauf nach der Wahl der Spitzenmann der rheinland-pfälzischen CDU, muss er sich profilieren: Wenn er sich schon in der CDU nicht als Landeschef durchsetzt, wie will er es dann im Landtag machen? Partei- und Fraktionsvorsitz gehören in eine Hand. In der Mediendemokratie hat es ein Herausforderer im Landtag schon schwer genug, präsent zu sein. Und dann muss der Bauchladen endlich geschlossen werden.