Nach dem Ausblick auf das Jahr 2022, den die SPD Ginsheim-Gustavsburg am 3. Januar gegeben hatte, wandte sich Helene Neuhaus, Ehrenbeigeordnete der Stadt Ginsheim-Gustavsburg in einem offenen Brief an den künftigen Bürgermeister, Thorsten Siehr. Helene Neuhaus schickte diesen offenen Brief am 10. Januar an unsere Redaktion mit der Bitte um Veröffentlichung.


Offener Brief von Helene Neuhaus:

Sehr geehrter Herr Siehr!

Ich möchte Ihnen zu Ihrer Wahl in das Amt des Bürgermeisters von Ginsheim-Gustavsburg gratulieren. Das verbinde ich aber gleichzeitig mit der Erwartung, dass Sie sich als Bürgermeister aller Bürger verstehen werden. Dazu habe ich aber gewisse Zweifel, die verstärkt worden sind, als ich den Bericht „Mit Rückenwind ins neue Jahr“ gelesen habe.

Ihre Aussage zur Ortsentlastungsstraße Ginsheim, ist für mich nicht nachvollziehbar. Ihre Erwartung, bei der CDU, den Freien Wählern und der FDP möge in diesem Jahr die „Vernunft einkehren“, ist an Zynismus kaum noch zu überbieten.

Ist Ihnen entgangen, oder wollen Sie das bei sich, gewissermaßen als „fake news“, verdrängen, dass Ihnen die vom Durchgangsverkehr geplagten Ginsheimer im Wahlbezirk 1 eine regelrechte Ohrfeige verpasst haben. Dass Sie dort mit 40% zu 60 % unterlegen waren, müsste Sie das nicht nachdenklich gemacht haben und Anlass sein, bei sich selbst endlich „ die Vernunft einkehren“ zu lassen? Die einzige, weil vernünftige Lösung des Problems Ortsentlastungsstraße, ist, dieses Projekt endlich zu realisieren!

„Vielzahl der Nichtbetroffenen kein besonderes Interesse für den Bau“

Haben Sie eigentlich einmal darüber nachgedacht, dass bei der Entscheidung über den Bau der Ortsentlastungsstraße, übrigens unter SPD-Bürgermeistern (!) seit 1963 geplant, die Einwohnerschaft zu mehr als drei Viertel vom Durchgangsverkehr in Ginsheim nicht geplagt wird. Daraus folgt leider, dass bei dieser Vielzahl der Nichtbetroffenen kein besonderes Interesse für den Bau dieser Trasse erwartet werden kann; zumal die Einwohnerschaft immer wieder mit falschen Informationen über die Finanzierungsmodalitäten verunsichert worden ist. So ergibt es sich, dass eine kaum vom Durchgangsverkehr betroffene Mehrheit bereit zu sein scheint, sich über die berechtigten Interessen einer Minderheit rücksichtslos hinwegzusetzen und die Entlastungsstraße tatsächlich „zu begraben“. Das darf doch nicht wahr sein! Sie, Herr Siehr, haben sehr deutlich gesagt, dass Sie die Absicht haben, das im Stadtparlament mit Ihrer „Mehrheit“ von einer Stimme durchzusetzen.

Ich darf Sie daran erinnern, das Sie diese Mehrheit nur einem für Ihr Rot-Rot-Grünes Bündnis günstigen Zurechnungsverfahren bei der Verteilung der Parlamentssitze verdanken. Tatsächlich hatte die bürgerlichen Gruppierung von CDU, Freien Wählern und FDP bei der Wahl im Frühjahr 50,1 % erreicht, das war die Mehrheit bei den Wählern. Bei Rot-Rot-Grün waren es nur 49,9 %. Das ist die Wahrheit hinter Ihrer Feststellung, die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament seien auf den „Kopf gestellt“.


„Jahrzehntelange Vorherrschaft Ihrer Partei hatte Spuren hinterlassen“

Noch ein Wort zu Ihrer Absicht, die „kommunalen Finanzen zu stabilisieren“. Sie sollten sich eigentlich daran erinnern, dass der Haushalt von Ginsheim-Gustavsburg völlig überschuldet gewesen war, als der jetzige Bürgermeister sein Amt angetreten hat. Die Stadt Ginsheim-Gustavsburg war kaum noch in der Lage gewesen, die Gehälter ihrer Beamten und Angestellten zu bezahlen, ohne sich weiter zu verschulden. Die jahrzehntelange Vorherrschaft Ihrer Partei in unserer Gemeinde hatte ihre Spuren hinterlassen.

„Sich vor einer sichtbar werdenden Entscheidung zu drücken, darf es nicht geben“

Überdenken Sie bitte Ihre Absicht, das Projekt Ortsentlastungsstraße beerdigen zu lassen ohne Rücksicht auf die tatsächlich betroffenen Menschen in Ginsheim! (Sollte es zu einer diesbezüglichen Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung kommen, muss unbedingt darauf bestanden werden, dass es zu einer offenen namentlichen Abstimmung kommt. Weiterhin darf sich kein Mitglied seiner Verantwortung entziehen, als Vertreter oder Vertreterin der gesamten Bürgerschaft sein oder ihr Votum öffentlich abzugeben. Sich per Befangenheitserklärung vor einer sichtbar werdenden Entscheidung zu drücken, darf es nicht geben. Es muss dann deutlich werden, wer eine entsprechende Entscheidung zu verantworten hat!)

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass das angesprochene Projekt endlich realisiert werden wird.

Thorsten Siehr hat sich gegenüber BYC-News am 10. Januar 2022 zu dem offenen Brief in einem Interview geäußert. Hier geht es zum Statement vom zukünftigen Bürgermeister von Ginsheim Gustavsburg: Thorsten Siehr reagiert auf offenen Brief – Ortsentlastungstraße Ginsheim Gustavsburg