Franz Voll arbeitet seit über 55 Jahren mit Lebensmitteln. Er ist Metzgermeister, Lebensmittelkontrolleur, Schriftsteller von Sachbüchern und Filmemacher, sowie seit 2018 eingebunden in das Forschungsprojekt „Geprüftewurst“. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule Bremerhaven und der Gesellschaft für Lebensmittelforschung in Berlin. Die Forscher analysieren Lebensmittel und suchen versteckte Zutaten. Erste Erfolge wurden bereits auf dem Sektor Separatorenfleisch erzielt. Hierzu hat sich Franz Voll nun in einem offenen Brief an Cem Özdemir, den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft gewendet.

Bewusste Täuschung von Verbrauchern

Unter Separatorenfleisch versteht man maschinell von Knochen gelöste Fleischteile, bei denen die Struktur der Muskelfasern verändert wird. Daraus entsteht ein Fleischbrei, der aus Muskulatur, feinsten Knochenteilen, Fett, Bindegewebe oder Rückenmark besteht.

Das Separatorenfleisch fällt nicht mehr unter die lebensmittelrechtliche Definition von Muskelfleisch und muss gemäß der europäischen Lebensmittel-Informationsverordnung entsprechend gekennzeichnet werden. Separatorenfleisch ist viel günstiger als herkömmliches Fleisch. Immer wieder stehen mache Fleischprodukte in Verdacht Separatorenfleisch zu enthalten, ohne dass dies deklariert ist. Die Verbraucherzentrale Niedersachen sieht darin ganz klare eine eine bewusste Täuschung von Verbrauchern.

Offener Brief an Cem Özdemir:

Sehr geehrter Herr Özdemir,

da auf meine Briefe, die ich mit der Post versandt habe, nie eine Reaktion erfolgte, muss ich annehmen, dass alle Briefe verloren gegangen sind. Damit das nicht mehr passiert, schreibe ich sie nun öffentlich an, in der Hoffnung, dass Sie mein Brief irgendwie erreicht.

Franz Voll

In einer ARD Sendung, so wie im neuesten Heft der Stiftung Warentest, wurde festgestellt, dass einige Wurstwarenhersteller Separatorenfleisch ohne Kennzeichnung in ihren Würsten verarbeiten, eine klare Verbrauchertäuschung. Der Verbraucher fragt sich schon, wie lange diese Täuschung noch weitergehen soll, ohne dass Konsequenzen gezogen werden.

Zumal mittlerweile eine zuverlässige Methode zur Erkennung von Separatorenfleisch von einem Wissenschaftsteam erarbeitet wurde. Das einzige Argument, der Ertappten zur Verteidigung war, dass sie kein Separatorenfleisch verwenden und die »Methode Wittke«, sei noch nicht für öffentliche Labore zugelassen und somit auch nicht relevant.

Eine blanke Lüge, im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch § 64 ist in der Kaskade der Methodensammlung ausdrücklich erwähnt, dass auch alternative Methoden, z. B. im Zeitablauf schnellere, ggf. moderne (Multi-)Methoden oder genauere, bei entsprechender in-house-Validierung durchaus zur Anwendung kommen sollen. Obwohl die »Methode Wittke« alle geforderten Voraussetzungen erfüllt, wird sie noch nicht angewandt, obwohl sie heute schon als in-house-Methode zur Verfügung steht.

Warum wird die »Methode Wittke« dann nicht nach § 64 zugelassen?

Der Grund ist einfach, durch die Aufnahme in die amtliche Sammlung von Verfahren zur Probenahme und Untersuchung nach § 64, entstehen der Gruppe ein sehr großer Nachteil. Diese Aufnahme würde nämlich für das Team bedeuten, dass ihre Forschungsarbeit sowie das daraus entstandene Patent praktisch wertlos würden. Denn nach der Aufnahme in die Sammlung wäre das Team gezwungen, die Methode nicht nur jedem staatlichen Labor, sondern auch jedem privaten Labor kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Das würde bedeuten, das Forscherteam, bliebe trotz Förderung, auf einem erheblichen Teil der Entwicklungskosten sitzen, ein Zustand den sich niemand leisten kann. Bei diesen erheblichen Verlusten würden wahrscheinlich sogar einige der Arbeitsplätze in den Forschungseinrichtungen selbst in Gefahr geraten. Dass unter diesen Umständen die private Forschung im Sinne des Verbraucherschutzes praktisch nicht mehr stattfindet, wird jeder verstehen.

Das Team um Professor Wittke würden sich wünschen, dass die Untersuchungsämter und die Lebensmittelüberwachungsbehörden, die diese Methode gerne einsetzen würden, dies auch könnten, dafür müssen Sie die Voraussetzungen schaffen.

Eine Entscheidung darüber kann nur das BVL

Cem Özdemir | Quelle: Bundesregierung

treffen, darum schreibe ich Sie an, da das Bundesamt in Ihren Geschäftsbereich fällt. Im Namen der Verbraucherinnen und Verbraucher bitte ich Sie zu prüfen, ob im zuständigen Referat 501 des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit ein Ausweg aus diesem Dilemma gefunden werden kann, damit die Verbraucherschützer das notwendige Werkzeug bekommen, um ihre Aufgabe gut zu erfüllen.

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass, wenn dieser Knoten gelöst wird, davon eine Signalwirkung für andere Forschungsgruppen ausgeht und sich mehr private Institute dem Verbraucherschutz widmen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Arbeit außer der Ehre, eine Methode entwickelt zu haben, keinen weiteren Nutzen für sie hat.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Voll