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Nachrichten Riedstadt | Der Fürst im Prunkumhang hat es sich bequem gemacht auf einem geschundenen Bürger in zerfetzter Kleidung, der untertänig auf allen Vieren auf dem Boden kauert. Doch immerhin: gütig hält der Großherzog eine Verfassung in Händen. Mit diesem satirischen Denkmal, mobil auf einem Motivwagen untergebracht, wollten BüchnerHaus und BüchnerBühne Ende letzten Jahres gemeinsam an die erste Hessische Verfassung erinnern, die am 22. Dezember 1820 von Großherzog Ludewig I. verkündet wurde.


Motivwagen kann besichtigt werden

Doch die Corona-Pandemie machten alle Pläne von Inszenierungen und Flashmobs mit dem Verfassungsdenkmal und Schauspielern der BüchnerBühne auf öffentlichen Plätzen zunichte. Auch die geplante Ausstellung des Denkmals vor der Centralstation in Darmstadt kam nicht zustande. Nun steht der Motivwagen bis auf weiteres im Hof des BüchnerHauses, in der Weidstraße 9. Dort ist er untergebracht in der offenen Büchnerscheune und kann zu den Öffnungszeiten des städtischen Kulturbüros, montags bis donnerstags von 8:30 Uhr bis 12:00 Uhr sowie sonntags von 12:00 bis 16:00 Uhr, besichtigt werden.

Dreidimensionale Karikatur vom „Langen Ludwig“

Was kaum jemand weiß: Der „lange Ludwig“, eines der bekanntesten Wahrzeichen Darmstadts, sollte eigentlich ein Verfassungsdenkmal werden, initiiert von Darmstädter Bürgern, um Lud(e)wig I. als Stifter der Verfassung zu würdigen. Kein Wunder, lässt sich diese Intention doch kaum erahnen. Zwar hält der Großherzog tatsächlich eine Verfassung in seiner rechten Hand, doch bezeichnenderweise befindet sich die 5,45 Meter hohe Statue auf ihrer rund 30 Meter hohen Säule in derartig luftiger Höhe, dass die Verfassungsurkunde mit bloßem Auge nicht zu entdecken ist.

Dabei sah ein erster Entwurf für das Monument noch deutlich anders aus: bodenständiger und mit Betonung der Verfassung, statt purer Fürstenverherrlichung, berichtet BüchnerHaus-Leiter Peter Brunner. „Gemeinsam mit dem Kommunikationsexperten Christian Steinmetz, einem Ur-Ur-Enkel Ludwig Büchners, und dem Düsseldorfer Karnevalswagenbauer Jaques Tilly haben wir uns dann dazu entschlossen, diesen ersten Entwurf nicht einfach nachzubauen, sondern eine dreidimensionale Karikatur zu schaffen, die zur Diskussion einlädt“, erklärt Brunner.

Denn diese erste hessische Verfassung, die bis 1919 galt, nannte zwar zum ersten Mal einige Grundrechte („Alle Hessen sind vor dem Gesetz gleich“), doch diente sie dem Großherzog vielmehr zur Festigung seines Herrschaftsanspruches. Auch von Pressefreiheit konnte keine Rede sein, trotz Artikels 35 der Verfassung: „Die Presse und der Buchhandel sind in dem Großherzogthume frey, jedoch unter Befolgung der gegen den Mißbrauch bestehenden, oder künftig erfolgenden Gesetze.“

Georg Büchner urteilte denn auch vernichtend:

„Eine solche Verfassung ist ein elend jämmerlich Ding.“ Und so findet sich auf dem Motivwagen in Umkehrung der Parole des Hessischen Landboten („Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“) der Spruch „Friede den Palästen“, sagte er.

Christian Suhr, künstlerischer Leiter der BüchnerBühne und Peter Brunner hoffen nun darauf, dass der Motivwagen in diesem Sommer zum Einsatz kommen kann. Bis dahin ist er am BüchnerHaus zu besichtigen. Zudem finden sich auf dem YouTube-Kanal der BüchnerBühne mittlerweile drei Videos zum Thema „Die Statue der Freiheit“, weitere Teile sind geplant.